Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein

Verfluchtes Erbe - T.D. Amrein


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kann das niemand. Da haben Sie Recht. Aber das Leben geht weiter. Es muss weitergehen.“

      Krüger gab keine Antwort.

      „Ich mache Ihnen einen Termin. Sie wird Sie anrufen.“

      Es klang wie eine dienstliche Anweisung. „Sie können mich nicht zwingen“, trotzte Krüger.

      „Das ist doch völliger Blödsinn! Wer will Sie zwingen. Aber Sie brauchen das jetzt!“

      „Ich brauche jetzt ...“ antwortete Krüger, ohne den Satz zu beenden. „Jemanden, der sich mit solchen Dingen auskennt“, erwiderte sein Chef.

      2. Kapitel

      Eilig verließ Cécile Merz die Wohnung ihres Lovers, bei dem sie übernachtet hatte. Sie musste vor sieben zu Hause sein, um noch rechtzeitig ins Büro zu kommen. Sie war keineswegs verliebt. Aber der regelmäßige Sex ließ sie richtiggehend aufblühen.

      Vor ihrem Umfeld hielt sie die Beziehung jedoch geheim. Außerdem suchte sie wirklich nur körperliche Befriedigung. Zum Zusammenleben taugte der knackige Spanier ohnehin nicht. Sie war wohl auch nicht die Einzige, die er bediente, aber auch das störte sie nicht. Ihr Mann Erich, blieb inzwischen seit vier Jahren verschollen. Deshalb gestattete sie sich ab und zu eine deftige Portion Mann.

      Nach der Dusche betrachtete sie sich im Spiegel. Wenn ich doch nur etwas mehr Busen hätte, dachte sie zum x-ten Mal. Ihren Bauch fand sie immer noch flach. Den Hintern knackig. Sogar an den Oberschenkeln zeigte sich die Haut glatt und praktisch ohne Leberflecke. Nirgends Speckrollen und kein Ansatz zum Doppelkinn. Eigentlich konnte sie zufrieden sein. „Noch dieses Jahr lasse ich mich operieren“, sagte sie leise zum Spiegel.

      Wenn nur nicht diese Angst vor dem Eingriff gewesen wäre, die sie auf diese Weise zu bekämpfen versuchte.

      Das Telefon riss sie aus ihren Gedanken. Ungläubig schaute sie auf die Uhr im Wohnzimmer. Gerade sieben Uhr morgens. Wer ruft um diese Zeit an?

      Sie kam gar nicht dazu, etwas zu sagen. Die aufgeregte Stimme ihrer Freundin Nadine machte keine Pause: „Cécile, bist du da? Wir haben ihn gefunden! Er sieht genauso aus! Er muss es sein! Erich lebt! Cécile hörst du mich? Sag etwas!“

      Nackt, wie sie war, setzte Cécile sich auf den Boden. Schwindel ergriff sie. Sie konnte gar nicht antworten. „Cécile!“, wieder rief Nadine ihren Namen. „Bleib da! Ich bin in fünf Minuten bei dir!“

      Als ihre Freundin läutete, saß sie immer noch auf dem Boden. Sie konnte es nicht fassen. Erich lebt, hatte Nadine gesagt. Endlich stand sie auf und tastete sich zur Tür.

      Nadine sah sie aus aufgerissenen Augen an. „Du bist ja völlig nackt. Was wenn ein Nachbar geläutet hätte?“

      Schnell schob sie Cécile ins Wohnzimmer und holte ihr einen Morgenmantel aus dem Schrank.

      Schon zwei Stunden später saßen sie gemeinsam im Zug nach Salzburg. Beide viel zu aufgeregt, um selbst fahren zu können. Nadine hatte ihr inzwischen haarklein erzählt, was sich gestern Abend ereignet hatte.

      In Salzburg war ein Komapatient aufgewacht. Offenbar ohne jede Erinnerung. Daher wurde sein Bild in einer Fernsehsendung gezeigt. Die Daten seiner Auffindung passten.

      Nadine hatte keine Möglichkeit gehabt, die Sendung irgendwie aufzuzeichnen oder sich eine Telefonnummer zu merken. Alles war viel zu schnell gegangen. Danach hatte sie die ganze Nacht versucht, Cécile zu erreichen.

      Einzig, dass diese Klinik in Salzburg lag, wusste sie mit Sicherheit. Dorthin waren sie jetzt unterwegs. Ohne Anmeldung. Nadine war sehr überzeugend gewesen.

      Jetzt auf der Reise, meldeten sich die ersten Zweifel bei Cécile. „Wie kommt er nach Österreich?“, fragte sie leise.

