Jenseits des Himalaya. Murdo MacDonald-Bayne

Jenseits des Himalaya - Murdo MacDonald-Bayne


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ist nicht die

       Wahrheit

      . Du bist nur ein bloßes Grammophon, das die Scheiben wechselt. Du musst der Mu­siker und die Musik zugleich werden, nicht bloß einem anderen zuhören. Deswegen, mein Sohn“, sagte er, „musst du die Schöpfungen des Geistes in der Reaktion auf andere verstehen, auf äußere Dinge. Du musst die Falschheit dieser Schöpfungen erkennen, denn sie sind bloß Asche, nicht die

       lebendige Wahrheit

      , die weder zerstört noch verdreht werden kann, weil

       sie

      nicht durch das Denken zusammengesetzt wird.“

      Nachdem er das gesagt hatte, blieb er still – und auch ich war still… Ja, mein Denken hatte sich in jenem kurzen Zeitraum ei­nem Wandel unterzogen. Was ich gelernt hatte, war in den Hinter­grund getreten und die

       Wirklichkeit

      trat nach vorn. Es war ein eigenartiges Gefühl, ähnlich dem, das ich zuvor hatte, aber es war stärker, eine Stille, die tiefer war; in einem Blitz schien sich alles aufzulösen, was ich von der

       Wahrheit

      gelesen oder gehört hatte. In jener tiefen Stille erkannte ich etwas, ohne zu wissen, was es war, aber in einer größeren Tiefe als jemals zuvor erkannte ich, dass ich die

       Wahrheit

      war, dass ich

       jetzt

      die

       lebendige Wahrheit

      

      war und nichts weder

       sie

      noch mich zerstören konnte, dass nichts die

       Wahrheit

      verdrehen konnte. Sie war meine eigene

       Wahrheit

      , nicht die Wahrheit anderer.

      Von hier aus konnte ich weitergehen. Ich wusste damals, dass ich von eben jenem Augenblick an voranschreiten konnte, ohne Mühe und Ringen. Zuvor war die

       Wahrheit

      für mich bei Weitem ein gedankliches Konzept gewesen und ich hatte mich dieser Tatsache nicht stellen können, weil ich nicht loslassen wollte, was ich für wahr hielt. Aber nun konnte ich mich jeder Tatsache stellen, egal was es war, gut, schlecht oder mäßig. Ich erkannte, dass ich die

       Wahrheit

      nicht ändern konnte – die

       lebendige Wahrheit

      – von der ich wusste, dass ich sie selbst

       sei

      , und ich wusste, dass die

       Liebe

      , die mich erschaffen hatte, alles erschaffen hatte. Das war die

       Macht

      , die dem Menschen im Him­mel und auf Erden gegeben war.

      Mein Denken ging in der

       Stille

      auf, aus der

       schöpferisches Denken

      entsteht, und während sich meine verwirrten Gedanken in Nichtvorhandensein auflösten, verwirklichte ich jenes, was kein gedankliches Konzept war. Ich hatte die

       Stille

      erreicht, in der es

       vollkommene Liebe

      gab – jen­seits des menschlichen Begriffsvermögens der

       Liebe

      .

      Dieses war keine tote Stille, als hätte man mich gebettet, oder eine Stille, die ich selbst erschaffen hätte; es war eine Stille, in der alles verwirrte Gedankengut, das Denken selbst, endete, und in jener Ruhe, als das Äußere mich nicht länger festhielt, fand ich die Schaffenskraft, die

       ewig

      und

       allgegenwärtig

      ist, und ich wusste, dass ich eins mit

       ihr

      war. Sie war mein,

       jetzt

      

      und für immer, und niemand konnte

       sie

      mir nehmen. Die

       Liebe

      war die schöpferische

       Kraft

      in aller Schöpfung, weil

       Gott

      die

       Liebe

      ist und alle

       eins

      mit

       ihm

      sind, weil es niemanden Anderen gibt, aber

       er

      ...

      Es war Geshi Rimpoche, der die Stille brach. „Lass uns hinausgehen und die Sonne untergehen sehen, mein Sohn“, sagte er.

      Ich antwortete, dass ich das gern täte; ein Sonnenuntergang hat es nie verfehlt, mir eine Erregung zu bereiten.

      „Es ist jeden Abend ein anderer Sonnenuntergang“, bemerkte ich.

      „Ja“, antwortete er, „ich habe der Sonne nun seit vielen Jahren beim Auf- und Untergehen zugesehen, und keine Zwei sind je dieselben gewesen. Es ist die Vielfalt des

       einen Lebens

      , mein Sohn. Du und ich, wir stammen aus demselben

       Leben;

      der einzige Unterschied ist die Vielfalt. Wenn wir die Vielfalt ver­stehen, wissen wir, dass

       ‚einer‘

      allein hinter alledem steht.“

      Nichts richtete mich mehr auf als die Worte Geshi Rimpoches; sie bewirkten es, meine ganze Natur umzuwandeln. Es handelte sich nicht um ein intel­lektuelles Wissen, sondern es fanden ein tieferes Verstehen und eine Umwand­lung statt. Ich hatte die Quelle gefunden und ich war zufrieden, zufrieden jetzt voranzuschreiten. Es gab kein Suchen oder Ringen mehr; mein Suchen und Ringen zu wissen, was die

       Wahrheit

      war, war zu einem Ende gekommen.

      Jetzt war eine Vorwärtsbewegung vonnöten und alles, was ich hören, sehen und fühlen würde, so wusste ich, würde mir wie nie zuvor helfen; denn während ich zuvor darüber nachgedacht hatte, was wirklich wäre, wusste ich jetzt, dass es nicht das

       Wirkliche

      war – das

       „Unerschaffene“

      allein war

       wirklich

      und schöpferisch, nicht das Erschaffene. Das wusste ich und was darauf folgte, wenngleich es erstaunlich war,


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