Die Zukunft ist der Roboter. Martin Cordemann

Die Zukunft ist der Roboter - Martin Cordemann


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      Lächelnd saß der Präsident nach seiner Rede in seinem Umkleideraum, wo er voll Vergnügen das Ergebnis der Abstimmung abwartete. Sein Vorschlag war angenommen worden. Das ermächtigte ihn dazu, seinen Plan auszuführen, der diesen Planeten retten würde – eine Robotergesellschaft!

      Nachdem er seine Dankesrede vorbereitet hatte, stellte er fest, dass er dringend seinen Akkumulator aufladen musste.

      Geräusch

      Was für ein blöder Tag. Die Schule war ihm gehörig auf die Nerven gegangen und nun war er todmüde. So gegen vier war es jetzt und er lag auf seinem Bett und döste vor sich hin. Sein Mund war trocken und seine Wange schmiegte sich an das Kopfkissen.

      Dann hörte er es. Wasser lief. Jemand ließ sich gerade Wasser in die Badewanne laufen – sein Vater wahrscheinlich. Er stellte sich vor, wie er...

      Moment, wie lange lief das Wasser nun schon? Zwei Stunden, drei, oder vier? Seine Uhr zeigte 19.27 Uhr an. Er fuhr aus seinem Bett hoch und war sofort hellwach.

      Warum lief das Wasser so lange? Jemand sollte es doch abstellen. Sein Vater, genau. Aber wo war sein Vater?

      Er stand ruckartig auf und lief aus dem Zimmer. Die Tür zum Badezimmer war geschlossen, aber er konnte das Geräusch des einlaufenden Wassers hören. Ansonsten war es in der Wohnung still.

      Es war überhaupt sehr still. Eigentlich war es still! Man hörte keine Autos, keine Kinder und nicht einmal den Wind hörte man. Man hörte keine Geräusche. Bis auf das Einlaufen des Wassers. Verwirrt trat er an ein Fenster und sah hinaus. Die Landschaft war größtenteils verwüstet, überall lagen Trümmer. Hatten sie also doch Ernst gemacht. Es musste einen Angriff gegeben haben. Alle waren gestorben. Nur er nicht. Es war schon seltsam, aber nun konnte er sich die Anomalie, die der Arzt vor zwei Jahren bei ihm festgestellt hatte, erklären. Er schien also für Strahlen nicht oder langsamer anfällig zu sein als die anderen. Seine Eltern zum Beispiel. Glücklicherweise hatte ihr Haus den Angriff weitgehend überlebt. Wenigstens etwas.

      Nun war er allein. Der einzige Mensch möglicherweise.

      Was konnte er tun?

      Er hörte das Wasser laufen.

      Ja, das konnte er erst einmal abstellen.

      Würde er in dieser verseuchten Welt überleben können?

      Er öffnete die Badezimmertür. Wasser strömte ihm entgegen. Verseuchtes Wasser.

      Vielleicht war es auch ein biologischer Krieg gewesen und die Toten hatten sich aufgelöst oder so etwas. Dann bestand für ihn noch eine geringe Überlebenschance. Das bedeutete: War er auch gegen diese Viren immun!?

      Er drehte den Hahn zu und nun war es ganz still.

      Nicht einmal der Wind blies und Menschen waren keine zu hören.

      Was hatten die nur für einen Krieg geführt? Naja, wenigstens lautlos war er gewesen. So sah also die Zukunft der Welt aus, Verzeihung, hörte sie sich an.

      Er hatte hier genug Zeit verbracht. Wenn es keine Frau gab, die auch immun war, sah er keine großen Chancen für ein Weiterbestehen der Menschheit. Aber vielleicht war es auch besser so. Als er das Badezimmer verlassen wollte, glitt er auf dem feuchten Boden aus und fiel in die Wanne...

      Er fuhr hoch.

      Oh Gott. Er hatte nur geträumt. Er war froh darüber. Sein Kopfkissen war feucht, sein Mund trocken und er zitterte.

      Er sah auf die Uhr. Halb sechs. Vor ca. zweieinhalb Stunden hatte er sich ins Bett gelegt.

      Müde und froh streckte er sich aus, um den Alptraum zu verdauen – und hörte, wie das Wasser immer noch in die Wanne lief.

      Dreißig Jahre Zimmer 1 von Kafka

      Zum letzten Mal schloss M die Gardinen vor dem kleinen Fenster. Der Begriff Fenster war übertrieben, es war ein dünner Schlitz in der Wand, durch den an manchen Tagen ein Streifen Sonnenlicht fiel, aber nicht oft. Die Gardinen hatte seine Frau ihm gestrickt, damit er etwas Persönliches in seinem Raum hatte, etwas, das ihn an sie erinnern sollte; das ihn an das erinnern sollte, wofür er das alles tat.

