Die Zauberer von Atlantis. David Perteck
ein grausames Schauspiel bot, zahlten die Buchmacher einem das Vielfache, denn normale Todeskämpfe oder öffentliche Hinrichtungen gab es schließlich überall und jeden Tag zu sehen.
Felarion ließ sich noch von einigen begeisterten Zuschauern auf die blutbeschmierten Schultern klopfen und kassierte dann den Beutel mit Goldmünzen. Danach begab er sich in den nahe gelegenen Gasthof, um seinen fünften Sieg in diesem Monat zu feiern. Es hatte sich wirklich gelohnt, in den nördlichen Provinzen von Atlantis am Rande der großen Wälder zu arbeiten. Die Gegner waren hier deutlich stärker, aber das war dem Schwertmeister lediglich von Nutzen, denn so konnte er ein um so größeres Spektakel veranstalten. Außerdem wusste er, dass er nur durchtriebene Massenmörder und Halsabschneider vernichtete, die sich selbst im Zweikampf bereichern und am bezahlten Töten erfreuen wollten. Jedenfalls schlachtete er dabei keine unbedarften Sportfechter wie in den größeren Städten und auch keine Massen unschuldiger Zivilisten wie zuvor im jahrelangen Dienst als Söldner in den Kriegen des Südens. Noch ein paar Monate und dann konnte er sich endgültig zur Ruhe setzen.
Als Felarion einige Gläser Bier getrunken hatte und sich gleich mit einem jungen Freudenmädchen aufs Zimmer begeben wollte, stand plötzlich ein finsterer Mann in schwarzem Kapuzenumhang an seinem Tisch. Der Schwertmeister legte die Hand auf den Schwertgriff und wunderte sich, dass er diesen unheimlichen Fremden nicht viel früher beim Betreten des Gasthofes oder bei der Annäherung bemerkt hatte.
„Sei gegrüßt, Schwertkämpfer“, sagte der Mann. „Ich bin Pandorax und suche Gefährten für eine wichtige Mission. Du bist der richtige dafür und ich kann dir jeden Preis bezahlen.“
Pandorax, Felarion und Ulangarth standen am Rande einer Lichtung in den nördlichen Wäldern. In der Mitte dieser Lichtung stand ein großer uralter Runenstein.
„Erscheine, Hexe des Waldes!“, rief der Schwarzmagier.
Daraufhin begannen kalte Winde um den Stein zu wehen und Laub und Unterholz wurden aufgewirbelt. Als der Wind abebbte und die Sicht wieder klar wurde, stand eine schlanke Frau in blaugrünem Gewand vor dem magischen Stein. Sie hatte lange und wirre dunkelgrüne Haare und ein wunderschönes Gesicht, dessen Augen wie magische grüne Edelsteine leuchteten.
„Sei gegrüßt, Zayandra, Herrin des Waldes“, sagte Pandorax.
„Was führt dich hierher in den tiefen Wald, zu meinem Hexenstein?“, fragte die Zauberin mit geheimnisvoller heller Stimme.
„Ich möchte dir einen Pakt anbieten“, erwiderte Pandorax. „Dies hier sind der Dämon Ulangarth und der Schwertmeister Felarion. Wir begeben uns auf einen Feldzug, um einen gefährlichen Feind zu vernichten und unvorstellbare Macht zu erlangen. Dafür benötigen wir deine Hilfe. Und es soll dein Schaden nicht sein, wenn du uns begleitest.“
Sie saßen in einem geräumigen Turmgemach auf Pandorax´ Anwesen. Der Schwarzmagier erklärte den angeworbenen Gefährten weitere Einzelheiten seines Vorhabens.
