Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein

Verfluchtes Erbe - T.D. Amrein


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schwere Arbeit Durst. Dornbach trank in großen Schlucken, wissend, dass es nicht lange reichen würde. Auch die Kerzen brannten viel zu schnell ab und verbrauchten Sauerstoff. Er keuchte, das Atmen fiel immer schwerer. Eine Pause ohne Licht, unter dem Lüftungsrohr, half soweit, dass er wieder normal Luft holen konnte. Er sollte so liegen bleiben, dann lebte er noch einige Tage, dachte er nach. Vielleicht hatte Kreidel von den Angriffen gehört, und schickte Hilfe.

      Kaum eine Stunde hielt er aus, dann versuchte er noch einmal die Türe aufzupressen. Vergeblich. Das Loch blieb seine einzige Chance. Jetzt würde er erst wieder aufhören, wenn er einfach nicht mehr konnte, nahm er sich vor.

      ***

      Zur gleichen Zeit dachte Kreidel in Wien darüber nach, wie er die Organisation erneuern sollte. Die vielen teuren Überwachungen waren seiner Meinung nach schon lange überflüssig. Ein ganzer Stab von Mitarbeitern kümmerte sich um Leute, die schon seit Jahren nicht mehr bedroht waren. Die meisten waren jüngere Kräfte, die nicht viel wussten, aber immerhin trotzdem zum Problem werden konnten, wenn sie plötzlich keine Beschäftigung mehr hatten.

      Erst wenn der letzte Veteran verstorben war, würde es keine Rolle mehr spielen. Dass er dieser letzte sein würde, damit konnte er auch nicht rechnen. Sorgen machte er sich nicht um sich, aber er hatte Familie, auf die würde man mit Fingern zeigen, wenn seine Rolle bekannt wurde.

      Für alle eine neue Aufgabe zu suchen, wäre eine Lösung, aber wie? Früher hatte er noch darauf gehofft, dass sich die Zeiten ändern würden. Dass das Gute, dass sie doch auch geleistet hatten, Anerkennung finden würde. Eine oder sogar mehrere Generationen konnte es noch dauern.

      Diese Pläne beschäftigten ihn Tag und Nacht. Dass sich Dornbach in Schwierigkeiten befinden könnte, weil er sich nie meldete, fiel ihm erst auf, als er zufällig auf einen Lagebericht aus Kroatien stieß. Die Inseln waren bombardiert worden, stand da, alle Bewohner wurden aufs Festland gebracht.

      Kreidel wurde blass. Dornbach wäre längst zurück, wenn er nicht in Schwierigkeiten steckte. Zumindest hätte er sich gemeldet. So schnell wie möglich, stellte Kreidel einen Stoßtrupp zusammen. Mit Booten sollten sie die Insel erkunden. Natürlich nur in der Nacht. Den ehemaligen Vorarbeiter, der das Haus genau kannte, ließ er nach Triest fliegen, aus Argentinien, was zwar weitere Zeit kostete. Aber trotzdem. Kreidel ging davon aus, das Dornbach in seinem Bunker festsaß. Die Vorräte reichten für einige Wochen. Falls das Haus eingestürzt war, da konnte es sehr wichtig sein, dass jemand wusste, wo genau der Bunker lag und wie man am schnellsten zu seinem Versteck gelangte. Wenn er ums Leben gekommen war, dann spielte die Zeit ohnehin keine Rolle mehr.

      ***

      Dornbach lag inzwischen nur noch auf dem Rücken und starrte von unten auf das Lüftungsrohr, aus dem ihm bei einem kurzen Regen, Wasser auf das Gesicht getropft hatte. Er war zu keiner Bewegung mehr fähig, nur die Augenlider wischten noch regelmäßig schmerzhaft über seine entzündeten Augen. Die Zunge füllte seinen ganzen Mund aus. Ab und zu verlor er das Bewusstsein. Sein Herz schlug nicht mehr regelmäßig, das bemerkte er. Aber es wollte einfach nicht stehen bleiben. Das war jetzt noch sein einziger Wunsch. Jeder Atemzug brannte bis tief in die Lunge. Draußen war es hell und er hörte das Meer. Gestern war er sicher gewesen, dass es sein letzter Tag werden würde. Doch die Nacht überlebte er irgendwie.

      Am Morgen fiel ihm auf, dass sich am Ende des Rohres einige Wassertropfen gebildet hatten, offenbar Kondensat. Hilflos musste er zusehen, wie sie langsam vertrockneten.

      ***

      Kreidels Männer erreichten die Insel in der folgenden Nacht. Es war überraschend still. Die Küste immer noch verdunkelt. Das Haus erinnerte an eine alte Ruine, die seit langem zerfallen war. Nur der Brandgeruch, störte die Idylle. Eine schnelle Lagebeurteilung ergab, dass kein brauchbares Boot mehr vorhanden war. Dornbachs Jacht lag unsichtbar unter den Trümmern des Bootshauses. Der Vorarbeiter rief leise in das intakte Lüftungsrohr, „ist da jemand?“

      Nichts rührte sich. Beruhigend war, dass keinerlei Verwesungsgeruch festzustellen war. Weder in der Ruine, noch aus dem Rohr. Sie einigten sich darauf, dass sie am Morgen mit der Suche, das bedeutete graben, beginnen würden.

