Moses, der Wanderer. Friedrich von Bonin

Moses, der Wanderer - Friedrich von Bonin


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Material in den drei Schekeln enthalten sein soll, zahle ich noch aus eigenen Mitteln dazu, denn das Papyrus kostet sicher mehr als diese drei Schekel, und meine Mittel sind knapp.“

      Und das Feilschen begann von vorn, nach weiteren zwei Tagen hatte ich mich auf zweieinhalb Schekel herunterhandeln lassen, aber er bezahlte Papyrus, Feder und Tinte.

      Heute nun sollte die Arbeit beginnen, heute bei Sonnenaufgang und hier war ich.

      2.

      „Es ist eine eigenartige Geschichte um Moses, er war einer der gottestreuesten Menschen, die ich gekannt habe“, sagte Josua nachdenklich und sah mit seinen blinden Augen auf die Berge, die nun in sattem Grün strahlten. Die Regenwolken hatten sich vorerst verzogen, aber es wehte immer noch ein kühler Westwind, so dass wir uns beide fester in unsere Umhänge wickelten, „so gottestreu wie er war, hat Jahwe ihm doch nicht gestattet, die Früchte seiner Arbeit zu sehen und ihn zu seinen Vätern versammelt, ohne dass er je nach Kanaan kommen durfte. Ich durfte sein Werk vollenden.“ Er schwieg.

      Ich saß neben ihm und verfolgte, wie die Sonne am Himmel immer höher stieg, wie sie trotz der Jahreszeit zu wärmen anfing und legte nach einiger Zeit meinen Wollumhang ab. Josua schien sich dagegen noch fester zu umwickeln. Ich nahm ein leichtes Frösteln an ihm wahr.

      „Das Alter zieht mir die Wärme aus dem Körper“, murmelte er, „Jahwe, du tätest vielleicht besser daran, mich auch sterben zu lassen. Das Leben weicht mit der Wärme aus mir.“

      Wieder schwieg er.

      Ich fing an, mir Sorgen zu machen. Er begann nicht mit der Erzählung, die ich aufschreiben sollte. Wollte er nicht oder war sein Geist nicht mehr bei ihm? Vorsichtig wollte ich ihn auf die Spur bringen.

      „Warst du von Anfang an dabei?“, fragte ich leise.

      „Wo ist Gott?“, begann er, als hätte er mich nicht gehört, „er war bei mir, als ich Moses aus der Gefangenschaft in Pitom befreite, als ich mit ihm nach Theben ging. Zum letzten Male hörte ich ihn, als wir Jericho eroberten, auf diese kuriose und unmögliche Art. Direkt in meinem Kopf war er, wie auch vorher schon. Ich solle Kundschafter nach Jericho schicken, wies er mich an.

      Wir standen, unser dreißigtausend, davon fünftausend meiner Krieger, die ich gut ausgebildet hatte, am anderen Jordanufer und sahen auf das gelobte Land und auf die erste Stadt in diesem Land, Jericho. Eine Stadt war das, von starken Mauern umgeben, und die Mauern, wir konnten das von der anderen Seite des Flusses sehen, mit starken Kräften besetzt. Während des ganzen Marsches unseres Volkes habe ich immer darauf geachtet, meine Armee zu vergrößern. Hatte ich beim Auszug aus Ägypten noch kümmerliche tausend Mann unter meinem Kommando, die auch noch gar nicht oder schlecht bewaffnet waren, so war meine Armee auf fünftausend Mann angestiegen, als wir Jericho sahen, alle gut bewaffnet und ausgebildet. Ich war immer der Macher gewesen unter Moses Führung und so wollte ich auch, als Moses gestorben war, Jericho mit meiner Armee erobern. Stürmen, war die Devise, die Mauern erstürmen und die Stadt einnehmen. Das würde schwer werden, das war mir klar, wir hatten keinerlei Belagerungswerkzeug, mit dem wir den Mauern etwas anhaben konnten.

      Aber Jahwe verbot das Stürmen. Drei Kundschafter solle ich in die Stadt schicken, die von ihm, Jahwe, künden sollten und die Behörden auffordern, uns einzulassen. Ich schüttelte zwar insgeheim den Kopf, aber wer war ich, Jahwe zu widersprechen, also schickte ich die Kundschafter.

      Mit Schimpf und Schande seien sie aus der Stadt getrieben worden, mit Hohngelächter, berichteten sie, kaum dass sie ihr Leben retten und flüchten konnten und hier seien sie nun.

      Gut, so Jahwe in meinem Kopf, dann sammle mein Volk Israel, alles, was gehen kann, die ganzen dreißigtausend Menschen, mit all ihrem Hab und Gut und setze auf die andere Jordanseite.“

      „Aber dann ist doch das ganze Volk gefährdet, wenn sie einen Ausfall machen und die Menschen angreifen, die nicht kämpfen können“, wandte ich in meinem Kopf ein. Das bekam mir aber nicht gut.

