Sprachlos. Marlen Knauf

Sprachlos - Marlen Knauf


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an. Wenn wir zusammen sind, können wir überall glücklich sein.“ Das ist eine ganz neue Vorstellung, er erwartet noch keine verbindliche Antwort. „Haben wir nicht alle Zeit der Welt?“

      Dann passiert etwas, was mich total in Peters Hände spielt. Ich erleide nach einer Fußreflexzonenbehandlung einen Schlaganfall. Der Thrombus setzt sich im linken Auge fest. Nun bin ich auf Peters Hilfe angewiesen, bin ihm völlig ausgeliefert. Er geht ganz in der Rolle des besorgten, aufopferungsvollen Partners auf. Mein Optiker in Köln hatte schon vor einigen Wochen eine auffällige Veränderung an meinen Augen festgestellt und mir dringend geraten, meine Augenärztin zu konsultieren. Sie bestätigte nach sorgfältiger Untersuchung die Wahrnehmung des Optikers. Für Ende März machte sie für mich einen Termin in der Uniklinik. Es lag kein Grund vor, den Urlaub abzusagen. Peters Sorge um mich steht ihm ins Gesicht geschrieben. Er lässt es sich nicht nehmen, persönlich mit dem Professor in der Klinik zu telefonieren. Nachdem er ihm die Situation erklärt hat, wird mein Märztermin auf den nächsten Tag vorverlegt. Die besorgte Frage, nach Autoliegesitzen, kann Peter bejahen. Liegen und Ruhe sind wichtig für mich. Peter regelt unsere vorzeitige Abreise, zahlt mit meiner Kreditkarte. Nun bin ich gezwungen ihm zu vertrauen und sage ihm widerwillig meine Geheimnummer. Frau Ebel die Hotelinhaberin, auch sie ist Peters Charme vom ersten Tag an erlegen, wiederholt immer wieder, dass ich froh sein kann, einen solch umsichtigen Mann an meiner Seite zu haben.

      Die Untersuchung in der Uni-Klinik ergibt, dass ich noch Glück im Unglück gehabt habe. Der Schaden an meinem Auge ist zwar irreparabel, beeinträchtigt meine Lebensqualität nicht weiter. Peter besteht dennoch auf Einweisung in die Klinik. Ich soll mich einer gründlichen Untersuchung unterziehen. Ist er nicht fürsorglich?

      (Nein, alles ist gut durchdacht. So hat er freien, ungehinderten Zugang zu meiner Wohnung. Das gibt ihm die Möglichkeit, alles, auch meine Unterlagen in Ruhe zu durchforsten. Solch eine Gelegenheit kann er sich nicht entgehen lassen. So leitet er meinen totalen finanziellen Ruin ein.)

      In der Klinik stellt man mich sprichwörtlich auf den Kopf. Die Diagnose des Professors bestätigt sich. Meine Ernährung muss ich umstellen und regelmäßig Medikamente einnehmen. Sonst wird sich nichts in meinem Leben ändern.

      (Was sich alles ändern wird, ahne ich da noch nicht. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, jedoch missachte ich die Warnzeichen.)

      Mein treu sorgender Mann eilt mindestens dreimal täglich an mein Krankenbett und kommt nie mit leeren Händen. Stunden lang spielen wir Monopoly, Mühle, Dame. Meine grauen Zellen müssen aktiviert werden. Bei jeder Visite ist er zugegen, sucht förmlich das Gespräch mit den Ärzten. Mein Gott, tut er sich wichtig. Pauliano unterrichtet er von meinem Zustand. Großzügiger Weise verschont er Peter nun mit Aufträgen, was bei mir den Eindruck erweckt, der Mafioso sei uns mittlerweile wohl gesonnen. Vielleicht, so meine Überlegung, denkt er auch, die Angelegenheit erledigt sich durch meinen Schlaganfall von alleine. Was soll ein so gut aussehender Mann mit einer kranken Frau? Ich teile Peter meine Gedanken mit, er zeigt sich total entrüstet. „Wie kannst du nur so etwas denken? Das macht mich sehr traurig. Selbst wenn du im Rollstuhl sitzen müsstest, würde ich dich nie im Stich lassen. Das macht doch erst eine Liebe aus. Uns kann nichts und niemand auseinander bringen. Weißt du noch immer nicht, wie sehr ich dich liebe.“

      (Wie gut er den gekränkten, traurigen Mann mimt.)

      Seine Worte sind natürlich Balsam für meine desolate Verfassung. Das Ganze geht nicht spurlos an mir vorüber und die Angst, die Angst vor der Mafia bleibt. „ Nach deiner Entlassung aus dem Krankenhaus,“ so entscheidet Peter mit Bestimmtheit, „fahren wir nach Bayern und sehen uns dort ernsthaft nach einem neuen zu Hause um.“ Den Seminartermin bei Hermann hat er natürlich abgesagt. „Liebling, Du gehst vor.“

      (Zufälle, wie zum Beispiel meine Erkrankung, helfen ihm immer wieder, glaubhaft dazustehen.)

