Mord nach W.E.G.. Peter Jokiel
Scheißbullen, ihr glaubt wohl auch, ihr seid die größten? Kommt nur her ich hau Euch in die Fresse.“ So nett begrüßt wird man doch immer wieder gern, denk ich mir noch. Obwohl der Kerl mich noch nicht bemerkt hat, sprach er trotzdem im Plural. Aber diesen Sprachgebrauch hörten wir öfter von solchen Intelligenzbestien. Da wird es meinem Kollegen langsam zu bunt und er packt unseren Hehler etwas härter an und schubst ihn gegen die Hauswand.
Zwar hat unser Verdächtiger die Figur eines Sumo Ringers, aber mit Sport hat er mal so gar nichts am Hut. Er bringt mit Sicherheit 150 kg auf die Waage, aber nicht ein Gramm davon sind Muskeln.
Außerdem ist er ebenso kurzatmig wie unfreundlich und japst nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen. Obwohl wir Mitte Januar haben und die Temperaturen alles andere als warm sind, schwitzt der Kerl wie ein Schwein in der Sauna.
Um seinen Hals, wenn man davon überhaupt sprechen kann, hängt eine Goldkette mit einem Kreuz um das ihn Mister T, der Typ vom A Team, beneidet hätte. Ebenso hat er an fast jedem seiner Wurstfinger einen fetten Goldring.
Wenn die ganzen Sachen echt sind, trägt der Kerl ein kleines Vermögen mit sich herum. Also eine Überprüfung der Schmuckstücke ist auf jeden Fall angesagt.
„So, Freundchen. Jetzt habe ich aber mal die Schnauze voll. Hände an die Wand, Beine auseinander und mach jetzt keinen Scheiß sonst reißt mir echt der Geduldsfaden“. Spätestens jetzt sollte man mit Schaulustigen rechnen, die aus ihren Fenstern sehen. Aber hier bleibt alles ruhig. Niemand lässt sich blicken, was mir zwar ganz recht ist aber dennoch ungewöhnlich. Entweder ist in dem ganzen Haus wirklich niemand zu Hause, oder hier ist man solche Szenen gewohnt und keiner steckt hier seine Nase in Sachen die ihn nichts angehen.
Durch die klare Ansage meines Kollegen und wahrscheinlich weil er auch mich jetzt wahrgenommen hat, fährt unser Hehler nun einen Gang runter und dreht sich bereits langsam zur Wand hin.
O.K. ich sehe schon, mein Herr Bachmeier hat die Lage im Griff.
In diesem Moment kommt ein Zombie aus einem Keller auf den Hof. Er stakst die gegenüberliegende Kellertreppe hoch und murmelt irgendwas vor sich her, was ich allerdings nicht verstehen kann da er noch zu weit weg ist. Also der musste sich nicht mehr schminken, der Typ könnte so wie er war in jedem Horrorfilm mitspielen. Diese Hackfresse hätte kein Maskenbildner so hingekriegt.
Junger Kerl, Anfang 20, zerrissene Jeans, speckiges T – Shirt, Turnschuhe die vor Jahren vielleicht mal weiß waren, grüne Armee-Jacke. Die Kälte schien er offensichtlich nicht zu spüren, was bei Menschen die unter Drogen stehen meistens der Fall war. Haare sind auch nur noch an einzelnen Stellen vorhanden, genauso wie seine Zähne, dafür aber reichlich eitrige Pusteln im Gesicht. Der Gesichtsfarbe nach, schien er kein großer Sonnenanbeter zu sein. Anscheinend vermied er jegliches Tageslicht. Alles an diesem Kerl schreit eben schon von weitem nach Junkie. Wahrscheinlich nimmt er Chrystal Meth. Das alles ist schon erschreckend genug, jedenfalls für so einen jungen Kerl. Was mich aber nervös macht, ist das Messer in seiner Hand. Ich ziehe meine Dienstwaffe aus dem Holster und schrei ihn an, „Polizei, halt stehenbleiben. Werfen Sie das Messer weg“.
Aber entweder hat sich sein Hörvermögen schon von ihm verabschiedet oder es ist ihm schlichtweg egal. Jedenfalls murmelt er irgendwas von „All Cops are Bastards„ und kommt direkt auf mich zu. Wie er das Messer hält verrät mir dass er alles andere als ein Profi ist, was ihn deswegen aber nicht weniger gefährlich macht. In dem Moment bekommt unser Hehler so was wie Oberwasser und feuert seinen Kumpel noch an „Ja Ritchie, gib‘s den Drecksbullen“.
Sofort hat mein Kollege die Situation zwar ebenso erkannt, ist aber noch mit unserem renitenten Verdächtigen beschäftigt. Erst als er auch seine Dienstwaffe aus dem Schulterhalfter holt, wird unser Mann auf einmal blass und viel ruhiger. Aber Handschellen hat er immer noch nicht dran, und deswegen bleibt Herr Bachmeier hinter seinem Rücken stehen und schüchtert ihn mit seiner Waffe ein.
