Marx und Nietzsche mischen sich ein - Die heillose Kultur - Band 1.1. Dr. Phil. Monika Eichenauer
demnächst Gesundheitskarte hät Einzug. Wenn Menschen keinen Namen mehr haben, nur noch Nummern sind, kann man vermutlich Sachbearbeiter oder Verwaltungsangestellte psychologisch beruhigter irgendwelche ganz normalen bürokratischen Vorgänge auf Anweisung erledigen lassen. Zahlen wirken entlastend auf Bedenken von Mitarbeitern, reduzieren mögliche Schuldgefühle oder zumindest Denken und Reflexionen?
Auf der anderen Seite wird das deutsche Oben eingeladen. Diejenigen, die man sich an den Hebeln der Macht vorstellen kann – hier geht es natürlich nicht so barsch und kalt, wie anlässlich der Einladungen vorgeladener, mittelloser Bürger in Ämtern mit überfüllten Gängen und Fluren, zu. Die Kaderschmiede für Manager der letzten fünfzig Jahren ist u. a. in Baden-Baden zu finden: Man kann sich nicht bewerben, man wird eingeladen – dort wurden und werden Topmanager ausgesucht und eingesetzt in Deutschland: Baden-Badener Unternehmertage. Betitelt wird dieser illustre Kreis in den Medien als „Deutschland AG.“ Hintergrund waren die A & O – Versicherungen. Sie werden durch die Firmen bezahlt.
Versicherungen für Manager, die als Vollkaskoversicherung hinsichtlich Verantwortungsübernahme von Entscheidungen eingesetzt werden: Dann kann mit Millionen und Milliarden leichter jongliert werden – dann ist es auch egal, wie viele Menschen ihr Leben, ihre Träume und Wünsche, ihre Gesundheit, ihre Arbeit, ihre Wohnung und ihre Lebensfreude verlieren. Denn nicht der Mensch ist Ziel aller Bemühungen in Deutschland – weder seine Vergangenheit, noch seine Gegenwart, noch seine Zukunft. Denn diese Männer sind ganz weit oben – haben offenbar nur insofern Bodenkontakt, wenn sie auf Geldtresoren stehen. Dieser Boden hat nichts gemein mit dem Boden, auf dem Menschen in Deutschland leben müssen – oder in anderen Ländern.
Aber diesen armseligen Boden nutzen diese Manager, wie offenbar Siemens in Ungarn aus, um Geldwäsche in 8 Millionen Euro Höhe zu betreiben: Obdachlose wurden auf der Straße angesprochen. Ihnen wurde ein Anzug gekauft, Geld versprochen, eine Wohnung gemietet. Ein Konto eingerichtet, das die Obdachlosen als Geschäftsführer auswies. Danach bekamen sie 15 Euro und konnten wieder zur Bank im Park zurückkehren. Nun werden die Obdachlosen wegen Steuerhinterziehung angeklagt! Niedertracht und Skrupellosigkeit kennen keine Grenzen – man darf gespannt sein, wer schlussendlich auf der Anklagebank mit welcher Erklärung erscheint und bestraft oder frei gesprochen wird.
Zusammenfassen lässt sich bezüglich der Entwicklung im Deutschland der letzten sechzig Jahre auf diesem perspektivischen Strang das Folgende: Es wirkt eine klinisch reine, distanzierte und sachliche Form des Umganges mit Menschen von entfernten Schreibtischen, die auch als grausam benannt werden kann. Sie führt mittels politischer Entscheidungen zu Gesetzen, die Menschen seelisch den Glauben verlieren lässt. Ihre Seele wird bei lebendigen Leib angegriffen: Letztlich wird der gesamte Mensch angegriffen und ratenweise zerstört – der Rest an Gesundheit wird mittels der Gesundheitswirtschaft vermarktet, abgebaut und vernichtet. Der Profit ist sicher.
Dagegen setze ich: Die Seele als Zeuge dieser Vorgänge von „sauberer“ Gewalt und Grausamkeit in einer Demokratie auf kapitalistischer Wirtschaftsbasis, die es auch noch in Jahrhunderten schaffen wird, Unrecht ans Tageslicht zu befördern – in Übertragungen im Leben jetzt noch nicht geborener Menschen. Die Seele ist und bleibt Zeuge – egal in wem. Sie wird unterdrücktes seelisches Material ans Licht befördern.
Meine These lautet also: Wird die Geschichte nicht emotional aufgearbeitet, kann Geschichte nicht verjähren – auch wenn sie politisch als aufgearbeitet deklariert und juristisch in Verjährungsfristen festgesetzt wird: Sie setzt sich unerbittlich in der Seele durch Menschen fort. Wie in den heute geborenen Kindern junger Menschen, die von den Ausläufern der emotional nicht aufgearbeiteten Vergangenheit mehrfach betroffen und getroffen und durch perspektivelose Arbeitslosigkeit geprägt werden: Durch die familiäre, durch die politische, durch die wirtschaftliche Abspaltung der Vergangenheit und die ökonomistischen Vergehen in der Gegenwart. Die heutigen jungen Menschen haben kaum noch Zukunftschancen, die durch eine konsequente Bildungspolitik abgesichert, in eine berufliche Zukunft münden könnte. Ein paar Schulabgänger bekommen eine Lehrstelle – das Gro aber nicht. An dieser Stelle fließen ebenfalls die Stränge kollektiv unbewältigter Vergangenheit und Gegenwart in Form von Verarmungsstrategien durch Politik und Wirtschaft zusammen – trotz Reichtum und noch schlimmer: wegen Reichtum. Es hungern Menschen trotz Überfluss von Nahrungsmitteln. Es leben Menschen unter erbärmlichen Verhältnissen trotz vorhandenen und leer stehenden Wohnraumes. Die Lager in Deutschland sind voll von allem – trotzdem werden Menschen verarmt. In den Banken und an den Börsen wird das Geld verwahrt und vervielfacht – die Bürger bekommen läppische Zinsen, die dem Ertrag des Bankhandels mit Geld in keiner Weise entspricht.