      Die Reise war anstrengend gewesen, Dornbach, für Kreidels Leute, Winkler, befand sich nicht im Keller oder er schlief tief und fest. Dass sie nicht zurückkommen durften, ohne den Keller zu durchsuchen, hatte Kreidel klar befohlen.

      Den ganzen Tag brauchten sie, um die Bunkertüre freizulegen. Da sich die ganze Zeit nichts rührte, rechneten sie nicht damit, etwas zu finden. Schon bald zeigte sich, dass die Türe zwar einen kleinen Spalt offenstand, aber ohne den ganzen Schutt davor wegzuräumen, ließ sie sich nicht bewegen. Endlich konnte sich der Vorarbeiter durchzwängen.

      Dornbach lag kalt und steif im hinteren Teil unter dem Lüftungsrohr, die toten Augen starrten an die Decke.

      Auf der felsigen Insel konnten sie ihn nicht begraben, deshalb ließen sie ihn auf dem offenen Meer in die Tiefe gleiten.

      ***

      Kreidel war sich nicht sicher, ob es noch möglich gewesen wäre, ihn zu retten, wenn er früher reagiert hätte. Alles was ihm berichtet wurde, deutete darauf hin. Weil er keinen Arzt mitgeschickt hatte, war die genaue Todesursache Dornbachs nicht mehr zu klären. Vielleicht besser, wenn ich das nicht weiß, legte Kreidel für sich fest. Er hatte schon viele Freunde verloren, auf die eine oder andere Art. Im Alter wurde er immer einsamer, wie die meisten. In seinem Fall, kam noch dazu, dass er nur mit denen von früher, ohne sich zu verstellen, reden konnte. Weder seine Frau, noch die Kinder wussten, was er im Krieg für eine Rolle gespielt hatte.

      Er hatte sich vorgestellt, wenn er dement werden sollte, konnte Dornbach ihn erlösen, bevor er selbst etwas ausplauderte. Zyankalipillen hortete er noch genug. Früher oder später, hätte er ihn auch um Hilfe bei der großen Aufgabe gebeten, die er noch zu erledigen hatte. Deshalb musste er sich jetzt beeilen, die Sache zu Ende zu bringen. Ob es noch gelingen konnte? Kreidel hatte selten an sich gezweifelt, jetzt bedrückte ihn eine dumpfe Angst vor seinen letzten Jahren, die er doch immer genießen wollte. Die Pflicht, aus der er sich nicht lösen konnte, wurde zum Fluch. Den Letzten, beißen die Hunde, dachte er bitter.

      4.Kapitel

      Grübelnd saß Krüger an seinem Schreibtisch. Der Blumenstrauß auf dem Nebentisch deprimierte ihn noch zusätzlich. Trotzdem ließ er ihn stehen.

      In Gedanken erlebte er noch einmal die Beerdigung seiner Praktikantin. Wie er sich dazu durchgerungen hatte, doch hinzugehen.

      Vor der Begegnung mit ihren Eltern hatte er richtig Angst gehabt. Nicht eine Angst wie vor einer realen Gefahr. Er hatte Atemnot bekommen. Seine Kehle fühlte sich an wie zugeschnürt.

      Wortlos hatte er deshalb die Hand ihrer Mutter ergriffen. Sie umarmte ihn. Krüger blieb einen Moment fassungslos. Wusste die Frau denn nicht, wer vor ihr stand?

      „Sie waren ihr Chef“ sagte sie leise zu ihm.

      Also wusste sie es doch.

      „Ich bin gefahren“, schluchzte er zurück. Die Tränen ließen sich jetzt nicht mehr aufhalten. „Ich schäme mich so“, brachte er noch heraus.

      „Der Herr hat sie uns gegeben und wieder genommen“, antwortete sie. „Sie trifft keine Schuld“.

      Das hatte Krüger tief beeindruckt. Natürlich hatte er an ihrem Tod Schuld, daran gab es für ihn keinen Zweifel. Er selbst war nicht religiös. Eine Kirche betrat er höchstens bei Beerdigungen oder bei Hochzeiten. Trotzdem wurde ihm ein Teil der Last genommen. Wie gut, dass er sich der Mutter gestellt hatte.

      Die Sitzungen bei der Psychologin hatten ihm dagegen kaum geholfen, dachte er. Obschon irgendwie der dumpfe Schmerz, der ihn ständig begleitete, langsam nachließ.

      Gegen das Krankenhaus lief ein Verfahren. Wie sich abzeichnete, kam einer dieser Krankenhauskeime als Ursache in Frage.

      Endlich kramte Krüger die Akte Obermann wieder einmal aus der Schublade. In seiner Abwesenheit hatte sie noch ein Stück an Umfang gewonnen: Die Obduktion


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