      M ging zu seinem Schreibtisch, nahm die Aktentasche und tat den Apfel hinein. Er hatte ihn nicht gegessen. Nicht heute. Er hatte ihn nicht gebraucht. Die Vorfreude und die Furcht vor dem Ende hatten ihn seinen Appetit vergessen lassen. Ein letztes Mal ließ M seinen Blick durch das kleine Zimmer schweifen. Der Schreibtisch, der Stuhl, das Fenster, mehr gab es nicht. Die Gardinen würde er für seinen Nachfolger da lassen. Falls es einen Nachfolger gab. Vielleicht war er der einzige, würde immer der einzige bleiben, der diese Aufgabe zu erfüllen hatte, die er treu und sorgsam 30 Jahre lang erfüllt hatte.

      Nun stand er kurz davor, diesen Raum zum letzten Mal zu verlassen. Die Zeit dort hatte ihn altern lassen, schneller, als andere gealtert waren. Wenn er jetzt ging, würde er nie wiederkommen, würde nie wieder diesen Raum betreten. 30 Jahre lang hatte er jeden Morgen die Tür geöffnet, war eingetreten, hatte seine Aktentasche neben den Schreibtisch gestellt, hatte versucht, die Aufgabe zu erfüllen, die man ihm aufgetragen hatte und war abends wieder zurück nach Hause gegangen, zu seiner Frau. Kinder hatten sie nicht gehabt. Der Raum hatte seinem Leben eine Aufgabe gegeben, ein Ziel, eine Richtung, eine Bedeutung.

      Leise schloss M die Tür hinter sich, ohne noch einmal zurück zu blicken. Dieser Raum würde von nun an für ihn verschlossen bleiben. Geheimrat Weber kam vom Ende des Korridors auf ihn zu. Er hatte M dabei beobachtet, wie dieser sein Zimmer verlassen und seine Tür zum letzten Mal geschlossen hatte. Weber reichte M die Hand, zum Abschied.

      „Habe ich meine Aufgabe erfüllt“, fragte M. „Bin ich den Anforderungen, die man an mich gestellt hat, gerecht geworden?“ Weber schwieg. „Für mich“, fuhr M fort, „war Zimmer 1 das Wichtigste in meinem Leben. Zimmer 1 hat meiner Existenz einen Sinn verliehen, eine Bedeutung. Ohne Zimmer 1 wäre mein Leben sinnlos, bedeutungslos und ich hätte nichts erreicht.“

      Geheimrat Weber senkte den Blick. „Ihr wirkliches Zimmer war Zimmer 2“, sagte er leise.

      Reise durchs All

      Durch die Wolken stieß das Shuttle hinunter auf den Planeten. Die Wolkenformationen waren der Besatzung in ihrer Art, ihrem Aufbau völlig unbekannt und waren selbst für den Piloten derart faszinierend, dass er Mühe hatte, sich auf die Steuerung der Fähre zu konzentrieren. Es gab blaue Wolken, rote Wolken, einige grüne Wolken, die die Form von Bergen, Türmen, Pyramiden und einigen anderen vorstellbaren und unvorstellbaren Gebilden hatten. Golden und gleißend schien die Sonne zwischen einigen der Formationen hindurch. Der Pilot setzte zur Landung an.

      10 Der Countdown lief. Das Mutterschiff befand sich in einer Umlaufbahn um den Planeten.

      9 Zweihundert Augen beobachteten, wie sich die Fähre mehr und mehr dem Boden näherte.

      8 Der Kommandant des Mutterschiffs biss sich auf die Lippen und verschüttete seinen Kaffee.

      7 In sieben Sekunden würde der erste Mensch den Fuß auf einen Planeten außerhalb seines eigenen Sonnensystems setzen.

      6 Der Pilot der Fähre betrachtete den Scanner, der die Entfernung zum Boden anzeigte – und betete.

      5 Durch die Wolken fiel ein goldener Glanz direkt auf die kleine Fähre und hüllte sie in ein gelbliches Licht.

      4 Noch bestand die Möglichkeit, die Mission abzubrechen, dachte der Kommandant.

      3 Mühsam versuchte der Pilot, den Schweiß, der ihm über die Stirn lief, zu ignorieren.

      2 Der Lotse an Bord des Mutterschiffs stellte keine Veränderung fest – und wünschte der Crew des Shuttles das Beste.

      1 Alle Sensoren zeigten an, dass alles planmäßig verlief.

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