      „Das weiß ich doch nicht!“, antwortete Nadine. „Aber er ist es. Natürlich ist er abgemagert. Das Bild hat mich wie ein Blitz getroffen. Ich bin sicher“, schob sie noch nach.

      „Und er kann sich an nichts erinnern?“, fragte Cécile, nicht zum ersten Mal.

      „So etwa haben sie das gesagt: Der Patient hat keine Erinnerung. Sollten Sie ihn erkennen, melden Sie sich bitte bei uns. Ich habe mich so aufgeregt. Bis ich soweit war, um die Telefonnummer aufzuschreiben, war die Sendung schon zu Ende. Nachher habe ich mir gedacht, nach Salzburg ist nicht so weit. Wir fahren einfach hin, dann haben wir sofort Gewissheit.“

      Gewissheit; dachte Cécile. Was ist, wenn er mich nicht erkennt? Was tun wir dann? Wie soll das weitergehen?

      ***

      Cécile bezahlte den Taxifahrer, der sie zur Uniklinik gefahren hatte, großzügig in Schweizerfranken. Zum Geldwechseln waren sie noch nicht gekommen.

      Erst am Empfang verlor sie die Haltung. Nadine musste nach dem Komapatienten fragen. Cécile fühlte sich inzwischen so nervös, dass sie sich kurz hinsetzen musste. Eine Schwester erschien. Schweigend folgten sie ihr durch die Flure. Cécile ließ sich zitternd an Nadines Hand mitziehen. So erreichten sie einen eher schäbigen Teil der riesigen Klinik. Ein Viererzimmer, Desinfektionsmittel lag in der Luft. Cécile ließ ihren Blick über die Betten schweifen, dann erstarrte sie. Erich. Da lag er.

      Schwindel erfasste sie. Irgendwie erreichte sie das Bett. Noch registrierte sie das Gefühl, eine Puppe zu umarmen, die mit reglosen Augen an die Decke starrte. Danach blieb nur noch Dunkelheit, in die sie sich versinken ließ.

      „Er ist es“, stöhnte Nadine. „Er lebt.“

      Die Schwester kümmerte sich bereits um Cécile, die regungslos auf dem Patienten lag.

      Mit leichten Ohrfeigen versuchte sie, sie zurückzuholen. Aber auch Schütteln und Umdrehen half nicht. „Kommen Sie!“, rief sie Nadine zu. „Bringen Sie bitte einen Stuhl!“

      Gemeinsam setzten sie die Ohnmächtige hin. Nadine musste Cécile die ganze Zeit festhalten, sonst wäre sie einfach auf den Boden gerutscht.

      „Bleiben Sie da. Ich hole etwas“, hörte sie die Schwester sagen, die sich rasch entfernte. Nun versuchte Nadine, ihre Freundin aufzuwecken. „Cécile, hörst du mich? Wach doch auf. Ich bin’s, Nadine!“

      Keine Reaktion. Endlich wagte auch Nadine einen Blick auf Erich, der zwar kurz die Augen bewegte, aber nicht in ihre Richtung sah. Nur seine Atmung wechselte plötzlich zu einem anderen Geräusch.

      „Erich?“ Vorsichtig sprach sie ihn an. „Erkennst du mich?“ Keine Reaktion.

      Die bizarre Situation wurde durch die zurückgekehrte Schwester unterbrochen. Sie schob Cécile eine kleine Tablette unter die Zunge. Wieder begann sie ihr Gesicht zu tätscheln. „Hören Sie mich? Aufwachen, gnädige Frau.“

      Nadine musste trotz der ernsten Lage ein Lächeln unterdrücken. Gnädige Frau und Ohnmacht, das passte ganz gut zusammen.

      Endlich regte sich Cécile. Sie wollte aufstehen, aber die Schwester hielt sie auf den Stuhl gedrückt. „Bleiben Sie noch ein wenig sitzen, sonst fallen Sie gleich wieder um.“

      Cécile gehorchte. Einen Moment lang schien sie nachzudenken, bevor sie sich zu ihrem Erich umwandte.

      Geräuschlos begann sie zu weinen.

      Nadine reichte ihr ein Taschentuch. Selbst gegen die Tränen kämpfend, weil auch ihr der Zustand des Patienten klar wurde. Er lebte. Das war offenbar schon alles. Wenn er nicht einmal seine Frau erkannte. Das bedeutete dann wohl, dass er überhaupt keine Erinnerungen mehr hatte.

      „Kann er sprechen?“, fragte Nadine schließlich die Schwester.

      Diese schüttelte nur den Kopf.

      „Was kann er noch?“

      „Nichts weiter“, lautete die niederschmetternde Antwort. „Seit einigen Tagen hat er die Augen geöffnet. Das ist die erste Veränderung seit Jahren.“

      „Denken Sie, dass er


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