      „Setze mein Volk über“, kam die knappe Anweisung, ein Befehl, nicht etwas, was man diskutieren konnte.

      Also setzte ich über den Jordan, eine schwierige Arbeit, alle Menschen, alles Vieh, ihr Hab und Gut, alles über den Strom, der glücklicherweise zu der Zeit nicht tief und reißend war, wie er es manchmal im Winter ist. Das dauerte fast zwei Tage und unablässig mussten wir den Spott der Kanaaniter aus Jericho ertragen.

      „Nun ziehe um die Stadt, mit allem, mein ganzes Volk umkreise die Stadt, dreimal, ganz herum.“

      Ich wagte nicht mehr, Jahwe zu widersprechen, zu klar waren seine Anweisungen. Also umkreiste ich dreimal die Stadt, wieder mit Sack und Pack und allen Menschen und allem Vieh. Von den Mauern sahen sie auf uns herab, die Einwohner, und höhnten, ob wir meinten, so die Stadt erobern zu können, sie warfen nicht einmal brennendes Pech auf uns, wir waren es ihnen wohl nicht wert. Nach diesem Marsch errichteten wir unser Lager am Ufer des Jordan und ich erwartete, nun den Befehl zum Sturm zu erhalten. Nein! Wieder sollten wir am nächsten Tag die Stadt umrunden, wieder dreimal! Ich kam mir vor wie ein kleines Kind, aber seltsamerweise murrte das Volk Israel nicht, es schien die Anordnungen Jahwes besser zu verstehen als ich.

      „Und nun lasse alles Vieh, alles Hab und Gut im Lager zurück“, befahl Jahwe am dritten Tag. „Nur die Menschen lass die Stadt umkreisen, und deine Männer sollen ihre volle Bewaffnung tragen und die Hörner der Widder, die ihr mit euch führt für Signale, sollen sie während des ganzen Marsches um die Stadt mit voller Kraft blasen.“

      Da lachten sie nicht mehr, die Einwohner, als sie die Menschen sahen, meine Krieger und das Volk und als sie die Hörner hörten, da gefror ihnen das Blut in den Adern und es war, als stürzten die Mauern von Jericho ein, so schnell öffneten sie die Tore, als wir die Stadt einmal umrundet hatten.“

      „Mein Herr und Prophet Josua, soll ich das alles mitschreiben? Ist es nicht besser, von vorne zu beginnen?“, fragte ich noch einmal vorsichtig.

      Wieder war es, als hätte ich nichts gesagt.

      „Danach hat er nicht mehr mit mir gesprochen, es war das letzte Mal. Und dabei begann doch jetzt erst die schwere Zeit, wir mussten das Land erobern, das Jahwe uns versprochen hatte.“

      Auch hier ersparte ich mir den Kommentar. Ich hatte die Geschichten von den Hebräern gehört, die aus Ägypten abgezogen waren, ein zerlumpter Haufe ungesunder Menschen, unterdrückt von den Ägyptern und rechtlos.

      Was hier in Kanaan nach langer Zeit ankam, das war ein diszipliniertes, gesundes und kräftiges Nomadenvolk, voller Glauben an seinen Gott und voller Eroberungslust. Man hätte meinen können, die Hebräer hätten Erinnerungen gehabt an die Zeit, als sie selbst unterdrückt waren und hätten die geschont, die in dem Land lebten, in das sie einfielen. Aber weit gefehlt! Als sie uns besiegt hatten, stellten sie uns vor die Wahl, uns ihrem Gott anzuschließen oder das Land zu verlassen. Aber auch uns, die wir uns zu ihrem Gott bekannten, betrachteten sie als Menschen zweiter Klasse. Ein Israelit von Geburt zu sein, von dem Volk Abrahams, das betrachten sie als eine Art Adel.

      Aber auch diese Gedanken durfte ich ihrem obersten Propheten nicht sagen.

      „Wann beginnen wir denn mit den Aufzeichnungen, großer Prophet?“, fragte ich zum dritten Mal und diesmal hörte er mich.

      „Richtig, die Aufzeichnungen. Hepa, hast du Feder, Tinte und Papyrus mitgebracht, dann beginnen wir jetzt.“

      „Hier habe ich alles“, und ich deutete auf meinen Leinensack, in dem ich mein Schreibwerkzeug untergebracht hatte, „wie möchtest du die Geschichte aufgeschrieben haben, o Josua, willst du selbst als Erzähler genannt werden, so dass wir in der Ichform schreiben oder soll ich auch von dir als einer fremden Person schreiben?“

      „Natürlich schreibst du so, dass nicht ich das alles erzähle, sondern als ob ein Fremder schreibt.“

      „Wenn du beginnst, werde ich Stichworte schreiben und am Abend eine Reinschrift fertigen, die ich dir am nächsten Morgen vorlese, findet das deine Billigung?“

      „Mach es so, wie du meinst, Hepa“, er zeigte sogar die Andeutung eines Lächelns,


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