Usbekisches Reisetagebuch. Ludwig Witzani

Usbekisches Reisetagebuch - Ludwig Witzani


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Land mit eiserner Hand und verfolgte jede Art von Widerstand mit gnadenloser Härte, ganz gleich, ob es sich um die demokratische Opposition oder um islamistische Terroristen handelte.

      Die Einreise in Usbekistan war völlig problemlos, wenn man davon absah, dass kaum englischsprachige Zollformulare aufzutreiben waren. Viele Einreisende mussten russischsprachige Formulare ausfüllen und hoffen, dass sie ihre Informationen in die richtige Spalte eingetragen hatten. Machte aber nichts, denn der Passbeamte warf kaum einen Blick darauf. An touristischen Besuchern schien es trotz der angespannten Weltlage nicht zu mangeln. Vor allem ältere Menschen wollten am Abend ihres Lebens noch einmal den Orient als Gruppenreisende erleben.

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       Der Syr Darja im Ferghanatal

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       Der Amu Darja zwischen Chiwa und Buchara

      

      Die Stadt Taschkent zählt 2,7 Millionen Einwohner. Obwohl die Umgebung der Stadt seit ewigen Zeiten bewohnt ist, entstammt sie selbst der Shaibanidenzeit, d. h. dem 16. Jahrhundert. Eine Zeitlang gehörte sie zum Khanat von Kokand, dann zum Reich der Dzungaren, ehe die Russen kamen und mit ihnen die demografische Expansion (nicht zuletzt durch massive russische Zuwanderung und die Verbesserung der Gesundheitsfürsorge).

      Unser usbekischer Guide Amir war ein gutgelaunter Mensch mit einem Bauch wie ein Fass und einem Entengesicht. Er sprach ein ausgezeichnetes Deutsch und war angenehm in seinen Umgangsformen. Waren das die Moslems, die wir uns wünschen? Auf den Propheten hält er große Stücke, findet aber nichts dabei, Schweinefleisch zu essen und Wodka zu trinken. Für uns tauschte er usbekische Som zum Kurs von 1 zu 3.500. Da freuten wir uns, denn der offizielle Kurs in der Bank lag nur bei 1 zu 3.000 Som. Erst später sollten wir erfahren, dass er uns übers Ohr gehauen hatte, denn der wirkliche Schwarzmarktkurs lag bei 1 zu 5.000.

      Als wir vom Flughafen in die Stadt fuhren, passierten wir unübersehbar weite Plätze, breite Straßen, ein sauberes Novosibirsk in Zentralasien. Zu meiner Überraschung waren die meisten Fahrzeuge weiße Chevrolets. Wie Amir erklärte, betrieb die usbekische Regierung ein Joint-venture mit General Motors, nach dem in Asaka, im äußersten Osten des Ferghanatals, Jahr für Jahr Hunderttausende Chevrolets hergestellt werden. Dass sie weiß sind, meinte Mischa, sei einfach eine Kostenfrage. Vielleicht wollte der usbekische Mann das Privileg der Farbe auch seiner Gattin vorbehalten.

      Das Hotel war gut, auch das Bad und die Betten waren super. Wir aßen einen Salat zur Nacht, gönnten uns dazu ein großes Bier. Der junge Ober, der uns bediente, verstand kein Wort, ging aber einher mit dem Gesichtsausdruck eines beleidigten Kriegers.

      Am nächsten Morgen schafften wir es gerade noch, einen Kaffee im Bett einzunehmen, dann mussten wir uns schon zum Frühstück sputen. Uns erwartete ein weitgehend abgegrastes Buffet mit Käse und Wurstresten, aber sehr dünnem Kaffee. Punkt 9.00 Uhr wartete Amir mit dem Wagen vor dem Hotel. Er wurde von einem Chauffeur gesteuert, der den ganzen Tag ein mürrisches Gesicht zog, das sich erst aufheiterte, als ich ihm am Abend das Trinkgeld gab.

