Magische Bande. Dennis Blesinger

Magische Bande - Dennis Blesinger


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du vorbeikommen?«

      »Ich bin in zwanzig Minuten da.«

      13

      »Wenn ich das Ritual richtig verstanden habe, dann war die Lücke, die wir im Schutzkreis gefunden haben, kein Zufall. Im Gegenteil. Der Schutzkreis macht überhaupt keinen Sinn.« Sven blickte von seinen Aufzeichnungen auf und betrachtete die beiden Personen vor ihm. Sowohl Marc als auch Vanessa hatten dunkle Ringe unter den Augen und machten einen angespannten Eindruck. Eine kurze Berichterstattung über die astrale Kommunikation der beiden mit Nadja hatte nicht zu seiner Beruhigung beigetragen, im Gegenteil.

      »Alles in dem Raum«, fuhr er fort, »alle Symbole, alle Artefakte, einfach alles war darauf ausgelegt, diesen Dämon zu beschwören. Und wenn ich das richtig interpretiert habe, ist das einer von der Sorte, die man nicht in der Nachbarschaft haben will.«

      »Naja, dann macht ein Schutzkreis schon Sinn, finde ich.«

      Sven schüttelte den Kopf. »Nicht in diesem Fall«, berichtigte er Marc. »Wahrscheinlich waren die meisten Zeichen nur dafür da, um die Teilnehmer in die Irre zu führen. Dämonen dieser Sorte ernähren sich von der Substanz anderer Ebenen. Das, was ihnen die meiste Nahrung liefert, ist die Lebensenergie anderer Lebewesen.« Er hob die Hand, als Marc einen weiteren Einwand einbringen wollte.

      »Diese Dämonen sind auch dafür bekannt, dass sie gerne Pakte schließen. Das ist selten. Normalerweise sind Manifestationen von anderen Ebenen eher stumpfsinnig und können sich nicht oder nur schwer mit Lebensformen der anderen Ebenen verständigen.«

      »Was für ein Pakt?«, fragte Vanessa.

      »Oh, das Übliche«, meinte Sven. »Macht, Unsterblichkeit, was auch immer. Im Gegenzug verlangt der Dämon in der Regel eine Bezahlung.«

      »Nahrung.«

      »Richtig.« Sven nickte Vanessa zu. »Ob du es Lebensenergie, Essenz, oder auch Seele nennst. Das, was einen Menschen, eine Lebensform ausmacht, ist das, was diese Art von Dämon haben möchte.«

      »Warum hat er dann nicht einfach alle umgebracht, Samael seine Bezahlung gegeben und sich wieder verzogen? Warum hat er so ein Blutbad angerichtet?«

      »Da bin ich noch nicht ganz sicher«, gab Sven zu. »Aber Dämonen, speziell höhere Dämonen, brauchen eine Hülle, um auf dieser Ebene, in dieser Welt agieren zu können. Ohne Körper sind sie nur unstoffliche Wesen, die im besten Falle Gegenstände bewegen, aber keine Lebewesen beeinflussen können.«

      »So wie Poltergeister?«, versuchte Marc das eben Gesagte richtig einzuordnen.

      »Genau. Das Problem ist, dass es nicht so einfach ist, sich eine Hülle zu besorgen. Um jemanden zu … zu besitzen, um in seinen Körper einzudringen und ihn zu kontrollieren, ist ein gewisses Maß an Einverständnis des Wirtes notwendig.«

      »Samael wollte, dass der Dämon von ihm Besitz ergreift?« Vanessa blickte fassungslos von Sven zu Marc, der ebenso verwirrt wirkte, wie sie.

      »Du kanntest den Mann besser als ich.«

      Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, während Vanessa über Svens Bemerkung nachzudenken schien. Dann schüttelte sie schaudernd den Kopf und signalisierte Sven, fortzufahren.

      »Naja, wie dem auch sei, Samael hat, wie ich denke, einen Pakt mit dem Dämon geschlossen. Die Bezahlung waren wohl die anderen Teilnehmer der Gruppe. Aber irgendwas muss schiefgelaufen sein. Spätestens Nadja, die überlebt hat, war nicht eingeplant. Und auch nicht, dass wir ihm den Schädel einschlagen. Damit ist der Teil des Paktes schon mal hinfällig. Samael wird seine Bezahlung erst erhalten, wenn er seinen Teil des Deals erfüllt hat. Sofern er die ganze Geschichte denn überhaupt in der einen oder anderen Form überlebt hat.«

