Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2. Tobias Fischer

Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2 - Tobias Fischer


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      »Woher wollen Sie das wissen?«

      »Beim Vorbeigehen hat sie das Pärchen hinter uns böse angefunkelt, weil sie geflüstert haben. Das Pärchen links von ihr hat auch geflüstert, aber sie hat die beiden nicht einmal bemerkt. Sie konnte sie nicht hören. Da hätten wir schon einmal einen Ansatz, auf dem wir unsere Strategie aufbauen können«, sagte Veyron und rieb sich kurz die Hände.

      Tom wollte nichts mehr davon hören, er hatte einfach nur Angst. Dachte Veyron etwa an einen Gegenangriff? Wenn ja, musste die Hitze seinen Verstand durchdrehen lassen. Das wär ja glatter Selbstmord.

      In der First Class stand Alec vor seinem Publikum, vierzig verängstigten Passagieren, die kein Wort sagten und auf den dunkelblauen Teppichboden starrten. Keiner besaß den Mumm, aufzustehen und von ihm Rechenschaft zu verlangen. Das bestätigte ihn in seiner Auffassung, dass auf der Welt nur zwei Sorten von Menschen existierten: Schafe und Wölfe. Die einen ließen sich herumtreiben, folgten brav und gedankenlos der Herde. Doch die Wölfe, so wie er einer war, die nahmen sich, was sie wollten. Wölfe folgten keinen Regeln außer ihren eigenen.

      Alec wartete, bis Tamara aus der Businessclass zurückkehrte und ihm bestätigend zunickte. Alles war unter Kontrolle. Er zog einen kleinen Zettel aus der Hosentasche und las vor: »Diese Maschine befindet sich jetzt in der Gewalt des Roten Sommers. Es wird Ihnen nichts geschehen, solange Sie den Anweisungen der Kämpfer des Roten Sommers Folge leisten und soweit Ihre Regierungen die von uns gestellten Forderungen erfüllen. Es lebe die Freiheit, es lebe die Gerechtigkeit!«

      Die letzten Worte rief er laut aus, und alle anwesenden Mitglieder – Tamara, Otto und Johan – wiederholten sie wie einen wilden Schlachtruf. Alec lächelte vor Genugtuung, als er sah, wie die Schafe unter den Rufen zusammenzuckten. Am liebsten hätten sie sich bestimmt unter den Sitzen versteckt – mit zwei Ausnahmen: eine junge Manager-Tussi, die nur gedankenverloren auf den Boden starrte, und ein japanischer Manager mittleren Alters, der interessiert zuhörte. Als Einziger wagte er es, Alec direkt anzuschauen.

      Keuchend drehte sich Alec weg. Irgendwie konnte er den stechenden, herausfordernden Blick dieses Mannes nicht länger ertragen. Ihm kam es so vor, als würde dieser Kerl in seine Seele blicken und die Abgründe finden, die er so sorgfältig vor seinen Kameraden verbarg.

      Ich weiß, wer du bist und was du bist, schien ihm der Manager in Gedanken zuzurufen. Das war zwar sicher nur Einbildung, dennoch: Er musste etwas dagegen unternehmen.

      Alec ärgerte sich über seine eigene, fast panische Reaktion und ballte die Faust. Saß da etwa ein Wolf mitten unter den Schafen? Nun, er würde diesen Passagier später disziplinieren, jetzt musste er sich erst einmal das Gehör der Welt verschaffen. Er ging ins Cockpit zurück, wo die beiden Piloten miteinander tuschelten, und klopfte mit der Pistole gegen die Tür. Das brachte sie zum Schweigen.

      »Hier sind Ihre Anweisungen«, blaffte er Captain Hotchkiss an und reichte ihm einen zweiten Zettel, den er aus der Hosentasche gekramt hatte. »Sie ändern den Kurs jetzt nach Südost und werden Somalia ansteuern. Auf dem Zettel stehen die genauen Koordinaten, die Geschwindigkeit und die Flughöhe. Geben Sie mir die Flugkontrolle«, befahl er.

      Hotchkiss reichte ihm widerstandslos den Kopfhörer. Alec setzte ihn auf und sprach ins Mikro. »Kontrolle, habe ich Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit?«

      »Wir hören, 327.«

      »Hier spricht der Rote Sommer. Dies sind unsere Forderungen: Sie werden die Freilassung unserer Gesinnungsgenossen in Chile, in Deutschland und in Kanada veranlassen, die dort ungerechterweise inhaftiert wurden. Weiter werden Sie fünfzig Millionen Dollar auf ein noch zu nennendes Konto überweisen. Werden diese Forderungen nicht erfüllt, beginnt Roter Sommer mit der Tötung der Geiseln an Bord dieses Flugzeugs. Sie haben von jetzt an zwei Stunden bis zur Tötung der ersten Geisel. Sollten unsere Forderungen bis dahin nicht erfüllt sein, töten wir zu jeder vollen Stunde eine weitere Geisel. Ergänzende Forderungen folgen zu gegebener Zeit«, sagte Alec so emotionslos, wie er es zustandebrachte. Er nahm den Kopfhörer ab und gab ihn Hotchkiss zurück. »Führen Sie die Kursänderung jetzt durch, Captain«, befahl er und verließ das Cockpit. Im Crewbereich rief er Johan. Der hochgewachsene Schwede kam herangeeilt. Alec deutete ins Cockpit. »Du sorgst dafür, dass die beiden Hübschen da drin keinen Unfug anstellen. Achte auf die Kursangaben. Erschieß den Kopiloten, wenn sie uns bescheißen.«

      Johan nickte und wuchtete seinen muskulösen Körper in das kleine Cockpit. Alec zündete sich genüsslich eine Zigarette an. Diesen Moment des Triumphs musste er auskosten, alles lief großartig. Jetzt war es Zeit, sich um diese andere Sache zu kümmern. Mit entschlossenen Schritten kehrte er in die First Class zurück.