      Taschkent als Stadt bietet Gelegenheit, sich an die usbekische Wesensart zu gewöhnen. Sensationelle Sehenswürdigkeiten wird man eher in Chiwa, Buchara und Samarkand suchen müssen. Immerhin waren im Nordosten der Stadt im Jahre 2007 einige Medresen und Moscheen so aufwändig restauriert worden, dass bei einem Besuch Taschkents kein Weg an ihnen vorbeiführte. Im Entengang marschierte Amir mit uns durch das Kaffat Shashi Mausoleum und die Medrese Barak Khan, erzählte dieses und jenes und erwies sich als kenntnisreicher Cicerone. Manchmal, wenn er etwas besonders Wichtiges vortragen wollte, stoppte er abrupt, blinzelte in die Sonne und begann mit der Einleitung „Sehr verehrte Herrschaften“ eine Ansprache in einem Stil, als hätte er einhundert Personen vor sich. Wie sich bald herausstellte, waren Rückfragen von unserer Seite willkommen, denn dann straffte sich Amir und setzte mit „Sehr verehrte Herrschaften“ noch einen drauf. In der Medrese Barak Chan führte er uns zu den Wohnzellen der Studenten, die eben hier an der „Hochschule Al Biruni“ studierten. „Sehr verehrte Herrschaften,“ begann er erneut, „Wer war Al Biruni?“- was natürlich nur eine rhetorische Frage war, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Kenntnisse zu zeigen. Wie sich herausstellte, war Al Biruni ein Universalgelehrter, der um das Jahr 1000 lebte, jede Menge Sprachen beherrscht hatte und besonders als Sammler von Hadhiten berühmt geworden war. „Sehr geehrte Herrschaften“, setzte Amir nach „Was ist ein Hadhit?“ Hadhiten sind autorisierte Aussagen und Geschichten aus dem Leben des Propheten, die neben dem Koran eine wichtige Quelle der muslimischen Überlieferung darstellen. erklärte Amir. Danach war erst einmal Pause angesagt, und wir setzten uns auf eine Wiese, um den Anblick der Moschee und der Medrese auf uns wirken zu lassen.

      Das ästhetische Erlebnis der Medresen und Moscheen war fantastisch. Wie schon im Iran konnte ich mich nicht sattsehen an der Harmonie der Raumaufteilung, dem Schwung der Iwane und der wuchtigen Kraft der Türben. Ich setzte mich in den Schatten eines Baumes und versuchte zu ergründen, warum mich der Anblick der iranisch-zentralasiatischen Architektur so begeisterte. Wahrscheinlich beruhte sie auf einem Mehrfachen: Dem Nebeneinander dreier architektonischer Formen: erstens der großen iranischen Iwane, zweitens der runden Türben und drittens auf den Minaretten, die die Usbeken in ihrer besonderen Bauweise als „Leuchttürme“ verstehen wollen, die in meiner Wahrnehmung aber eher Schornsteinen glichen. Die Medresen war an ihren Frontseiten mit wundervollen Fayencen, meist in Blau- und Grüntönen, „den Farben des Paradieses“ gestaltet und sie waren mit sicherem Geschmack über Raumaufteilung und Proportionalität auf großen Plätzen voneinander getrennt bzw. aufeinander bezogen worden.

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       Usbekisch-zentralasiatisches Minarett

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       Osmanisches (türkisches) iranisches und marokkanisches

       Minarett

      

       Im Koran-Museum besichtigen wir den sogenannten „ältesten Koran der Welt“. Die Usbeken behaupten, es handele sich um eine der sieben Urabschriften des ersten Korans aus dem 7. Jahrhundert, den der Mongolenfürst Timur bei seinem Raubzug nach Bagdad erbeutet und nach Usbekistan gebracht hatte. Es soll sich um den Koran Kalif Othmans handeln, der bei der Lektüre dieses Buches ermordet worden sein soll. Auf meine Nachfrage hin erklärte Amir, dass ein gewisser Al-Farsi, der zuerst Zoroastrier, Buddhist und dann Christ gewesen sei, um am Ende Mohammed als dem Vollender aller Offenbarung zu folgen, an der Erstellung des Korans maßgeblichen Anteil gehabt hatte. Alles, was der Erzengel Gabriel dem Propheten erzählt habe, sei anschließend dem Al-Farsi in die Feder diktiert worden. Die 114 Suren, die auf diese Weise das Licht der Welt erblickten, so Amir, seien das endgültige, unveränderbare und für alle Zeiten geoffenbarte Wort Gottes, fuhr Amir fort, und ich fragte mich, ob ihm wirklich klar war, was er da sagte, denn es gab zahlreiche Suren, die sich widersprachen oder die unverblümt zu Täuschung und Gewalt gegen Ungläubige aufriefen. Sollte das wirklich unabänderlich sein? Außerdem war es natürlich Unsinn, daß der Koran als eine autorisierte Schrift bereits zu Lebzeiten des Propheten entstanden sein sollte. Es gab mindestens vier unterschiedliche Fassungen, die erst im 10. Jahrhundert vereinheitlicht wurden. Sollte ich das einwenden? Natürlich nicht. Schließlich waren wir im Ausland, da wollte ich kein Klugscheißer sein.

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       Kaffat Sashi Mausoleum in Taschkent

      

      In einer Medrese, in der die fünf Uhrzeiten des Gebetes dargestellt wurden, erläuterte Amir die fünf Voraussetzungen der Gebete: Sauberkeit des Körpers, der Kleidung, des Platzes, die Richtung gen Mekka und die rechte Verhüllung (bei den Frauen selbstverständlich


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