Die verbannte Braut. Cathy McAllister

Die verbannte Braut - Cathy McAllister


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Henderson. Ich bin entzückt, Eure Bekanntschaft zu machen. Ich habe schon so viel von Euch gehört.“

      Seine Stimme hatte einen rauchigen Klang, als hätte er zu viel Whisky getrunken. Eve lief ein Schauer über den Rücken. Sie fühlte sich zittrig.

      Als er ihre Hand küsste, hatte Eve das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, gleich ohnmächtig zu Boden zu sinken. Wie mochten sich diese Lippen auf ihrem Mund anfühlen? Hatte er schon viele Frauen geküsst? Was für eine dumme Frage! Ein Mann wie er hatte sicher schon unzählige Frauen geküsst, und mehr als das. Männer wie er würden mehr von einer Frau erwarten, als nur einen Kuss. Allein der Gedanke daran ließ sie schwindelig werden.

      „Ganz … ganz meinerseits, MyLord“, brachte sie atemlos hervor.

      Lord Stoneborough hielt ihre Hand ein wenig länger, als schicklich war, ehe er sie langsam losließ. Der plötzliche Verlust der intimen Berührung durch seine große Hand verwirrte sie. Was war nur los mit ihr?

      „Da bist du ja“, riss die Stimme von Tante Caro sie aus ihren Überlegungen. „Wenn ich dich nicht an Deinem grünen Kleid erkennen würde, hätte ich dich gar nicht wiedergefunden, bei all den Leuten hier. Meine Augen werden auch immer schlechter“, klagte die alte Dame und seufzte. Dann blickte sie mit nach vorn geneigtem Kopf auf Lord Stoneborough. „Kenn ich Euch, Sir? Ihr müsst verzeihen, ich bin blind wie ein Maulwurf.“

      Lord Stoneborough verbeugte sich und nahm Tante Caros Hand entgegen, um sie zu küssen.

      „Lord Stoneborough. Euer Diener, Madam. Ich fürchte, wir hatten noch nicht das Vergnügen, einander zu begegnen.“

      „Lord Stoneborough, wie reizend. Ich habe von Euch gehört. Ihr seid im Ausland gewesen, ist das richtig?“

      „Das ist richtig, Madam. In Frankreich. Ich bin wegen des tragischen Todes meines Bruders zurückgekehrt.“

      „Ach, wie furchtbar“, sagte Tante Caro. „Das tut mir außerordentlich leid. Ich wollte Euch nicht an dieses tragische Ereignis erinnern.“

      „Grämt Euch nicht. Ich denke ohnehin ständig daran. – Aber ich bin gerade dabei, das Ganze zu verarbeiten.“

      „Ich weiß, wie schwer das ist. Ich habe erst letztes Jahr meinen Gatten verloren.“

      „Darf ich den Damen eine Erfrischung besorgen? Dann können wir uns über erfreulichere Dinge unterhalten“, sagte Lord Stoneborough.

      Eve fühlte sich mehr als unbehaglich. Zum einen machte dieser Lord Stoneborough sie ganz nervös, zum anderen hatte sie wegen ihrer Maskerade ein ganz schlechtes Gewissen. Hätte sie sich doch bloß nicht darauf eingelassen.

      „Er scheint viel netter zu sein, als sein Ruf“, stellte Tante Caro fest, nachdem Lord Stoneborough zum Erfrischungsstand gegangen war.

      „Was … was hat er den für einen Ruf?“, fragte Eve neugierig und noch immer von dem faszinierenden Mann schwer beeindruckt.

      „Er hat vor einigen Jahren einen Mann getötet“, erzählte Tante Caro in gedämpften Tonfall. „So sagt man jedenfalls. Es soll ein heimliches Duell gegeben haben. Man konnte ihm aber nichts nachweisen. Gerede gab es natürlich trotzdem. Zudem ist er ein Spieler und seine letzte Mätresse, Vicky Loraine, schwört, dass er der Teufel in Person ist. Ihrer Meinung nach hat er noch viel mehr Morde auf seinem Gewissen. Lord Stoneborough ist wegen der Skandale nach Frankreich gegangen. Am Tag seiner Abreise, oder sollte man es Flucht nennen?, hat ein Schneiderbursche Miss Loraine eine Lieferung bringen wollen. Er berichtete später, die ehemalige Mätresse des Lords sei ein furchtbarer Anblick gewesen. Grün und blau geschlagen und mit gebrochener Nase. Sie hat dazu niemals etwas gesagt, aber es schien eindeutig, wer dahinter gesteckt hatte.“

      Eve hatte Mühe, die beschriebenen Taten mit dem Mann in Verbindung zu bringen, der ihn so ein betörendes Lächeln geschenkt hatte.

