Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein

Verfluchtes Erbe - T.D. Amrein


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im Rauchsalon des Schlosses.

      „Die Entwicklung in Kroatien macht dir keine Sorgen?“, fragte Kreidel.

      „Auf der Insel bin ich sicher. Falls ich doch verschwinden muss, nehme ich die Jacht. Außerdem bleibt mir noch mein Bunker. Ein paar Tage halte ich da aus“, antwortete Dornbach.

      „Du kannst jederzeit nach Österreich kommen, das weißt du“, gab Kreidel zurück. „In Wien haben wir einige schöne Wohnungen. Oder du könntest sogar hier im Schloss einziehen.“

      Dornbach grinste. „In diesem Schloss, bis ans Ende meiner Tage.“ „Halt auf jeden Fall die Jacht vollgetankt. Die Lage kann schnell eskalieren“, mahnte Kreidel in ernstem Ton.

      Dornbach war anderer Meinung. Weder Panzer noch andere Fahrzeuge konnten das Meer überqueren. Die Inseln würden letzte Zuflucht bleiben. Mit der Jacht schnell zu verschwinden blieb bestimmt möglich. Nach Italien oder auch weiter, da machte er sich keine Sorgen.

      Trotzdem wollte er seinen Bunker, der bestens getarnt vom Keller seiner Villa abging, mit einigen Lebensmitteln auffüllen. Dass ich doch noch einen Krieg miterlebe, dachte er. Aber heute ist eine andere Zeit. Ein paar Tage Gefechte, das dürfte wohl alles ein, das die umliegenden Länder und die Großmächte zulassen würden.

      Ausgerechnet diesen Sommer, auf den er sich so gefreut hatte, wollte er nicht in Wien verbringen. Was sollte er da den ganzen Tag über machen?

      „Mach dir keine Sorgen, Max“, sagte er schließlich zu Kreidel. „Unkraut vergeht nicht, das weißt du doch.“

      ***

      Die ersten Wochen mit Erich im Haus waren für Cécile eigentlich ziemlich rasch vergangen.

      Sie war davon überzeugt gewesen, dass es nur die richtige Pflege brauchte, um ihn ins Leben zurückzuholen.

      Vor einiger Zeit hatte sie damit begonnen, ihm jeden Abend aus einem seiner früheren Lieblingsromane vorzulesen. Natürlich zusätzlich zu Streicheleinheiten und den täglichen Berichten über ihre aktuellen Erlebnisse. Sie hatte sich gedacht, dass sein Gehirn irgendwie auf die bekannten Texte reagieren müsste. Ein Muster, einen Namen oder eine Episode, die ihn besonders beeindruckt hatte, wieder erkennen konnte.

      Langsam begann ihre Zuversicht zu bröckeln. Was ist, wenn ich in zehn Jahren immer noch an seinem Bett sitze? Das ging ihr einfach so und ohne jede Absicht durch den Kopf. Dann bin ich alt, stellte sie erschrocken fest. Sie straffte sich. „Erich, wach endlich auf!“, sagte sie laut zu ihm. Keine Reaktion. Mit einem lauten Knall schlug sie das Buch zu. „Warum tust du mir das an? Willst du mein Leben zerstören?“, schrie sie ihn an. Hemmungslos begann sie zu weinen. Schlagartig wurde ihr klar. Das würde sie nicht aushalten, ihn jahrelang, ohne den geringsten Erfolg, zu pflegen.

      Jetzt schämte sie sich für ihren Ausbruch. „Entschuldige!“, sagte sie zu ihm. „Ich habe es doch nicht so gemeint. Ich liebe dich doch.“

      Zärtlich strich sie ihm über die Stirn. Ihre Tränen gepaart mit Hilflosigkeit hatten ihn doch früher stets zum Nachgeben gebracht.

      Aber er glotzte wie immer an die Decke.

      Cécile zitterte am ganzen Leib. Sie musste sich zurückhalten. Der Wunsch, ihn zu schlagen, überkam sie. Weinend lief sie aus dem Zimmer.

      Die ganze weitere Nacht konnte sie nicht schlafen. Immer wieder flossen ihre Tränen. Aus Scham über ihre Worte zu ihm. Vielleicht konnte er doch hören, was sie sagte. Dann würde er jetzt wissen, dass er eine schlechte Ehefrau hatte.

      Aus tiefstem Herzen hatte sie ihm doch nur helfen wollen. Ihre Zuversicht hielt dem Druck nicht mehr stand.

      In Demut würde sie warten müssen, bis er von selbst aufwachte.

      ***

      Am Morgen danach, beim ersten Blick in den Spiegel, sah Cécile ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Gerötete Augen. Tiefe Falten, die sie noch nie an sich gesehen hatte.