„Ich habe meinen Feind, den Schwarzmagier Alazar, mithilfe meiner Kristallkugel aufgespürt“, sagte er. „Der Widerling war viele Jahre lang in anderen Dimensionen das Daseins unterwegs, um Macht anzusammeln und Unheil zu verbreiten, aber jetzt hat er sich auf der Erde in einer dunklen Festung weit im Osten im Wüsten Land niedergelassen.“
„Was hat den Magier dazu bewegt“, fragte Zayandra, die Waldzauberin, „sich in diesen Gefilden niederzulassen?“
„Das hat damit zu tun“, sagte Pandorax, „was ich ebenfalls durch die Kristallkugel sehen konnte. Er hat irgendwo in den anderen Welten ein mächtiges magisches Artefakt ergattert. Einen uralten Zauberstein, der unter anderem als das Dämonenauge bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine unvorstellbar machtvolle magische Waffe, mit der man unter den richtigen Umständen und mit dem nötigen Wissen und den notwendigen magischen Fähigkeiten ganze Welten und ganze Galaxien vernichten kann.“
„Ein Kampf gegen diesen Gegner“, sagte Felarion, „erscheint mir nicht sehr aussichtsreich, wenn er wirklich über solche Mächte verfügt.“
„Ich vermute“, sagte Pandorax, „dass Alazar noch nicht vollständig über die Kräfte des Dämonenauges verfügen kann. Sonst hätte ich die Wirkungen bereits durch die Kristallkugel verspürt. Ich nehme deshalb an, dass er das Artefakt in der dunklen Festung im Wüsten Land verwahrt, damit dem Zauberstein weitere Mächte zuwachsen, die vielleicht mit unserer Welt und ihren Naturelementen zusammenhängen. Wenn dann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dem Dämonenauge seine vollständigen Kräfte innewohnen und diese für seinen Besitzer nutzbar sind, dann wird Alazar es benutzen und damit zuschlagen wie es ihm beliebt, um alles, was ihm im Wege stehen könnte, erbarmungslos auszulöschen und eine unvorstellbare Schreckensherrschaft zu errichten. Er würde über eine fürchterliche Allmacht verfügen.“
„Verständlich“, bemerkte Felarion, „dass du diese Allmacht für dich selbst erlangen möchtest.“
„Alazar und ich sind seit undenkbaren Zeiten erbitterte Feinde“, erklärte Pandorax. „Ich wäre sicher einer der ersten, der unter dem Unhold leiden müsste, wenn er meiner habhaft werden könnte. Deshalb will ich dem Feind zuvorkommen und das Dämonenauge in meinen Besitz bringen. Das sollte mich und meine Getreuen anstelle Alazars zu allmächtigen Herrschern des Kosmos machen!“
„Wir werden also Anteil an dieser Macht erlangen, wenn wir dir beistehen?“, fragte die Waldhexe.
„Genau das ist mein Plan“, versicherte Pandorax. „Alazar wird es sein, der unendlich leiden darf, und wir werden gemeinsam die Allmacht des Dämonenauges erlangen.“
„Ich werde Alazar in die Welt der Dämonen hinab ziehen“, zischelte der Dämon Ulangarth bösartig. „Auf unseren Folterburgen wird er ewige Qualen erfahren. Und das Dämonenauge verschafft uns die Vorherrschaft über das gesamte Multiversum.“
3. Kapitel: Ein Attentat
Niemals zuvor hatte ich mehr Schiffe in den Hafen von Atlantium einfahren und vor Anker gehen sehen, als nach dem Tod meines Großvaters König Kardaros von Atlantis. Aus fernen Ländern kamen die Oberhäupter der Hohen Häuser persönlich oder ihre höchsten Abgesandten, um über Ursachen und Folgen seiner Ermordung durch den Feind zu beraten. Und um über die Nachfolge zu verhandeln. Denn es war längst nicht mehr selbstverständlich, dass die alten Traditionen der Erbfolge eingehalten wurden und somit mein ältester Onkel Karodan den Obsidianthron besteigen würde.
Innerhalb der Hohen Häuser von Atlantis und zwischen ihnen herrschten erbitterte Fehden und tödliche Intrigen und dennoch musste der nächste König das Reich vor allem geschlossen gegen die äußeren Bedrohungen führen. Denn soweit wir bisher wussten, hatte eine feindliche Macht Kardaros durch einen unvorstellbaren Anschlag ins Reich der Toten befördert. Die Bevölkerung war aufgewühlt. Innere und äußere Gefahren konnten auf der sterbenden Erde unter der roten Sonne ständig auf ungeahnte Weise zunehmen und zu verheerenden Entwicklungen führen.
Ich saß unter den rund fünfzig nächsten Verwandten des Verstorbenen, als die hohen Würdenträger der Reihe nach in die große Empfangshalle einzogen und die ersten Zeremonien durchgeführt wurden, bevor in den nächsten Tagen nach der feierlichen Beisetzung des Königs die geheimen Aussprachen der Hohen Häuser begannen. Niemand wusste, ob bereits nach wenigen Tagen oder aber erst in einigen Monaten über die Nachfolge und die weiteren organisatorischen und militärischen Fragen entschieden sein würde. Wahrscheinlich war die Machtergreifung durch Karodan, doch unabhängig davon konnte es im Zuge jeder möglichen Entwicklung auch zu einschneidenden Veränderungen für jeden Angehörigen der königlichen Dynastie kommen. Wie sehr dies mich persönlich betreffen sollte, hätte ich allerdings nicht zu träumen gewagt.
* * *
Ich reiste auf den Pfaden der Toten. Myriaden an Portalen konnte ich aufstoßen und so in beliebige Zeiten und Räume reisen.