      Jessica hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Zusammengekauert saß sie in ihrem Sessel, die Kleidung klebte an ihrem durchgeschwitzten Körper. Verstohlen blickte sie immer wieder die drei Terroristen an, die pausenlos auf und ab marschierten. Alle in der First Class waren mucksmäuschenstill und ertrugen die brütende Hitze, so gut sie konnten. Besonders schlecht ging es den sieben jungen Punkrockern. Sie hingen angeschnallt mehr tot als lebendig in den Sitzen, grün im Gesicht. Mit den Händen schienen sie Fliegen zu verscheuchen, die es gar nicht gab. Jessica wagte vorsichtig einen Blick nach hinten. Nagamoto saß noch immer aufrecht, die Miene trotzig. Der Schweiß rann ihm übers Gesicht, ansonsten schien es ihm sehr gut zu gehen. Jessica bewunderte ihn für seine Disziplin und das Selbstbewusstsein, den Terroristen nicht die Befriedigung zu verschaffen, ihn zu demütigen. Sie wünschte sich, ebenfalls solche Tapferkeit zu besitzen.

      Die Tür zum Crewbereich öffnete sich. Der Anführer der Terroristen trat heraus, frech eine Zigarette rauchend und der Hitze und dem Schweiß nicht achtend. Er hielt einen Fetzen Papier in der Hand, den Jessica als Passagierliste identifizieren konnte. Die Mistkerle hatten drei Flugbegleiterinnen der First Class schon gleich nach der Übernahme dazu gezwungen, sämtliche Passagierlisten auszuhändigen.

      »Mr. Tatsuya Nagamoto«, sagte Alec laut und sah sich mit theatralischem Ernst in der First Class um. Niemand regte sich. »Geboren am vierten Juli 1961 in Osaka, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns Energreen Corporation«, fuhr er fort, diesmal mit Abscheu in der Stimme. Er wartete auf eine Reaktion.

      Tatsächlich erhob sich Nagamoto und trat hinaus in den Gang. Alec staunte nicht schlecht. Es war genau jener japanische Geschäftsmann, der seiner Einschüchterung zuvor so frech standgehalten hatte. Nun, jetzt würde er diesem steinreichen Schnösel ein bisschen Respekt beibringen – mit Gewalt, Alecs liebstem Verständigungsmittel gegenüber diesem Manager-Abschaum. Er schnippte mit den Fingern, und Tamara und Otto traten an Nagamotos Seite.

      »Roter Sommer hat entschieden, dass die westlichen Regierungen zwei Stunden Zeit haben, die Forderungen der Gerechtigkeitsliga zu erfüllen. Geschieht dies nicht, wird eine erste Geisel getötet. Ich bin sicher, Mr. Nagamoto, Sie sind gern bereit, sich in diesem Fall für die anderen Passagiere zu opfern«, verkündete Alec. Er konnte die diebische Freude, die ihm das bereitete, nur schwerlich verbergen. »Ihr Tod erkauft den anderen eine weitere Stunde.«

      Nagamoto sagte nichts darauf. Furchtlos stand er in der Mitte der Kabine, sah Alec in die Augen und regte keinen Muskel. Ärger stieg in Alec hoch, glühende Verachtung und heißer Hass gegen dieses geldgeile Wesen, das es tatsächlich wagte, sich noch frech als Mensch zu bezeichnen. Nicht einmal jetzt, im Angesicht des Todes, konnte Nagamoto seine Furcht zeigen, sondern spielte noch Spielchen mit seinen Peinigern. Dazu dieser Blick, dieser die Seele durchdringende Blick …

      »Sie machen einen großen Fehler«, sagte Nagamoto schließlich.

      Alec musste grinsen. Eine leere Drohung, ein Akt der Verzweiflung. Nun, der Sack würde schon noch sehen, wie wenig ihm das nutzte.

      »Sie haben überhaupt einen großen Fehler gemacht. Aber jetzt besiegeln Sie Ihr Ende, das Ende Ihrer Leute und den Tod vieler Unschuldiger. Sie sind keinen Deut besser als jene, die Sie hassen und verachten«, fuhr Nagamoto ungerührt fort.

      Alec lächelte nicht mehr. Ja, es stimmte: Dieser Kerl hatte in seine Seele geblickt! Er wusste nicht, warum, aber Nagamoto schien über seine Schwächen und Fehler Bescheid zu wissen. Selbst wenn er sich das nur einbildete,


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