      Nach einer sehr heißen Dusche fühle sie sich etwas besser. Auch ihr Gesicht hatte sich größtenteils wieder erholt.

      Trotzdem würde ihr die Alte, die sie im Spiegel gesehen hatte, lange im Kopf bleiben.

      Zum ersten Mal, seit „Er“ wieder da war, verließ sie die Wohnung, ohne sich zu verabschieden.

      Auch dafür schämte sie sich zutiefst. Sie konnte ihn einfach jetzt nicht ansehen.

      Dick geschminkt, hatte sie nur abgewartet, bis die Schwester eintraf. Danach verschwand sie einfach.

      ***

      Am Nachmittag rief sie zum ersten Mal wieder ihren Lover an. Ein gutgebauter Spanier. Jesus Mendez, hieß er. Ein Name, der zu ihm passte, wie eine Maschinenpistole zu einer Nonne.

      Deutlich jünger als Cécile. Schwarze Haare. Immer braun gebrannt und durchtrainiert. Der klassische Latin Lover.

      Wovon er lebte, konnte sie nur vermuten. Irgendwie hatte er etwas mit Fitnessstudios zu tun, wofür er zumindest eine gute Reklame abgab. Das hatte er einmal durchblicken lassen. Für tiefgreifende Gespräche war er kaum geeignet. Aber als Liebhaber, für Cécile mit Abstand der Beste, dem sie sich jemals hingegeben hatte.

      Er wollte sie so schnell wie möglich sehen. Gleich heute Abend. Cécile zierte sich erst ein wenig. Erich brauchte Betreuung. Woher sollte sie auf der Stelle eine Nachtschwester bekommen? Jedoch die Worte, die er ihr durchs Telefon zuflüsterte, ließ sie rasch alle Bedenken über Bord werfen. Also sagte sie zu und freute sich ehrlich auf die Nacht.

      Wie erwartet, fand sie keine Ablösung für den Nachtdienst. Also entschloss sie sich, Erich einfach allein zu lassen. Warum eigentlich nicht, dachte sie? Wenn ich schlafe, ist er doch genauso ungeschützt.

      Wenn sein Herz stehenbleiben sollte, was könnte ich tun? Nichts. Es kann schnell zu Ende sein, hatte der Professor gesagt.

      Außerdem erfährt dann auch niemand, dass ich ein wenig ausgehe, fiel ihr ein. Damit liefere ich den Schwestern keinen Grund zum Tratschen, stellte sie schließlich befriedigt, auch noch fest.

      Lange überlegte sie, ob sie Erich sagen sollte, dass sie plante, auszugehen? Falls er sie hören und verstehen konnte, würde er sich wahrscheinlich Sorgen machen.

      Also besser nichts sagen. Oder höchstens, dass sie rasch etwas erledigen müsse.

      Cécile schluckte leer. Wenn er sie sah, in ihrem knappen Kleid, das sie jeweils für ihren Lover trug, wusste er doch sofort, was sie vorhatte. Schließlich war sie immer noch mit ihm verheiratet.

      Er kann mich doch nicht sehen, versuchte sie, sich selbst zu beruhigen. Aber sicher konnte sie sich dessen nicht sein. Welch eine Vorstellung, wenn er eines Tages aufwachte und ihr alle diese Dinge vorwarf, die sie ihm in der letzten Zeit angetan hatte?

      ***

      In dieser Nacht brachte Jesus sie zu ungeahnter Ekstase. Noch nie hatte sie so intensiv gefühlt. Das schlechte Gewissen, wie weggeblasen oder gar nicht vorhanden. Auch als er bereits im Bad verschwunden war, durchströmten sie immer noch Wellen reiner Lust. Sie fühlte sich jung und attraktiv. Ihre Nippel ragten groß und hart aus den Brüsten. Sie konnte sie nur ganz kurz anfassen, bis der nächste wohlige Schauer ausgelöst wurde. Allmählich wich die Erregung einer satten Zufriedenheit, die sie ebenso völlig genießen konnte.

      Er schlüpfte wieder zu ihr, zog die auf dem Boden liegende Decke über ihre nackten Körper. Cécile schmiegte sich an ihn und wünschte sich, niemals mehr aufstehen zu müssen.

      ***

      Ein paar Stunden hatte sie tatsächlich geschlafen, stellte sie mit Schrecken fest, als sie endlich aufwachte. Draußen war es bereits hell. Und jetzt meldete sich auch das schlechte Gewissen gleich wieder.

      So rasch wie möglich, machte sie sich ein wenig zurecht. Ohne ihn zu wecken, verließ sie die Wohnung. Auf der Fahrt kämpfte sie mit ihren Empfindungen. Womöglich war es schlecht, was sie sich erlaubt hatte. Das gestand sie sich ein. „Aber ich habe auch nur ein Leben“, wies


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