Andrea – Liebe ist nicht heilbar.. V. A. Swamp

Andrea – Liebe ist nicht heilbar. - V. A. Swamp


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Ich versuche meine Gedanken zu ordnen, was gar nicht so einfach ist. Ich beschließe Andrea irgendwann später zu befragen, wie sie herausgefunden hat, dass ich in diesem Krankenhaus liege. Sie sieht toll aus und sie riecht extrem gut. Ich erinnere mich an den Abend auf ihrer Geburtstagsparty. Sie trägt ein dunkelblaues, leicht tailliertes Kostüm, bei dem die Ränder mit einem circa zwei Zentimeter weißen Band eingefasst sind. Sieht sehr chic aus. Ich würde gerne ihre Beine sehen, aber das ist in dieser Lage sehr schwierig. Es tut mir gut, dass Andrea da ist. Ich umschließe ihre zarte Hand nahezu vollständig. Sie ist warm und verströmt ein fast elektrisches Kribbeln.

       »Es ist super, dass Du da bist.«

      Mehr bekomme ich momentan nicht raus. Andrea lächelt.

       »Ich habe schon mit der Schwester gesprochen. Die wollte zunächst nicht mit der Sprache raus, aber als ich mich als Deine Schwester zu erkennen gegeben habe hat sie mir erzählt, dass es nicht allzu schlimm um Dich bestellt ist.«

      Nicht allzu schlimm? Was heißt das? Weiß Andrea jetzt mehr als ich?

       »Sie haben ein CT gemacht, aber es gibt noch kein Ergebnis. Auch das hat mir die Schwester verraten. Du kriegst das Ergebnis morgen bei der Visite. Ich werde dann morgen gegen Mittag noch einmal kommen. Ich muss jetzt leider wieder gehen. Ich habe noch eine Verabredung und die konnte ich nicht absagen.«

      Aha, wahrscheinlich ein anderer Liebhaber, denke ich. Anderer Liebhaber? Das „andere“ bezieht sich nicht auf mich, sondern auf ihren Mann. Ich bin definitiv nicht Andreas Liebhaber, obwohl ich derzeit nicht einmal etwas dagegen hätte. Andrea beugt sich zu mir runter und dann schmecke ich ihre weiche lüsterne Zunge, die sie mir ungeniert in den Mund schiebt.

       »Mach schnell, dass Du hier rauskommst, damit wir das von neulich fortsetzen können.«

      Ich versuche noch etwas zu sagen, aber Andrea wartet die Antwort nicht ab, da ist sie auch schon wieder verschwunden.

      Das Frühstück war ordentlich, wenn auch nicht von der Qualität, wie ich es mir zuhause mache. Na ja, man kann wahrscheinlich auch nicht erwarten, dass sie einem hier Eier mit Speck und Bratkartoffeln servieren, oder? Durch die Tür kommt Professor Krösing. Er wirkt aufgeräumt und ausgeschlafen. Er lächelt mich an, auch wenn er das besser lassen sollte. Sein Lächeln hat so etwas Morbides. So werden auch Bestattungsunternehmer lächeln, wenn sie die Einzelheiten der Beerdigung besprechen wollen. Ich komme mir bei solchen Gedanken blöd vor.

       »Wir haben ein Ergebnis und das sieht gar nicht so übel aus.«

      Ich schaue ihn an und bemühe mich um eine optimistische Reaktion.

       »Also, kein Krebs im vierten Stadium?«

      Professor Krösing zeigt keinerlei Humor, jedenfalls keinen von der schwarzen Sorte.

       »Wie kommen Sie auf Krebs?«

       »Es sollte ein Witz sein. Entschuldigen Sie.«

      Krösing guckt ein wenig sauertöpferisch, findet dann aber schnell seine Fassung wieder.

       »Wissen Sie, was ein „Aneurysma“ ist?«

      Ich habe keine Ahnung, wovon der Mann redet. Mein Blick hat ihm das sehr wahrscheinlich signalisiert.

       »Ein Aneurysma ist eine spindel- oder sackförmige Erweiterung der Hauptschlagader. Ihr Aneurysma befindet sich im Bereich der Bauchaorta unterhalb des Abgangs der Nierengefäße.«

      Ich bin beeindruckt, auch wenn ich mit diesen Informationen partout nichts anzufangen weiß.

       »Und dieses Ding muss raus aus meinem Körper?«

      Krösing lächelt ob meiner Einfalt.

       »Zunächst einmal, Ihr Aneurysma ist noch nicht sehr ausgeprägt, sodass die Gefahr des Platzens nicht sehr groß ist. Von einer großen OP im Bauchraum können wir zunächst absehen.«

       »Was wollen Sie stattdessen unternehmen?«

      Ich fühle mich sehr mutig mit meiner Absicht, tiefer in die Materie einzusteigen.

