Zwischen meinen Inseln. Ole R. Börgdahl

Zwischen meinen Inseln - Ole R. Börgdahl


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Nuku Hiva, wo ihre Waren den Überseehändlern angeboten werden. Das Monoi der Ropaatis hatte schon immer eine besondere Qualität, die selbst auf Tahiti begehrt ist. Vater weiß über all dies Bescheid.

      Taiohae, 19. März 1911

      Wie erwartet, habe ich ein langes Gespräch mit Vater geführt. Ich sitze jetzt im Schein einer Kerze, weil ich dies beim Schreiben schöner finde als elektrisches Licht. Vater hat mich nach meinen Gefühlen gefragt und ich habe ihm frei und ohne Scheu geantwortet. Ich liebe Onoo, das hat jetzt auch Vater aus meinem Munde gehört. Er hat mich an sich gedrückt und mir gezeigt, dass er diese Liebe respektiert. Er lässt mich auch morgen in der Frühe wieder zu meinem Onoo fahren. Er weiß mich in einer Großfamilie, sodass er sich keine Sorgen um mich machen muss. Ich bin so froh, dass ich mit Vater gesprochen habe, es erleichtert mir jetzt einiges.

      Taiohae, 7. April 1911

      Vater mit seinen Sprichwörtern. Ich glaube immer, alle zu kennen und dann kommt er mit etwas ganz Neuem. Es war schon dunkel draußen, wir haben aber noch auf der Veranda gesessen und geschwiegen. Es ist herrlich, einfach nur dazusitzen, jemanden in seiner Nähe zu haben und dann für eine Weile zu schweigen. Vater hat das Schweigen als Erster gebrochen, eben mit diesem Sprichwort, dass ich noch nicht kannte und Vater hat irgendwie meine Gedanken erraten. Ich weiß auch nicht, wie er das gemacht hat. Das Sprichwort war für mich nicht ganz schmeichelhaft: »Was eine Frau will, davor zittert Gott«. Ich weiß doch gar nicht, was ich will. Ich will bei Onoo sein, gut, das stimmt, aber ich will kein Leben führen, das in alle Ewigkeit vorbestimmt ist. Es wird noch passieren, dass ich deswegen Onoos Leben und das Leben seiner Familie durcheinanderbringe. Ich komme von weit her, nicht aus diesem Teil der Welt. Frankreich kann mir genauso nahe sein wie Tahiti oder diese kleinen Inseln hier. Nicht nur Gott zittert vor dem, was ich will.

      Ua Huka, 18. April 1911

      Onoo und ich waren mit einem Boot draußen, weit draußen. Die Fischer haben uns mitgenommen, ein Ausflug. Es war ein schöner Nachmittag und wir haben beim Fang geholfen. Ich würde wegen der Haie niemals ins Wasser gehen, nicht so weit vom Land entfernt. Onoo wollte mir seinen Mut beweisen, er hat sich am Heck des Bootes ins Wasser plumpsen lassen. Es war gar nicht so tief, dort wo er getaucht ist. Onoo war aber trotzdem lange unter Wasser. Ich habe mich immer umgesehen, ob nicht doch ein Hai auftaucht, aber es kam zum Glück keiner und vielleicht wurde Onoo ja auch auf einem Fischerboot geboren und die Haie können ihm daher nichts anhaben. Ich hätte es aber auch nicht auf die Probe stellen wollen. Bei seinem ersten Tauchen hat Onoo einen Stein mit heraufgebracht, keinen besonders schönen. Ich habe es nur im Spaß gesagt, natürlich war der Stein schön oder wenigstens akzeptabel. Onoo verzog das Gesicht und ist noch einmal getaucht, er wollte gar nicht wieder hochkommen. Einer der Fischer sagte dann auch noch, dass die Riffhaie die Schlimmsten seien, sie haben alle gelacht, ich fand es nicht so lustig. Onoo ist dann natürlich doch wieder aufgetaucht. Er hatte eine Muschel in seiner Hand, eine geschlossene Muschel. Er hat sie erst gar nicht vom Grund losbekommen, darum hat es auch so lange gedauert. Ich habe die Muschel an mein Herz gedrückt, damit Onoo endlich wieder ins Boot kommt. Wir sind dann auch schnell an Land gefahren, denn es war mittlerweile schon spät. Zu Hause habe ich nach einem schönen Platz für die Muschel gesucht. Onoo hat nur mit dem Kopf geschüttelt, ich könne doch das Muschelfleisch nicht in der Schale lassen, es würde schon am nächsten Tag riechen. Onoo hat dann ein großes Messer geholt und die Muschel aufgehebelt. Beinahe hätte er sich dabei geschnitten. Das Muschelfleisch war noch richtig feucht, vielleicht hat die Muschel sogar noch gelebt. Dann haben wir es erst gesehen, eine winzige Perle, tatsächlich eine Perle, schwarz glänzend. Onoo hat sie herausgenommen und abgewischt, dann hat er kurz überlegt und gesagt, dass es nicht die Muschel sei, die er für mich heraufgeholt hätte, sondern diese Perle. Ich müsse sie mein Leben lang behalten und sie an meine Kinder und Kindeskinder weitergeben, sie müsse immer in meiner Linie bleiben. Onoo hat dabei gegrinst, aber ich fand seine Worte dennoch sehr erhebend. Ich habe die Perle in ein kleines Tuch gewickelt, sie ist ja so winzig.