      Endlich darf ich die Klinik verlassen. Überglücklich holt mich Peter ab. In der nächsten Zeit entdecke ich einige Veränderungen an mir. Ich bewege mich unsicher. Mein Blickfeld ist erheblich eingeschränkt. An diesen Zustand muss ich mich erst gewöhnen. Hinter das Steuer meines Autos wage ich mich nicht, geschweige auf ́s Motorrad.

      „Liebling, ich versuche meinen Audi-Quatro aus Belgien zu holen, natürlich Paulianos Einverständnis und Hilfe vorausgesetzt. Wie soll ich dem Fiskus den plötzlichen Besitz eines Autos erklären, wo ich doch noch immer keine Papiere habe. Ich werde den Hausmeister unserer Wohnanlage, der Schlüssel zur Wohnung, Garage und zum Auto hat bitten, den Wagen durchchecken zu lassen, sodass er fahrbereit ist. Ich möchte, dass du es auf der Fahrt nach Bayern bequem hast. Nichts gegen deinen Golf, er ist mir einfach nicht geräumig genug.“

      Von Peters neuen Reiseplänen bin ich nicht begeistert, weil ich mich erst mal in vertrauter Umgebung zurecht finden, die alte Sicherheit wieder erlangen will. Außerdem kann er nicht ständig seine Arbeit vernachlässigen, schließlich warten wichtige Patiententermine auf ihn. Und überhaupt, wie ist es mit den Finanzen.Keine Arbeit, keine Reiseerlaubnis ins Ausland, Türkei, Schweiz, Belgien,

      somit auch kein Geld.

      „Schatz, bist du nicht zufrieden, so wie ich mich sorge und kümmere? Mach ich etwas falsch?“ Liebevoll hält er meine Hände. „Ich will doch nur, dass es dir wieder besser geht und du ganz gesund wirst. Habe ich nicht für die Unterbringung und gründliche Untersuchung in der Klinik gesorgt. Weißt du noch immer nicht, dass du für mich das Wichtigste auf der ganzen Welt bist. Ich liebe dich und meine es nur gut,“ dabei drückt er meine Hände so feste, dass es schmerzt.

      (Er spielt den total Besorgten und hat mich schon wieder voll im Griff.)

      Sofort bekomme ich Undankbare ein schlechtes Gewissen. Ich kann mich wirklich nicht beklagen. Jede andere wäre froh, solch einen fürsorglichen Partner zu haben. Das Gespräch regt mich auf. Aufregung ist Gift für meinen Genesungsprozess. Ich werde sehr schnell müde, fühle mich hilflos und zerschlagen.

      (So hat er wieder leichtes Spiel. Er kümmert sich, ich lasse es zu und bin auch noch dankbar.)

      „Weißt du Hase, jetzt wo ich mein Auto aus Belgien bekomme, könnten wir doch deinen Golf Eric schenken. Der braucht dringend einen fahrbaren Untersatz, um die Einkäufe für das Lokal zu tätigen. Ich kann nicht mehr mit ansehen, wie er sich abschleppt. Sogar meinen Sohn schließt er in seine Fürsorge ein, was für ein guter Mann.

      (Auch die Aktion Auto ist bestens von ihm durchdacht.)

      Es ist Karfreitag, als Peter mit dem Vorschlag heraus rückt. Ich bin sofort Feuer und Flamme, geht es doch darum, meinem Sohn eine Freude zu machen.

      Ostersonntag überreichen wir ihm symbolisch in ein Osterei verpackt, den Autoschlüssel. Mein Sohn kann erst gar nicht fassen, dass er nun Autobesitzer ist.

      Bei dieser Gelegenheit erzählt ihm Peter von unseren Reiseplänen. „Natürlich nur zum Wohle deiner Mutter.“ Mein Sohn ist gerührt.

      Diesmal packt Peter. Ostermontag fahren wir in Richtung Bayerischen Wald, jedoch nicht mit einem Audi-Quatro, sondern mit einem Mercedes-Leihwagen von Sixt. Der Hausmeister hat es zeitlich nicht geschafft, ist in den wohl verdienten Osterurlaub gefahren. Der Leihwagen läuft natürlich auf meinen Namen, meine Kreditkarte muss wieder herhalten, Peter hat ja noch keine Papiere.

      Es strengt mich noch alles zu sehr an, also lasse ich es geschehen. Was ist auch schon dabei? Wir sind zusammen, ich werde verwöhnt und umsorgt. So beruhige ich mich.

      (Vor meinem Schlaganfall habe ich keinen Einhalt geboten, so würde es weitergehen, bis zum bitteren Ende.)

      Peter sucht für uns in St. Englmar ein wunderschönes Hotel aus, in dem ich mich auf Anhieb sehr wohl fühle. Aus seiner Sorge um mich macht er keinen Hehl, im Gegenteil. Er sonnt sich in der Bewunderung, die ihm dafür zuteil wird. Er achtet kleinlichst darauf, dass ich meine Medikamente regelmäßig einnehme.

      (Die Kuh, die man weiter melken will, heißt es gut zu pflegen.)

      Mit dem Küchenchef bespricht er meinen Speiseplan. Wegen meines hohen Cholesterinspiegels soll ich tierische Fette meiden. Ist etwas nicht nach seinem Sinn, beordert er den Koch an den


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