Die Drachenprinzessin, Band 2. Ambros Chander

Die Drachenprinzessin, Band 2 - Ambros Chander


Скачать книгу
<

      Kenaz!

H

      Hagalaz!

Z

      Eihwaz!

[

      Perthro!

Kralle

      Algiz!

Pilz

      Tiwaz!

      »Wir sind die Nornen, auch Schicksalsschwestern genannt«, sprach die Frau Aemiliana nun direkt an. »Das Schicksal, das deine Zukunft bestimmt, wurde bereits vor langer Zeit von meiner Schwester Urd gesponnen. Meine Schwester Skuld wägt deine bisherigen Taten und deine Schuld ab. Mein Name ist Verdandi. Ich sehe mit Hilfe der Runen das, was ist, und das, was sein kann.« Aemiliana hörte wie gebannt auf ihre Worte und rührte sich nicht. »Ansuz steht für den Verstand und die Weisheit«, fuhr Verdandi fort. »Kenaz steht für das Licht, das dich aus dem Dunkel führt und deinen Weg beleuchten wird. Hagalaz steht für die Verbindung zwischen Gut und Böse. Eihwaz steht in Verbindung mit Yggdrasil, dem Weltenbaum, den du hinter uns siehst, und bildet die direkte Verbindung zwischen Leben und Tod. Perthro verknüpft die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft miteinander. Algiz wird dir den Schutz durch höhere Wesen gewähren. Tiwaz steht für Selbstaufopferung und Kampfbereitschaft, um ein höheres Ziel zu erreichen. Die Runen weisen dir den Weg, doch gehen musst du ihn selbst! Dabei wirst du Hilfe brauchen, aber auch Freunde, sonst wirst du scheitern.«

      Nebel wallte auf und hüllte Yggdrasil und die Schicksalsschwestern ein. Als der Nebel sich legte, waren sie verschwunden. Nur der Baum, die Quelle und Aemiliana blieben zurück.

      Aemiliana hörte hinter sich ein Rascheln und seufzte resigniert. »Was willst du hier?«, fragte sie, ohne den Blick nach hinten zu wenden. »Verschwinde!« Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, wer hinter ihr stand. Sie fühlte es und war daher nicht überrascht oder gar erschrocken, als sie sich schließlich doch umdrehte und in große, warme, braune Augen sah. Der Drache!

       Dein Drache! Dein Freund!

      Wieder hörte sie die Stimme in ihrem Kopf. »Ich hab dir vorhin schon gesagt, dass du damit aufhören sollst«, sagte sie und entfernte sich ein Stück von ihm. »Geh weg und lass mich in Ruhe!«

      Das kann ich nicht, hörte sie die prompte Antwort, ohne dass sie diese wirklich hörte.

      Er tapste unbeholfen hinter ihr her, folgte ihr in geringem Abstand.

      Wir sind verbunden, du und ich, fuhr er fort. Du spürst es auch. Deshalb hast du keine Angst vor mir.

      Aemiliana blieb stehen, drehte sich um und sah ihn an. Er lief weiter auf sie zu, bis sie nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten. Dann erst hielt er inne. Aemiliana betrachtete ihn. Sein Kopf war riesig, seine Zähne furchteinflößend. Doch er hatte recht. Sie verspürte keine Angst. Und er hatte auch recht damit, dass da etwas zwischen ihnen war. Etwas in ihr ließ sie fühlen, dass sie sich vor ihm nicht fürchten musste. Mit einer unerklärlichen Gewissheit wusste sie, dass er ihr niemals etwas antun würde. Mehr noch. Sie wusste, dass er sein Leben für sie geben würde.

      Aemiliana seufzte und setzte sich an den Fuß eines Baumes. Tapsig und unbeholfen kam er zu ihr und legte sich direkt vor sie, die riesigen Vorderpranken übereinandergelegt, den Kopf aufrecht und den Blick sanft auf sie gerichtet.

      Du bist verwirrt, begann er erneut. Doch du weißt, dass alles wahr ist. Du fühlst es.

      Sie sah in seine schönen braunen Augen, die so viel Wärme ausstrahlten, und wieder überkam sie dieses Gefühl von Zuhause.

      Du musst noch so vieles erfahren, damit du verstehst, wie wichtig es ist, dass du dich deiner vorherbestimmten Rolle stellst, fuhr er fort.

      Dann erzähle es mir, sagte sie, nun auch nur im Geiste, während sie in seinen Augen versank. Erzähle mir alles!