Ich stimme nachträglich Frau Merkel nochmals zu: „Deutschland ist in der schwersten Krise seit 1949.“ (7.7.2005) Als Schlagzeile in Zeiten des vorgezogenen Wahlkampfes klang der Inhalt akut genug, um Handlungsbedarf anzumelden. Aber nun nach drei Jahren muss die Mehrheit der Bevölkerung feststellen: Es hat sich nicht zum Besseren für sie in ihrem Leben ausgewirkt. Im Gegenteil. Lassen Sie es mich noch einmal sagen: Damals – anders als heute – ging es bergauf. Die gegenwärtige Aufbruchstimmung im Sommer 2007 mit Meldungen der sinkenden Arbeitslosenzahlen wurde von Kritikern aus verschiedenen Richtungen begründet angezweifelt. Damals, nach dem Krieg, waren die Menschen froh, ihr Leben zu haben – heute wissen viele nicht mehr, was sie mit diesem Leben anfangen sollen, da es an allen möglichen Stellen beschränkt ist, weil sie nicht wissen, wie sie leben sollen in dieser Kultur, in der alles da ist und viele Menschen nichts mehr bekommen.
Es gibt nichts aufzubauen: es ist alles da. Es ist keinen Gräueltaten des Krieges zu entkommen – der Krieg ist aus. Aber das Prinzip der ständigen wirtschaftlichen Produktion unter deren notwendiger Voraussetzung im Kapitalismus, immer Neues zu entwickeln und zu schaffen, um den Profit sicherzustellen, setzt gleichzeitig die ständige Zerstörung des immer wieder Geschaffenen voraus. Aber eben nicht für alle: Es trifft diejenigen, die wirtschaftlich abhängig sind. Das Geschaffene wird zerstört, damit sich der Profit vermehrt – das ist die ganze Wahrheit. Heute hilft kaum noch ein Mensch dem anderen. Heute sammelt jeder im übertragenen Sinne Steine für sich allein, um sich etwas aufzubauen – was aber dem Großteil der Bevölkerung nicht gelingt oder kaum noch möglich ist. Denn ihr Leben, ihre Arbeitskraft ist so berechnet, dass es nicht gelingen kann, in Ruhe zu leben.
Wenn heute ein Mensch zerlumpt die Straße entlang geht, wird er verachtet: Er hat es nicht geschafft, im Kapitalismus zu bestehen.
Das deutsche Volk fühlte sich befreit durch die amerikanischen Besetzer! Moral und Ethik wurde wieder unter Aufsicht eingeführt, die in der Nazizeit ihrer humanistischen Grundlagen entkleidet, funktional einer diametral entgegen gesetzten, antihumanistischen Machtideologie zur Handlungsgrundlage diente.
Wer soll Deutschland heute noch retten? Wer rettet heute die Menschen vor kapitalistischen Interessen und einer inhumanen Zweiklassengesellschaft? Dieses wieder Ingangsetzen von Moral, Ethik, Recht und Ordnung, was dem deutschen Volk nachhaltig durch die eigene Regierung ausgetrieben und genommen worden war, von AUSSEN ist das beschämende und hemmende in der Verarbeitung dieser geschichtlichen Epoche: Die deutsche Regierung der Hitlerzeit handelte gegen die menschlichen Interessen seiner Bürger und machte ihnen mit Heilsversprechungen glaubhaft, was sich als völliges Gegenteil erwies! Ich glaube sagen zu können, dass der Großteil der Bevölkerung selbst unter sehr großem Druck stand und Angst hatte, die sie nicht zeigen durfte. Denn die Angst war Hinweis darauf, dass sie etwas wussten, was sie besser nicht gewusst hätten und öffentlich bestritten, wenn sie gefragt oder konfrontiert wurden.
Da das Ausmaß dessen, was sie wussten, durch die Realität bei Offenbarwerden des tatsächlichen Ausmaßes gesteigert wurde, blieb es in weiten Teilen der Bevölkerung so: Man wusste nichts.
Und heute? Menschen haben immer noch Angst. Sprechen nicht, treten nicht für humanistische Grundprinzipien ein, die da lauten könnten: Es gibt keinen demokratischen Beschluss in Deutschland, zur Einteilung von Menschen in eine Zweiklassengesellschaft. Es gibt keinen demokratischen Beschluss für Armut – oder habe ich da irgendetwas nicht richtig verstanden? Wie vereinbaren sich diese Entwicklungen mit dem Grundgesetz? Es gibt wirtschaftliche Entscheidungen der Unternehmer – und es gibt