Veyron Swift und das Juwel des Feuers: Serial Teil 3. Tobias Fischer
von Licht zu finden ist. Manchmal geht dieses Licht einen Irrweg, bis es zutagetritt. Auch wenn es dann nur kurz scheint, so leuchtet es dafür oft umso heller. Dies ist eine würdige Grabstätte für Said und Carlos, ein Ort, an dem schon viele Schlachten gegen die Mächte der Finsternis geschlagen wurden. Hier nahmen die alten Simanui ihren Ursprung, genauso wie der neue Orden. Nun lasst uns aber aufbrechen. Zwei weitere Seelen bedürfen der Rettung!«
Nagamoto winkte einigen Elben, die im Hintergrund standen. Sofort eilten sie herbei, einen weiteren Felsblock in den Händen, den sie nun neben die Gräber stellten. Er besaß ebenfalls eine Gravur, und Nagamoto übersetzte die elbischen Schriftzeichen:
Dieser Stein steht zur Erinnerung an Harry Wittersdraught, John Fizzler und Claude. Ihre Leiber ruhen in keinen Gräbern, doch sollen sie nicht vergessen sein.
Die Elben wollten auch einen Stein für Jessica und Alec aufstellen, aber Nagamoto lehnte dies ab, da Jessica vielleicht noch immer am Leben war – als Gefangene von Nemesis. Gegen ein Andenken an Alec verwehrte sich Tamara.
»Der soll erst ein Grab bekommen, wenn ich ihn dort hineinbefördert habe«, brummte sie voller Verachtung.
Faeringel ließ ein paar seiner Männer zurück, um auch die toten Schrate zu bestatten. Ihre Leiber wurden auf einen großen Haufen geworfen und in Brand gesteckt.
Tom sah dieses Feuer jedoch nicht mehr, lediglich die große schwarze Rauchsäule, die zwischen den Bäumen in den Himmel stieg. Für ihn und die anderen ging die Reise weiter. Die Elben setzten sie auf vier Pferde und führten sie auf einem schmalen Pfad, der bald steil an der Seite eines Berges hochführte, in den Wald hinein. Dabei sprachen die Elben kein Wort, kümmerten sich dafür aber um Toms Bein. Es tat wegen des Fenris-Bisses immer noch weh, doch die Elben träufelten einfach ihr magisches, goldenes Elixier darauf. Schon bald waren sämtliche Schmerzen verschwunden. Die Reise dauerte bis in die Abendstunden. Zum vierten Mal seit ihrer Bruchlandung versank die Sonne im Westen Elderwelts und schickte eine rote Glut über das Land.
Veyron berichtete Nagamoto den ganzen Weg über von seinen Erlebnissen in der Menschenwelt. Wie ihn das Verschwinden von Floyd Ramer auf die Spur Elderwelts gebracht, wie er Rashtons Romane als Wegweiser und Informationsquelle genutzt, wie er Kobolde auf einem Schrottplatz entdeckt hatte und danach als Monster-Detektiv tätig geworden war.
Nagamoto hörte sich alles geduldig an. Hie und da ergänzte er Wissenslücken durch ein paar Kommentare. Schließlich kam Veyron zu der Stelle, wo er von Professor Darings Schicksal erfahren hatte. »Ihr Mentor wurde ermordet, daran besteht leider nicht der geringste Zweifel. Er wurde von einem glühend heißen Schwert erstochen, mitten durchs Herz. Das Sonderbare war nur, dass Daring sich nicht zur Wehr gesetzt hat. Dabei verfügte er durchaus über eine gleichartige magische Waffe wie Sie. Die ist übrigens spurlos verschwunden, aber ohne jeden Zweifel war sie nicht die Tatwaffe. Ich glaube auch nicht, dass Nemesis das Schwert gestohlen hat«, berichtete Veyron.
Nagamoto schwieg lange. Tom konnte nicht erkennen, ob er wütend oder traurig war, oder ob er überhaupt etwas fühlte. Aber seine Augen schienen plötzlich um Jahrzehnte gealtert. »Der Professor war ein meisterhafter Schwertkämpfer. Wenn er sich ohne Gegenwehr töten ließ, verfolgte er damit eine bestimmte Absicht. Ihre Vermutung war, dass er mir eine Information zukommen ließ, nicht wahr? Tatsächlich habe ich auf wichtige Nachrichten gewartet, sie jedoch niemals erhalten. Sie erwähnten bereits das Juwel des Feuers, genau darum ging es. Der Professor war dem Juwel auf der Spur, doch er kam nicht mehr dazu, mir mehr zu verraten. Über den Aufenthaltsort des Juwels weiß ich so viel wie Sie«, erwiderte er.
Veyron machte ein enttäuschtes Gesicht, doch dann schnippte er mit den Fingern. »Natürlich! Der Brief! Es muss in diesem Brief stehen.«
Rasch erzählte er Nagamoto von dem Briefumschlag, den er auf Darings Schreibtisch gefunden und heimlich eingesteckt hatte. Ein einfacher, weißer, aber sehr teurer Umschlag, darin ein Schreiben, das Daring mit Zaubertinte verfasst hatte.
»An wen war der Brief adressiert?«, fragte Nagamoto neugierig.
