Moses, der Wanderer. Friedrich von Bonin

Moses, der Wanderer - Friedrich von Bonin


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dem Einen Gott verbreitet, er war der erste.

      Nein, antworteten die Zweiten, vor Echn´aton hat sich schon Abraham, dem Urvater unseres Glaubens, Jahwe offenbart, der eine, der der Alleinige Gott ist.

      Aber, erwidern wieder die ersten, woher wollen wir denn wissen, ob Abraham je gelebt hat, ob er wirklich Gott gesucht und gefunden hat? Von Echn´aton wissen wir, er ist in den ägyptischen Schriften genannt. Von Abraham wissen wir nichts, nur das, was im Alten Testament steht.

      Moses hat zur Zeit Ramses des Zweiten gelebt, sagen Geschichtsschreiber. Ramses der Zweite war einer der mächtigsten Pharaonen in der Geschichte Ägyptens überhaupt. Hätte der zugesehen, wie sechshunderttausend waffenfähige Männer aus Ägypten auszogen und vierzig Jahre vor seiner Nase im Sinai herumzogen? Niemals!

      Hat Moses also vor oder nach Ramses gelebt? Hat Moses überhaupt gelebt? Mit diesen Fragen müssten wir uns beschäftigen, wenn wir Geschichte schreiben wollten, und tatsächlich hat es Versuche genug gegeben, Moses als geschichtliche Figur einzuordnen, mit mehr oder weniger Sachkenntnis, aber immer mit viel Spekulation, sowohl was die Personen, die Zeiten und die geographischen Verhältnisse angehen.

      Wir lassen die geschichtlichen Fragen unangetastet. Wir werden die Rätsel, die um Moses ranken, nicht auflösen. Wir wollen einer Geschichte hinterherspüren, die wir uns spannender nicht ausdenken können, die aber in der Quelle, dem Alten Testament, an entscheidender Stelle für unseren Geschmack von zu großer Kürze ist, die Zusammenhänge nicht berührt, die uns an der Geschichte interessieren. An anderer Stelle ist die Quelle, vor allem, wenn es um Stammbäume geht oder um die einzelnen Gesetze, die Gott gab, von einer ausschweifenden Ausführlichkeit, die wenigstens uns manchmal langweilig erschien.

      Wir haben uns daher vorgenommen, die Geschichte zu erzählen, damit sie sich für uns wieder hören lassen kann.

      I Abdi-Hepa

      1.

      Eine grelle Sonne, blendend, aber nicht wärmend, stieg über die Berge im Osten, die vor Sonnenaufgang nur als schwarze weiche Linien in den dunklen Nachthimmel geragt hatten und fing an, sie zu färben, erst dunkelblau, dann in ein rötliches ocker um schließlich den lindgrünen Flaum zu belichten, den die langen und ausgiebigen Winterregen auf die Berghänge gezaubert hatten. Noch immer war der Winter nicht vorbei, im Schein der aufgehenden Sonne jagten sich im Westwind schwarze Wolken. Natürlich waren die Hirten froh über den Segen, den das Himmelswasser brachte, das die Weiden grün gefärbt und durch das die Herden reichlich Futter hatten.

      Ich dagegen liebe die Wärme der Sommersonne, die Hitze meinetwegen, und leide unter dem Winter. Fröstelnd zog ich die Wolldecke fester, in die ich mich gehüllt hatte und beschleunigte meinen Schritt.

      „Komm morgen zu Sonnenaufgang“, hatte mein Auftraggeber gesagt, „und sei pünktlich, ich hasse Unpünktlichkeit.“

      Und so war ich genau zur festgesetzten Stunde am Ziel, denn hier, am Weg zu dem Pass Michmas, der in das Ephraim Gebirge führte, lag einsam am Berghang, das feste und große Haus des greisen Josua, des Propheten und Richters Israel, der mich gerufen hatte. Und dem Ruf Josuas gehorchte man, wenn man in diesen Zeiten in Kanaan lebte.

      An der Südostseite des Hauses, auf einer Bank, sah ich die stille, zusammengesunkene Gestalt des Hausherrn, der unbeweglich sein Gesicht in die aufgehende Sonne hielt und mich nicht wahrzunehmen schien.

      „Glaubst du an Jahwe, Hepa, und befolgst die Gesetze?“

      Er hatte mich also doch gesehen, oder vielmehr gehört, denn es war allgemein bekannt, dass Josua seit Jahren vollkommen blind war, dass sich aber in dem Maße, wie sein Augenlicht abnahm, sein Gehörsinn schärfte. Er nannte mich bei meinem Kurznamen, eigentlich heiße ich Abdi-Hepa, das war aber den Israeliten von je her zu lang.