Der Junkie kommt weiter auf mich zu, und das in einer Seelenruhe und vollkommen entspannt. So hat es jedenfalls den Anschein. In Wirklichkeit ist er mit Sicherheit zu gedröhnt bis unter seine restlichen Haarspitzen.
Also schieße ich erstmal in die Luft. Warnschuss, streng nach Vorschrift.
„Werfen Sie sofort das Messer weg und halten die Hände über den Kopf. Letzte Warnung mein Freund, sonst trifft die nächste Kugel Dich.“
Durch die Mischung aus Adrenalin und Anspannung, verfiel ich in der Ansprache vom Sie zum Du. Sollte man zwar immer vermeiden, aber ich habe jetzt andere Sorgen. Es ist sowieso egal was ich sage oder wie ich den Typ anrede, interessiert ihn offensichtlich eh nicht. Ein Blick in seine glasigen Augen verrät mir dass er in diesem Zustand sowieso nicht aufnahmefähig ist. Jedenfalls reagiert er kein Stück auf meine Warnung.
Ich glaube, ich hätte meinen Vortrag auch den Ratten, die sich hinter den überfüllten Mülltonnen hier im Hinterhof tummeln, erzählen können. Hätte wahrscheinlich die gleiche Wirkung gehabt. Jedenfalls kommt der Typ immer weiter auf mich zu und aus dem Augenwinkel sehe ich noch, dass mein Kollege irgendwie genauso geschockt ist, wie unser Hehler.
So ein Schuss aus einer Heckler und Koch ist eben schon sehr eindrucksvoll und auch sehr laut. Da klingen einem schon mal die Ohren.
Also ein Eingreifen von dieser Seite brauchte ich wohl nicht zu befürchten. Als mein Messerheld weiter auf mich zu läuft, richte ich meine Waffe auf ihn und schrei ihn nochmal an „Mach keinen Scheiß, zwing mich nicht auf Dich zu schießen“. Hat ihn nicht die Bohne interessiert und als er noch drei Meter von mir entfernt ist, schieße ich ihm einfach in das linke Bein. Kurz und knapp.
So cool wie er gerade eben noch getan hat, so jämmerlich schreit er jetzt rum. Er knickt sofort ein und hält sich sein blutendes Bein. Jetzt kniet er am Boden, schreit und sieht mich hasserfüllt an. Sein Messer liegt neben ihm und ich kick es mit dem Fuß noch ein bisschen weiter weg, nur zur Sicherheit.
Ein kurzer Blick zu meinem Kollegen und unserem Verdächtigen sagt mir, dass beide irgendwie paralysiert sind und kreidebleich noch dazu. Jedenfalls bewegt sich von den beiden keiner auch nur ein Stück.
Irgendwie glaube ich, dass die beiden gleich kotzen werden und muss ein wenig schmunzeln. Jedenfalls hätte ich von Kriminaloberkommissar Bachmeier schon etwas mehr erwartet.
Da augenscheinlich keine weitere Gefahr droht und ich die Lage unter Kontrolle wähne, stecke ich meine Waffe wieder weg. Weder von dem Hehler noch von meinem Junkie geht noch eine Gefahr aus.
Ich bin jetzt direkt vor meinem Messerjunkie und will ihm gerade Handschellen anlegen und natürlich auch nach seinem Bein sehen, als irgendwie wieder Leben in ihn kommt.
Aus dem sprichwörtlichen Nichts hat er plötzlich ein zweites Messer und rammt es mir in mein rechtes Bein. Der Schmerz schießt mir bis ins Hirn und ich reiße meine Waffe wieder aus dem Holster. Jetzt lasse ich meinen Junkie direkt in die Mündung blicken und schrei ihn an „Du Drecksau, bei der kleinsten Bewegung schieß ich Dich über den Haufen. Hast Du Arschloch noch ein drittes Messer?“.
Er schüttelt nur den Kopf, kippt zur Seite und ist bewusstlos.
Wahrscheinlich hat er einen Schock und war mit seinen Kräften einfach am Ende. Er liegt jetzt mitten im Hinterhof und sieht aus wie ein Häufchen Elend. Ich glaube jedoch nicht, dass er ernsthaft verletzt ist. Die Kugel in seinem Oberschenkel ist jedenfalls nicht lebensgefährlich. Da ich genug Zeit hatte um zu zielen, traf ich die Außenseite seines Oberschenkels und somit keine Arterie.
Ich steh zwar selber sehr wacklig da und drohe gleich einzuknicken, aber ich stehe noch. Als ich zu meinem Bein herabsehe, bemerke ich erst jetzt, dass das Messer noch in meinem Oberschenkel steckt. Um keinen größeren Blutverlust zu riskieren, lasse ich es lieber im Bein stecken.
Aus Sicht des Junkies sind wir wohl jetzt quitt, denke ich so bei mir. Jetzt höre ich auch schon, wie jemand wirklich das Kotzen anfängt und ich schau rüber zu meinen beiden Helden. O.K., es ist der Hehler der sich übergibt und ich glaube mein Kollege ist nicht mehr ganz weit weg davon, sich dem anzuschließen. Zur Verteidigung von Herrn Bachmeier muss ich aber sagen, dass er jetzt endlich die Gelegenheit nutzt und ihm Handschellen