      Ua Huka, 22. Mai 1911

      In den letzten Wochen war ich nur einmal zu Hause, aber was ist zu Hause. Ich meine damit, dass ich nur einmal für ein paar Tage bei Vater in Taiohae war. Er hat uns aber auch auf Ua Huka besucht. Es war eine offizielle Einladung der Familie Ropaati, Anfang Mai. Sie haben sich sehr um Vater bemüht. Es gab ein kleines Fest und sie haben ihm alles gezeigt, das Gut, die Felder und die Ernte. Onoos Vater war sehr stolz, als mein Vater das Land und den vorbildlichen Anbau gelobt hat. Nach zwei Tagen haben Onoo und ich Vater wieder zum Schiff gebracht. In den darauffolgenden Tagen hat sich allerdings einiges in der Familie Ropaati geändert, zumindest kam es mir so vor und dieser Eindruck hält sich noch immer. Letztendlich gab mir Vanessa ungewollt einen Hinweis. Ich schlafe mit ihr und den alten Frauen in einem Zimmer des Bauernhauses. Vanessa erwähnte dann eines Abends, dass sie traurig sei, wenn ich nicht mehr bei ihr schlafe, weil Eheleute schließlich doch auch in der Nacht zusammen sind. Ich habe es erst gar nicht richtig verstanden. Jetzt weiß ich, dass es nicht nur Vanessas Gedanken sind, viel mehr hat sie es von ihren Eltern. Vanessa hat mir dann sogar gesagt, dass ihr Vater in mir schon Onoos Frau sieht. Ich muss zugeben, dass ich mir zuvor nie darüber Gedanken gemacht habe, was mir und Onoo die Zukunft bringen wird. Ich bin einfach nur verliebt in ihn und will mit ihm zusammen sein, so oft es geht, seine Hand halten, ihn küssen, aber auch einfach nur mit ihm reden und träumen, wenn wir einmal wieder zwischen den Vanille-Sträuchern liegen und mit unseren Augen am Himmel den Wolken folgen. Natürlich habe ich über die Zukunft nachgedacht. Ich wollte Onoo unbedingt Tahiti zeigen, er war noch nie dort, er hat noch nie die Marquesas verlassen. Ich hatte sogar die Idee, dass ich zusammen mit ihm auf Tahiti einen Handel betreibe und wir die Waren verkaufen, die das Land seiner Eltern abwirft. Ich weiß, welche Spannen die reisenden Händler machen, wenn sie das kostbare Kopra oder die Vanille auf den Marquesas aufkaufen und nach Tahiti bringen. Ich habe mit Onoo darüber gesprochen, aber er hat mir nur zugehört und nichts darauf geantwortet. Ich fürchte, er kann meinen Träumen nicht folgen, noch nicht, denn wir sind ja noch jung und haben alles vor uns. Onoo ist zwar schon siebzehn, aber ein richtiger Händler, der Respekt erwarten kann, muss älter sein. Bis es soweit ist, werde ich Onoo weiter unterrichten. Ein Händler muss das Rechnen beherrschen und sich mit den Gewichten und Maßen auskennen. Dies alles sind Dinge, die ich auf der Missionsschule gelernt habe und die ich an Onoo weitergeben kann. Vielleicht werden wir eines Tages auch nach Europa reisen, aber doch bestimmt nach Australien oder Südamerika.

      Taiohae, 30. Juni 1911

      Im letzten Monat gab es viel zu tun, Erntezeit. Eigentlich ist das ganze Jahr über Erntezeit, doch im Mai und Juni wird das beste Kopra und der gehaltvollste Monoi gemacht. Wir haben Fässer gekauft und sie mit Monoi gefüllt. Ich kann nicht beziffern, welchen Wert alles hat. Aus der Nachbarschaft wurden Pferdekarren geliehen, um die Waren zum Anleger zu bringen. Onoos Vater ist in diesen Tagen ein reicher Mann, aber er hatte auch Auslagen und er ist so vernünftig, einen Teil der Einnahmen für schlechtere Zeiten zurückzulegen. Ich bin vor drei Tagen gleich am Anleger geblieben und habe das Postschiff nach Nuku Hiva genommen. Ich war es meinem Vater schuldig, ihn wieder einmal zu besuchen. Die Welt in Taiohae ist mir beinahe fremd geworden. Taiohae ist wie eine Stadt und ich komme jetzt ja vom Lande, von einem kleinen Gut, wie ich immer zu Onoo sage. Die Elektrizität blendet mich heute Abend, sodass ich wieder bei Kerzenschein in meinem Büchlein schreibe. Ich habe heute lange mit Vater gesprochen. Ich habe ihm von meinen Erlebnissen berichtet und er hat mir seinen Alltag geschildert. Wir haben auch über Tahiti gesprochen. Vater und ich sind jetzt schon so viele Jahre auf den Marquesas. Vater hat mir offen gesagt, dass er etwas verändern will. Er hat es mir so gesagt, als wenn es mich nicht betreffen würde und doch, wenn Vater tatsächlich nach Tahiti geht, so trennt mich mehr von ihm als eine kurze Reise mit dem Postschiff, ein ganzer Ozean liegt dann zwischen uns. Es dauert immerhin gut sechs Tage von Taiohae bis nach Papeete. Aber vielleicht ist es auch von Vorteil, wenn Vater schon auf Tahiti ist, wo ich doch Onoo dazu bewegen möchte dort ebenfalls sein Glück zu versuchen. Vater könnte uns Kontakte verschaffen und wir könnten bei ihm wohnen. Sicherlich sind meine Gedanken verfrüht, Onoo ist noch nicht reif für meine Pläne genauso wenig wie ich selbst.


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