      „Aber warum bist du dann so freundlich zu ihm gewesen?“, wollte Eve wissen.

      „Es ist nicht gut, ihm zu zeigen, dass man zu viel weiß“, flüsterte Tante Caro. „Entweder ist das alles gar nicht wahr, oder die Gerüchte stimmen. Aber wenn sie stimmen, dann kann es lebensgefährlich sein, sich Lord Stoneborough in den Weg zu stellen.“

       Kapitel 3

      Ronan begab sich zu dem langen Buffet, welches am anderen Ende des Raumes aufgebaut war. Diese Miss Henderson war eine glänzende Schauspielerin. Ganz die jungfräuliche Unschuld. Wenn er nicht genau wüsste, was für eine liederliche Person sie in Wirklichkeit war, hätte er ihr die gelungene Komödie sogar abgenommen. Kein Wunder, dass sein unerfahrener Bruder ihr in die Falle getappt war. Wie sehr musste es ihn zerbrochen haben, plötzlich ihr wahres Gesicht kennenzulernen. Groll kochte in ihm hoch und er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Er musste sich zusammenreißen. Niemand hier sollte ihm seine innere Erregung ansehen. So öffnete er die Fäuste und setzte ein leichtes Lächeln auf. Ja, auch er war ein guter Schauspieler.

      „Was darf es sein, Sir?“, fragte das Mädchen am Erfrischungsstand mit einem professionellen Lächeln auf den Lippen.

       Noch eine Schauspielerin hier.

      „Drei Glas Punsch bitte!“

      „Gerne, MyLord. – Hier bitte schön. Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?“

      „Danke. Das ist auch schon alles“, antwortete Ronan höflich und schenkte dem Mädchen sein strahlendstes Lächeln, was sie prompt erröten ließ.

      Er konnte es also immer noch. Selbst sein Ruf hatte nicht dazu beitragen können, dass die Frauen nicht von ihm betört waren.

      Mit den drei Gläsern in den Händen machte sich Ronan auf, zu den Damen zurückzukehren. Als diese Henrietta in sein Blickfeld kam, blieb er kurz hinter einem großen Blumenkübel stehen, um sie genauer betrachten zu können. Er musste feststellen, dass, zumindest was das Äußere anbelangte, sein Bruder sehr viel Geschmack besessen hatte. Henrietta Henderson war eine Schönheit. Ihre Porzellanhaut war makellos und ihre blonden Locken glänzten golden im Licht der vielen Kerzen. Sie hatte eine tadellose Figur mit kleinen, festen Brüsten, soweit er das beurteilen konnte, und eine schmale Taille. Ihre blauen Augen waren riesig in ihrem herzförmigen Gesicht und wurden von langen Wimpern umrahmt. Gerade leckte sie sich mit einer rosa Zungenspitze über ihre fein geschwungene Oberlippe und Ronan registrierte erstaunt, dass er hart wurde.

       Verdammt!

      Beinahe hätte er eines der Gläser zwischen seinen Fingern zerbrochen. Was war nur los mit ihm? Er verlor sonst nie die Kontrolle über sein Verlangen. Erst recht nicht, wenn es um eine Frau ging, die er aus tiefsten Herzen verabscheute. Er musste sehr vorsichtig sein, wenn er seinen Plan in die Tat umsetzte. Dieses Weib war noch gefährlicher, als er gedacht hatte.

      Ronan atmete tief durch, und als er das Gefühl hatte, wieder Herr der Lage zu sein, setzte er seinen Weg fort.

       Kapitel 4

      Eve fühlte sich erhitzt. All die vielen Menschen, die unzähligen Kerzen und der ungewohnte Alkohol stiegen unangenehm warm in ihr auf. Sie war froh, dass dieser verwirrende Lord Stoneborough sich seit gut einer halben Stunde entschuldigt hatte, um ein paar Kontakte aufzufrischen, wie er sagte. Dieser Mann war äußerst gefährlich. Nicht nur der Gerüchte wegen, die um ihn kursierten. Auch die mehr als unpassenden Gefühle, die er in ihr auslöste, machten ihn zu einer Bedrohung. Eve hatte nur wenig Erfahrung im Umgang mit Männern, aber sie verstand sehr wohl, wenn ein Mann so offensichtlich mit ihr zu flirten versuchte. Einmal mehr bereute sie, dass sie sich auf dieses Spiel eingelassen hatte. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Cousine keine Probleme damit gehabt hätte, diesen Lord Stoneborough um ihren kleinen Finger zu wickeln. Doch Eve hatte nichts von der weiblichen Raffinesse ihrer Cousine. Sie waren eigentlich so unterschiedlich, wie Tag und Nacht. Dass Tante Caro noch nichts aufgefallen war, grenzte an ein Wunder.


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