      „Das sind gleich zwei Fragen, Herr“, antwortete ich bescheiden, „welche soll ich zuerst beantworten?“

      „Du irrst dich, Hepa, es ist in Wirklichkeit nur eine Frage. Denn wenn du an Gott glaubst, befolgst du auch seine Gesetze, oder du wärest dumm, was ich nicht glaube. Befolgst du aber die Gesetze Jahwes, bist du gläubig, warum sonst solltest du sonst seine Gesetze befolgen? Merke: Gott und die Gesetze sind eins, Moses, unser Prophet, hat uns aus dem ägyptischen Diensthaus geführt und uns den Gott unserer Väter zurückgebracht und mit ihm seine Gesetze. Sie stammen von Gott, Moses hat sie uns nur gebracht, damit wir, das Volk Israel, sie befolgen und ihr mit uns. Denn wenn wir seine Gesetze nicht achten, straft der Herr das ganze Volk.“

      Ich schwieg. Was hätte ich antworten sollen? Etwa, dass ich, Hepa, aus dem Dorf Jerusalem keineswegs zu seinem Volk gehöre? Oder dass der Jahwe des Volkes Israel keineswegs auch mein Gott war oder unser Gott? Dass ich Jebusiter sei, Angehöriger eines Volkes, das seit Menschenaltern in Kanaan wohnte und das von den eindringenden Israeliten erst besiegt und dann unterdrückt worden sei? Nein, dergleichen antwortete man nicht, wenn man Jebusiter war und dem mächtigen, wenn auch uralten Josua gegenüberstand.

      Josua hatte mich rufen lassen und gefragt, ob ich bereit und in der Lage sei, die Geschichte, die er zu erzählen habe, die Geschichte von Moses Leben und dem Auszug seines Volkes aus Ägypten, anzuhören und aufzuschreiben. Er wusste, dass ich ein Geschichtsschreiber war, mein Ruf ist, ohne falsche Bescheidenheit gesprochen, in ganz Kanaan und darüber hinaus bekannt. Ich habe in Ägypten bei den bedeutendsten Lehrern studiert, Geschichte, Astronomie, Gottesgelehrsamkeit und die Kunst des Schreibens und Lesens und bin dann aus Ägypten, wo ich die Priesterschulen in Theben, in On und in Memphis besucht habe, nach Kanaan zurückgekehrt. Das Leben eines Privatgelehrten in Kanaan erschien mir erstrebenswert, ich hatte mich auf eine angesehene Stellung unter den Jebusitern gefreut. Aber niemand wollte oder konnte mit meinen Künsten etwas anfangen, niemand war bereit, mir eine Stellung zu geben, mit deren Erträgen ich meinen Lebensunterhalt fristen konnte, und so schlug ich mich mit einzelnen Schreibaufgaben durch das Leben. Ernähren konnte ich mich durch diese Arbeiten nicht, ich würde verhungern, könnte ich nicht meine Einnahmen durch Hirtentätigkeit aufbessern.

      Das Leben war nicht einfach für uns nach der Ankunft dieser Israeliten, die aus dem Osten kamen vor etwa einem Menschenalter. Ich war ein Kind damals, meine Eltern lebten ein friedliches Leben in dem kleinen Dorf Jerusalem, mein Vater war der Oberpriester der Göttin Astarte und lebte von den Opfergaben, die die Menschen in der Umgebung ihm und seiner Familie gerne brachten dafür, dass er um Fruchtbarkeit flehte, und, wie ich mit Stolz bemerke, nicht vergebens flehte. Die Bauern in unserer Gegend waren mit reichlichen Oliven-, Orangen- und Weinernten gesegnet und zeigten freigebig ihre Dankbarkeit gegen die Göttin. Das ging gut, bis die Israeliten kamen und mit mehreren großen Schlachten, einer bei Jericho und einer hier im Ephraim Gebirge, nicht nur uns Jebusiter, sondern auch die Kanaaniter, die Amalekiter und andere Völkerschaften besiegten und sich zu Herren des Landes aufwarfen. Sie waren Nomaden, aber sie hielten fest zusammen wie ein Volk und vor allem, sie verehrten einen Gott, Jahwe. Wer mit ihnen, die die Herren des Landes waren, zu tun haben wollte, musste diesen Jahwe verehren, allen andere Göttern abschwören und ihre Gesetze einhalten.

      Gebote, die einzuhalten teilweise einfach war. Wer würde nicht akzeptieren, dass das Erschlagen anderer Menschen verboten sei? Wer nicht, dass man seine Eltern ehren soll? Aber dass wir nur einen, nämlich ihren Gott verehren sollten, dass wir uns mit Frauen, die uns gefielen, nicht einfach vereinigen durften, dass sogar Frauen sich nicht Männer auswählen durften, das war nicht nachvollziehbar.

      Und doch, was sollte ich tun? Ich bekannte mich zu ihrem Gott Jahwe, ich gab vor, ihre Gesetze heilig zu halten, und heimlich opferte ich weiter unseren Göttern, wenn mir eine Frau gefiel, fragte sich sie, ob ich ihr auch gefiele. Wenn sie zustimmte, liebten wir uns, ohne dass ich diese Abenteuer etwa den Israeliten oder ihren Priestern erzählte. So galt ich bei den israelitischen Besatzern und ihrem obersten Propheten, Josua, als frommer Mann und so war Josua auf mich verfallen, als er seine Geschichte aufgeschrieben haben wollte.

      Geizig war er. Ich forderte fünf Schekel für die Arbeit einer Woche. Allein vier Tage feilschten wir um diesen Preis, er bot zuerst nur einen Schekel und nach vier Tagen einigten wir uns auf drei Schekel.

      „Aber dann ist das Papyrus im Preis inbegriffen“, forderte er mit seiner vor


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