Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 2. Tobias Fischer
nicht zurück, knickte nur mit einem leisen Keuchen ein. Doch fiel er nicht, richtete sich stattdessen wieder zu voller Größe auf. Grimmige Entschlossenheit erfüllte sein Gesicht.
Alec war kurz davor zurückzuweichen. Etwas war an Nagamoto, das ihn ängstigte. Eine Kraft und Macht, wie er sie noch bei keinem anderen Menschen gesehen hatte. Noch einmal schlug er zu, wollte Nagamoto auf dem Boden sehen – er wollte ihn sogar unbedingt auf dem Boden sehen. Erneut knickte der Manager kurz ein, nur um sich gleich wieder aufzurichten. Otto packte ihn fester, und Alec schlug ein drittes Mal zu, doch jetzt prallte seine Faust auf gestählte Bauchmuskeln, die keinen Zentimeter nachgaben. Seine Finger schmerzten.
Plötzlich trat Tamara zwischen Nagamoto und Alecs erneut ausholende Faust. »Das reicht, Alec! Otto, schaff Nagamoto in die Crewtoilette«, befahl sie streng.
Widerstandslos ließ sich Nagamoto vorwärtsstoßen. Alec kochte vor Zorn und folgte Otto. Tamara war dicht hinter ihm. Sie schloss die Verbindungstür. Im gleichen Augenblick packte Alec sie am Revers und drückte sie gegen die Wand. Regungslos nahm sie seinen Zorn und seine Grobheit hin. Sie kannte ihn, sein hitziges Gemüt und seine Leidenschaft für Gewalt.
»Wage es nicht noch einmal, mir vor Geiseln oder sonstwem zu widersprechen«, zischte er, Mordgier in den Augen.
»Du verlierst die Beherrschung, du brauchst einen kühlen Kopf. Was wolltest du damit beweisen?«, entgegnete sie kalt.
Alec schnaubte, drückte sie noch fester gegen die Wand. »Nagamoto ist ein Drecksschwein! Ein verfluchtes, kapitalistisches Drecksschwein, der Menschen ausbeutet und die Leute um ihre Ersparnisse bringt!«
»Schön. Dann richten wir über ihn wie über die anderen, über die wir schon Gericht gehalten haben. Aber wir werden ihn nicht aus Lust an der Gewalt quälen oder töten! Wir sind besser als die!«
Otto tat so, als würde er nichts mitbekommen. Er schubste Nagamoto in die Crewtoilette, machte die Tür zu, schlug den Türknauf ab und zog den Stift heraus. »Der Sack ist eingesperrt«, verkündete er und beendete die Diskussion zwischen seinen Anführern.
Alec ließ Tamara endlich los. Er trat einen Schritt zurück. Sie war so eiskalt und beherrscht, wie er hitzköpfig und brutal war. Sein Ärger war jedoch noch nicht zur Gänze verraucht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr, das konnte er spüren. »Was ist los mit dir? Mensch, Tamara! Du hast bei unserer letzten Aktion, diesem Überfall auf die Polizeistation, einem Bullen mitten ins Gesicht geschossen. Eiskalt, ohne zu zögern! Wirst du jetzt weich?«
»Das war etwas anderes«, murrte sie, doch Alec konnte sehen, wie sie ihm auszuweichen versuchte. Es ärgerte und verletzte sie, das erkannte er.
»Willst du aussteigen? Du brauchst es nur zu sagen!«
Nun war sie es, die wütend wurde. »Wir ziehen das durch! Aber mit kühlem Verstand! Wir sind nicht die neue Kopfgeldjägertruppe von diesem Fellows oder seinem ominösen Auftraggeber! Wir folgen unseren Idealen; ohne sie sind wir nicht anders als all die Gescheiterten vor uns. Wir haben geschworen, deren Fehler nicht zu wiederholen«, gab sie zurück, die Stimme erhoben und fauchend – wie eine Tigerin, die man in die Enge getrieben hatte.
Alec beruhigte sich wieder; er hatte sich nicht in ihr geirrt. Das alte Feuer loderte immer noch in ihr, es musste nur gelegentlich geschürt werden.
Im Cockpit war die Auseinandersetzung kaum zu hören, doch war sie laut genug, um Johan nach draußen zu locken. Er schloss die Tür hinter sich, als er erkannte, dass sich seine beiden Anführer zankten. Davon sollten die Piloten nichts mitbekommen und eventuell eine Schwäche ausloten.
Hotchkiss und sein Kopilot Grant waren allein. Genau auf so einen Moment hatten sie gewartet. »Okay, was ist der Plan?«, fragte Grant. Er war ganz aufgeregt und ließ die Tür nicht aus den Augen.
»Diese Banditen sind gut organisiert. Sie haben einen mächtigen Verbündeten außerhalb des Flugzeugs. Hast du die Waffen gesehen? Fabrikneu. Wie zum Teufel haben sie die an Bord gekriegt? Vollkommen unmöglich, es sei denn durch Korruption. Wenn wir landen – egal wo – werden die sich aus dem Staub machen. Die haben alles genau geplant und vorbereitet«, schlussfolgerte Hotchkiss.