      »Was meinst du?«

      »Naja, Dämonen sind nicht eben bekannt dafür, dass sie sonderlich gutmütig sind. Speziell, wenn es um ihre Bezahlung geht. Wenn der Dämon der Meinung ist, dass Samael die Sache verbockt hat, dann stehen die Chancen gut, dass er sich ihn oder auch seine Seele einverleibt hat.«

      »Aber warum? Ich meine, warum ist Nadja dann noch am Leben? Ich versteh das nicht«, meinte Marc. »Wenn sie drüben ist, wo immer das auch ist, warum bringt er sie dann nicht einfach um? Warum tut er ihr das an? Was will er von ihr?«

      »Dämonen können ohne Körper nicht lange auf anderen Ebenen existieren. Er braucht einen Körper, um dauerhaft in diese Welt zurückkehren. Oder einfach genug Zeit und Energie, um sich einen eigenen zu formen. Und das dauert sehr lange, unter Umständen Jahre. Und er darf dabei nicht gestört werden.«

      »Und der Körper muss ihm überlassen werden.« Marc dachte an das zurück, was er von der Unterhaltung zwischen Nadja und ihrem Peiniger mit angehört hatte. »Warum bringt er sie nicht einfach um?«

      »Tote Körper sind nutzlos«, erklärte Sven, dabei Vanessas schockierten Gesichtsausdruck ignorierend. So sehr ihnen allen das Wohlergehen Nadjas am Herzen lag, so mussten sie im Moment eine gewisse Rationalität bewahren. »Es muss noch ein wenig Leben in ihnen sein.«

      »Okay. Das gibt uns ein bisschen Zeit.«

      »Warum?«

      »Ich glaube, Nadja hat begriffen, was passiert«, erklärte Marc. Er wiederholte das, was er während seiner Traumphase gesehen und gehört hatte.

      »Sie hat ihn angespuckt?« Sven blickte Marc fassungslos an.

      »Nadja ist einer der stursten Menschen, die ich kenne«, wandte Vanessa ein. »Da wird er was dran zu kauen haben. Aber auch das wird nicht ewig anhalten. Irgendwann wird sie unter dem Druck zusammenbrechen.«

      »Was ich viel erstaunlicher finde, ist der Umstand, dass sie es geschafft hat, ihren Geist von ihrem Körper zu lösen. Wo hat sie das gelernt?«

      Marc schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht war es reiner Instinkt.« Er überlegte. »Was ist mit dem Ring?«, fragte er Sven nach einer Weile. »Was hat es damit auf sich?«

      Sven schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Ich habe keinen Ring gefunden, als wir den Keller durchsucht haben. Samael hatte einen an, aber das habe ich nicht beachtet. Der hatte mehr Schmuck am Körper und okkulte Symbole auf seinen Klamotten, als ich im Laden habe. Ich müsste die Symbole sehen, die darauf eingraviert waren.« Er überlegte. »Aber du hast recht«, fuhr er schließlich fort. »Der Ring ist wichtig. Wenn ich mich richtig erinnere, dann haben den Leichen, die im Keller lagen, unter anderem die Ringfinger gefehlt.«

      Erneutes Schweigen herrschte, während sie nachdachten. Marc musste sich konzentrieren, seine Gedanken nicht zu den Bildern abschweifen zu lassen, die immer noch in seinem Kopf aufblitzten. Bilder von Nadja, wie sie zusammengekauert und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag und methodisch verstümmelt wurde.

      »Samael hatte so einen Ring an?«, meinte er schließlich, mehr laut nachdenkend, als dass er eine Frage stellte.

      »Das glaube ich zumindest«, meinte Sven. »Wieso?«

      »Wir könnten ihn wieder ausbuddeln und den Ring untersuchen.«

      Sven schüttelte den Kopf. »Der Riss ist genau über Samaels Grab entstanden. Was auch immer sich in dem Grab befunden hat, ist wahrscheinlich bereits drüben.«

      »Und selbst wenn nicht«, wandte Vanessa ein, »Wir können das Grab nicht wieder öffnen, ohne an den Riss herankommen. Der hängt genau darüber. Und dann könnten wir auch gleich klingeln, um zu zeigen, dass wir da sind.«

      Marc war die Erwiderung, die er hervorbringen wollte, deutlich anzusehen, Vanessa kam ihm jedoch mit einem Kopfschütteln zuvor.

      »Was mich daran erinnert, dass wir vergessen haben, die Alarmanlage zu installieren.«

      Sie stand auf und stieg die Treppe zum Dachboden hinauf. Die beiden Männer blieben einige Sekunden lang sitzen, dann kamen sie zeitgleich zu dem Schluss, dass Vanessa, wie sooft, diejenige war,


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