»Es stand nur ›an die Weiße Königin‹ darauf. Ist das Ihr Codename? Das frage ich mich nämlich schon seit dem Tag, als ich diese Anschrift las. Die Weiße Königin ist eine Schachfigur«, sagte Veyron.
Nagamoto lachte kurz und schüttelte den Kopf. »Nein, aber wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Sie werden der ›Weißen Königin‹ schon bald selbst begegnen. Sie ist die Herrin der Talarin und Königin dieses Landes. Sie hat uns Faeringels Jäger geschickt und auch sonst sicherlich alles getan, um uns zu helfen. Sobald wir bei ihr sind, werden wir hoffentlich mehr über das Juwel des Feuers erfahren«, verkündete er mit feierlicher Stimme.
Tom war richtig aufgeregt. Die Wunder in diesem Land nehmen einfach kein Ende. Zuerst zeigt uns Elderwelt seine Schrecken und jetzt seine hellen Seiten. Ich fange an, mich hier richtig wohlzufühlen, dachte er. Er konnte sehen, dass auch Veyrons Begeisterung bei der Nachricht über das bevorstehende Treffen mit der Königin der Elben erneut erwachte.
Es war später Nachmittag, als sie bei einem großen Wasserfall anhielten, dessen Wasser von hoch oben aus einer Felsspalte herabstürzte und den Weg in die Täler als reißender Gebirgsbach fortsetzte. Die Elben halfen den Reitern von den Pferden und gingen ganz nah an die Felsen heran. Die Kaskade donnerte vor ihnen in die Tiefe, feine Gischt benetzte ihre Gesichter. Tom leckte sich über die Lippen. Wirklich erfrischend, eine wundervolle Wendung, dachte er vergnügt. Die Elben führten sie an den Felsen entlang, so dicht, dass sie fast in den Bach abzurutschen drohten. Geschickt schlüpften sie durch eine kleine Nische im Gestein hinter die tosende Wasserwand. Nagamoto folgte als Nächster, dann machten es ihm Veyron, Tom und Tamara nach.
Klitschnass fanden sie sich in einer mit schimmernden Lämpchen erhellten Höhle wieder. Die Elben führten sie tiefer hinein. Tom stellte fest, dass sie auf einem hölzernen Steg marschierten, neben dem ein gurgelnder Bach in die Tiefen der Höhle rauschte. Der Wasserfall versorgte also gleich zwei reißende Gewässer. Es ging immer weiter hinunter, und das Felsgestein veränderte sich mit jedem Meter. Zunächst war es nichts weiter als grauer Granit, der in der Dunkelheit schwarz erschien. Das Licht der Lampen (in denen keine Flammen loderten, sondern sie schienen mit leuchtenden Kristallen gefüllt zu sein) fiel auf Einschlüsse von Bergkristall. Es wurden immer mehr davon, bis schließlich die Tunnelwände gänzlich kristallen waren, das Licht tausendfach brachen und reflektierten, so hell, als wäre es Tag. Der Tunnel weitete sich zu einer riesigen Höhle, und der Bach mündete in eine große Grotte inmitten der unwirklichen Kristalllandschaft. Das Licht der Lampen ließ gewaltige Tropfsteine aufleuchten und die Wände und Decke in allen Farben des Regenbogens glitzern. Falls jemand ein Paradies an Rubinen, Saphiren, Juwelen, Diamanten und Kristallen suchte, in dieser Grotte würde er fündig. Tom war überwältig, ebenso Veyron. Für einen Moment konnten die beiden keinen Schritt mehr tun. Hinter ihnen blieb sogar Tamara stehen, pures Staunen erfüllte ihr blasses, von Schwäche gezeichnetes Gesicht.
»Die Regenbogengrotte«, sagte Nagamoto. »Enfuithgrodh, wie sie in der Sprache der Talarin genannt wird. Kommt, die Boote warten bereits auf uns.«
Der Holzsteg endete in einer steilen Treppe, die bis ans Ufer der Grotte führte, wo mehrere große Holzkähne an einer Anlegestelle vertäut waren. Elben mit langen Ruderstangen warteten dort auf sie. Die Kähne waren lang genug, dass einer ausreichte, um sie vier und Faeringel aufzunehmen. Faeringels Männer bestiegen die anderen Boote, dort wurden auch die Bahren von Xenia und Dimitri untergebracht. Auf einen elbischen Befehl hin, den Tom natürlich nicht verstand, wurden die Taue gelöst. Die Fährmänner stakten die Boote durch das dunkle Gewässer.
»Es ist eine Reise von drei Tagen unter den Himmelmauerbergen hindurch. Wir fahren durch die Grotte, die den Eingang in eine lange Höhle bildet, durch die man unter dem Gebirge hindurchgelangt. Überschreiten können wir die Berge kaum, nicht mit so spärlicher Ausrüstung und Kleidung. Selbst die niedrigsten Gipfel der Himmelmauerberge liegen noch 4000 Meter über dem Meeresspiegel, die höchsten übertreffen sogar den Mount Everest unserer Welt«, klärte Nagamoto die anderen auf.
Die Fahrt durch die unterirdische Glitzerwelt verlief fast vollkommen lautlos. Kein Lüftchen