Grant stimmte brummend zu. Plötzlich fiel ihm etwas am Abendhimmel auf. Noch war die Sonne nicht ganz untergegangen; sie hatten einen freien Himmel vor sich, der nur langsam von Rot zu Violett und danach in Schwarzblau überging. Grant glaubte jedoch, in der Ferne einen Blitz zu sehen, und das ohne jede Wolke in der Nähe! Das Unwetter hatten sie bereits viele hundert Meilen hinter sich gelassen. Wieder durchzuckte ein Blitz in auffällig blaugrüner Färbung den Himmel. Dann noch einer und gleich darauf ein weiterer. »Siehst du das? Was ist das? Ein Wetterphänomen? Ist es das Gleiche, das in den vergangenen zwei Wochen schon ein paar unserer Kollegen beobachtet haben?«
Hotchkiss suchte konzentriert den Himmel ab. »Ja, sieht so aus. Aber schau nur, es sind viele Dutzend dieser Blitze. Was immer das für ein Phänomen ist, es wird heftiger. Sollen wir ausweichen oder durchfliegen, was meinst du? Unsere Supersonic wurde für schlechtes Wetter gebaut, die kann alles aushalten. Wahrscheinlich sind es Spannungen zwischen den Luftschichten. Für uns keine Gefahr, unser Baby ist vollkommen antistatisch.«
Die beiden Piloten blickten sich einen Moment lang an, dann fällten sie ihre Entscheidung.
»Wir bleiben auf Kurs. Im schlimmsten Fall werden wir ein wenig durchgeschüttelt. Wir retten niemanden, wenn wir einen Umweg machen und irgendwann aus Spritmangel ins Meer stürzen«, sagte Grant.
»Das wird diese Kerle mächtig ärgern«, erwiderte Hotchkiss.
Sein Kopilot sagte nichts darauf. Es war an jedem selbst, stillschweigend die Tragweite ihrer Entscheidung auszuloten. Sie hatten sich dem unheimlichen Blitzgewitter schon deutlich genähert, als sich die Cockpittür wieder öffnete.
Johan kehrte zurück. Gebannt starrte der Terrorist nach draußen, angesichts der mächtigen Blitze kaum in der Lage zu reagieren. »Was ist das da vorn? Warum fliegen wir darauf zu?«, herrschte er die Piloten an und hob sein Gewehr.
»Das ist bloß ein Wetterphänomen. Wenn wir darum herumfliegen, verbrauchen wir zu viel Treibstoff«, erklärte Hotchkiss. Er versuchte, so sachlich wie möglich zu klingen.
»Dann können Sie Ihrem Boss erklären, warum wir irgendwo im Persischen Golf notwassern müssen«, fügte Grant kaltschnäuzig hinzu.
Johan funkelte ihn zornig an. Hotchkiss gestattete sich ein kurzes Lächeln. »Keine Sorge, Mann. Sie fliegen mit der Supersonic. Die wurde für so ein Wetter gebaut.«
Johan schien das jedoch nur wenig zu beruhigen. »Ich muss mit Alec reden. Sie tun nichts, sonst erschieße ich Sie!«, tat er seinen Entschluss kund und verließ das Cockpit. Bevor er die Tür schloss, warf er dem grünblauen Blitzgewitter einen letzten, skeptischen Blick zu. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.
Jessicas Furcht wollte einfach nicht weichen. Noch immer befand sich ein Terrorist in der First Class, auch wenn der brutale Anführer und die schwarzhaarige Frau die Kabine inzwischen verlassen hatten. Wahrscheinlich, um sich wegen irgendetwas mit den anderen abzusprechen. Nagamoto war eingesperrt. Jetzt gab es niemanden mehr, der diesen Verbrechern Widerstand entgegenbrachte.
Der furchtlose, unbezwingbare Nagamoto. Jessica begann, ganz neuen Respekt für ihn zu empfinden. Sie hatte gesehen, wie er dem Blick des Terroristen begegnet war und wie der Lump vor seinem letzten Faustschlag zögerte. Es stimmte: Nagamoto besaß eine Ausstrahlung, die andere kleinlaut werden ließ, sogar Terroristen. Jetzt war er jedoch weggesperrt wie ein gefährliches Tier. Jessica fühlte sich überhaupt nicht mehr beschützt, war vollends der Furcht preisgegeben. Als würde das an Unglück nicht schon genügen, begann die Maschine plötzlich zu zittern. Durch die Fenster konnte sie sehen, dass sie sich einem Unwetter näherten. Überall flammten grelle Blitze auf, ein stetiges Donnern und Grummeln drang von draußen herein.
In diesem Augenblick geschah etwas, mit dem sie niemals in ihrem Leben gerechnet hätte.
John Fizzler schnallte sich los.
Schwankend erhob er sich und trat hinaus auf