      Und Faennarthan begann, ihr die ganze Geschichte zu erzählen. Ihre Geschichte.

---

      Die Tür flog auf und Kegan schreckte von dem Lager hoch, welches man ihm zugewiesen hatte. Wider Erwarten war er doch eingeschlafen und blickte nun schläfrig drein. Daher dauerte es einen Moment, bis ihm dämmerte, wer da vor ihm stand. Es war Iain, König von Lucglénnos und Burgherr von Wolffshall, der ihn mit grimmigem Schweigen anstarrte. Wollte er ihn nun doch noch töten? Kegan zitterte und Angst begann in ihm aufzusteigen. Den Brief in des Königs Hand sah er erst, als dieser nun das Wort ergriff. »Du wirst Morla nun meine Antwort überbringen.« Der Blick, mit dem Iain den Rotschopf bedachte, war vernichtend.

      Kegan erhob sich und ging zögernd auf Iain zu. Mit zittrigen Händen nahm er den Brief und ging vorsichtig an Iain vorbei. Noch immer befürchtete er, man könne ihm den Garaus machen, wenn er sich zu sicher fühlte.

      Als er in den Burghof hinaustrat, stand einer der Krieger von Wolffshall schon bereit und hielt sein Pferd am Zügel. Langsam ging er zu ihm und stieg auf. Der Krieger ließ die Zügel los und Kegan trieb das Tier vorwärts. In ruhigem Schritt bewegte er sich auf das Tor zu, das sich bereits mit einem Knarren für ihn öffnete. Seine Augen zuckten nervös hin und her und er behielt die Krieger auf den Zinnen im Blick, die ihre Bögen im Anschlag hielten. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass er heil aus dieser Angelegenheit herauskommen sollte und er würde es vermutlich auch erst dann wirklich begreifen, wenn er in Sicherheit war.

      Er ritt durch das Tor und aufs Feld hinaus, auf Morlas Armee zu. Der Körper von Madwegdaw hob sich noch immer dunkel von der weißen Winterlandschaft ab.

      Als Kegan sein Pferd schließlich anhielt, kam ihm schon ein wilder Orluk grunzend entgegengesprungen. Kegan wagte nicht, sich zu rühren oder vom Pferd zu steigen. Er traute diesen Kreaturen nicht, hatte er doch schon zu viel von dem Grauen gesehen, welches sie imstande waren anzurichten. Bedrohlich stand der Orluk neben seinem Pferd, das nervös zu tänzeln begann, als ein alter, buckliger Mann mit langem weißem Haar und einem ebenso langen und ebenso weißen Bart aus der Menge hervortrat. Kegan wusste genau, wer er war. Maendier, ein schmieriger kleiner Wicht, dem Morla geringe Zauberkräfte übertragen hatte. Nicht so viele, dass er für sie eine Gefahr darstellen würde, aber doch ausreichend, dass er als ihr verlängerter Arm agieren konnte. Er selbst jedoch hielt sich für den größten Magier aller Zeiten und schmiedete insgeheim Pläne, Morla zu stürzen. Doch er würde scheitern, denn sie würde sich seiner entledigen, wenn sie ihn nicht mehr brauchte. So, wie sie es immer tat.

      Ohne ein Wort zu sagen, streckte Maendier seine Hand vor Kegan aus, um die Nachricht in Empfang zu nehmen. Zögernd übergab dieser sie dem Magier, während er den Orluk, der noch immer neben seinem Pferd stand, nervös und misstrauisch beobachtete. Alles an ihm strahlte Aggressivität und Bedrohung aus. Morlas Orluks waren aufs Kämpfen und Töten ausgerichtet. Das war alles, was sie konnten, und darüber hinaus auch etwas, das sie brauchten. Schon lange Zeit hatten sie ihre Natur nicht mehr ausleben können, deshalb waren sie unberechenbar. Kegans Furcht war also durchaus berechtigt.

      Maendier begann vor sich hin zu murmeln. Nebel wallte vor ihm auf und Morlas Gesicht erschien. »Hast du die Antwort?«, fragte sie ungeduldig. »Ja, Gebieterin«, antwortete Maendier unterwürfig. »Dann lies vor!« Morla war zum Zerreißen gespannt. Es war spürbar, obwohl sie nicht direkt anwesend war.

      Maendier faltete den Brief auseinander und begann zu lesen.

       Morla, auch ich will Frieden für mein Volk. Deshalb willige ich ein. Doch sei gewarnt. Solltest du eine Hinterlist


Скачать книгу