       »Nichts. Oder genauer gesagt zunächst nichts. Wir werden Ihnen ein blutdrucksenkendes Mittel verschreiben und Sie bitten, in sechs Monaten wieder vorstellig zu werden. Falls sich das Aneurysma nicht dramatisch verändert, müssen wir keine weiteren Schritte unternehmen.«

       »Und andernfalls? Ich meine, falls das Ding sich zum Negativen verändert?«

      Ich bin richtig stolz auf meine Ausdrucksweise.

       »Dann könnten wir Ihnen einen Stent setzen. Den würden wir über die Leistenarterie einführen, um so den Bereich des Aneurysmas zu stabilisieren. Also zunächst ganz ohne Bauch-OP.«

      Klingt doch gut, denke ich. Wir plaudern noch einen Moment und dann muss Krösing zu seinem nächsten Termin. Bevor er verschwindet, fällt mir aber doch noch eine Frage ein.

       »Und dieses eher unbedeutende Aneurysma hat meinen gesamten Kreislauf zusammenbrechen lassen?«

      Krösing kehrt zu meinem Bett zurück.

       »Ich sagte nicht, dass das Ganze unbedeutend ist. Ich sehe nur derzeit keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Das ist ein Unterschied.«

      Da ist er wieder, der Herr Professor. Oh, wie ich diese Typen hasse, mit ihren klug scheißenden Reden.

       »Das heißt, ein solcher Zusammenbruch kann sich jederzeit wieder ereignen?«

       »Das Einzige, was unsere Untersuchungen ergeben haben, ist das Aneurysma. Ob dieses in einem ursächlichen Zusammenhang mit ihrem Kreislaufzusammenbruch steht, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen.«

      Ich bin jetzt völlig konsterniert und ich vergesse Krösing zu fragen, wann er mich entlässt. Hoffentlich bald, denn hier will ich keine Minute länger als nötig bleiben. Es gibt keine Erklärung für meinen Zusammenbruch? Liegt das jetzt an diesen unwissenden Medizinern oder an meinem fehlgesteuerten Körper? Wahrscheinlich an beidem. Die Medizin ist eben alles andere als eine exakte Wissenschaft. Kann sein, kann nicht sein, kann eventuell auch ganz anders sein, mehr Präzision kann man eben von diesen Typen nicht erwarten.

      Überraschender Besuch.

      Ich bin jetzt schon wieder eine Weile zu Hause. Am Anfang war ich besorgt und ich habe auch nicht so toll geschlafen. Dieser plötzliche Zusammenbruch meines bislang immer tadellos funktionierenden Körpers beschäftigt mich schon. Vor allem, weil die Ärzte keine plausible Erklärung dafür geliefert haben. Ich schlucke die Pillen, die sie mir verschrieben haben, und ich bemühe mich, keinen Gedanken mehr an Krankenhäuser, Aneurysmen und ähnlichen überflüssigen Quatsch zu verschwenden. Die Zeitung berichtet, dass in Afghanistan ein deutscher Offizier einen Luftangriff auf zwei Tanklastzüge verursacht hat. Die Tankwagen sind vorher angeblich von den Taliban entführt worden. Wahrscheinlich ist das eine Lüge, um die Militäraktion zu rechtfertigen. Spielt bei der Vielzahl von Lügen, die sie uns täglich auftischen, allerdings auch keine Rolle. Es heißt, dass man befürchtete, die vollgetankten Fahrzeuge würden als rollende Bomben eingesetzt. Plausibel klingt das für mich nicht, aber ich bin ja nur ein unwissender Zeitungsleser, der willig seine Abonnementsgebühren bezahlt. Überhaupt ist nichts klar in der Berichterstattung über Afghanistan. Aber irgendwie müssen die ja den Einsatz unserer Soldaten dort rechtfertigen, besonders die Toten und Verletzten. Ich bin kein Pazifist und ich weiß, dass ohne den Einsatz der Amerikaner im Zweiten Weltkrieg wir diesen Hitler und seine Mörderbande niemals losgeworden wären. Aber ich weiß auch, dass es keine gerechten Kriege gibt und schon gar keine humanen. Mit was für einem Zeug beschäftige ich mich eigentlich heute? Andrea habe ich seit ihrem Besuch im Krankenhaus nicht mehr gesehen. Sie wollte doch noch einmal wiederkommen, oder? Wahrscheinlich habe ich das Ganze nur geträumt. Kein Wunder bei


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