Das magische Armband. Janine Zachariae
irgendwas veranlasste mich dazu aufzublicken.
Er stand da und bezahlte gerade. Kurz blickte er in meine Richtung und ein Schauer durchlief mich. Er kam mir so bekannt vor! Es musste ihm ähnlich ergangen sein, denn er drehte sich - kurz bevor er den Laden verließ - noch einmal um. Er sah unglaublich gut aus. Wow! Plötzlich nahm ich mein Armband wahr. Es war wie ein Kribbeln, welches davon ausging. Ich umfasste es mit der anderen Hand und spürte irgendwas.
Aber ich konnte es nicht unterordnen. Und kurz war mir, als würde der Anhänger aufleuchten. Die Blüte, die an dem Armband hing, war wunderschön. Welche Blume es sein sollte, wusste ich nicht, aber es war ein schönes Blau. Nicht einmal das Material konnte ich zuordnen. Auf jeden Fall hatte es die Farbe von Silber. Irgendwas faszinierte mich an ihm. Egal, ich würde ihn eh nie wiedersehen.
Nachdem ich aufgegessen hatte, fragte ich kurz die Verkäuferin - als es gerade ruhig war -, wo ich jene Straße finde, in die ich hinmusste. Sie beschrieb den Weg, was gar nicht so weit von hier war. Sehr schön, denn ich war müde und wollte Duschen und - vor allem - auf die Toilette. Im Zug konnte ich nicht. Nicht nur, weil ich öffentliche WCs versuchte zu vermeiden, es ging auch um meine Sachen. Schließlich wollte ich es nicht riskieren, dass sie geklaut werden. Keine zehn Minuten später schloss ich die Tür zu unserem neuen Haus auf. Die Umzugsfirma war bereits weg und alle Kisten und Möbel waren in den dementsprechenden Räumen. Es war gut, denn so konnte ich alles einräumen, ohne es zu lange stehen zu lassen. Aber erst einmal musste ich in mein eigenes Badezimmer. Ich kramte meine Kulturtasche raus und meine Kosmetikartikel fanden direkt platz auf dem Regal über dem Waschbecken und unter dem Spiegel. Die Dusche war wohltuend. Ich fühlte mich sehr schmutzig und ekelhaft.
Einseifen, Beine rasieren, Haare waschen und hinterher benutzte ich eine Bodylotion, doch all das machte ich nur nebenbei, denn meine Gedanken kehrten immer wieder zu dem Mann beim Bäcker zurück und die Reaktion meines Armbandes darauf. Was hatte das nur zu bedeuten?
Anschließend fühlte ich mich erfrischt genug, um in die Stadt zu gehen. Nur noch die Haare föhnen, etwas Make-up und ich war wieder Ich. Das Stadtzentrum war nicht weit vom Haus entfernt. Mein erstes Shopping Ziel war ein Klamottenladen für Jugendliche. Dort gab es die neusten Trends und Accessoires für den Spätsommer/Herbst. Mit drei vollen Tüten verließ ich den Laden und machte mich auf zu einem Schuhgeschäft. Auch dort besorgte ich mir direkt zwei neue Paar. Aber es war okay mit dem Schleppen.
Als ich anschließend ein wenig schlenderte, entdeckte ich wieder diesen Mann von vorhin. Er hatte dunkle Haare und - auch wenn ich ihn nicht direkt sehen konnte - sah er umwerfend aus. Ich musste mich noch ein paar Mal umdrehen. Bis er irgendwann weg war und ich mit einem seltsamen Gefühl nach Hause ging. Es war so eigenartig. Wie eine unsichtbare Anziehung. Ein Kribbeln durchfuhr mich.
Meine neuen Klamotten sortierte ich und schmiss sie, farblich getrennt, in die Waschmaschine. Waschmittel hatte ich ebenfalls besorgt und es roch sehr lecker. Den restlichen Tag verbrachte ich mit dem Einrichten meines Zimmers. Bezog mein Bett, zog mich um, machte meine abendliche Routine im Bad und ließ mich aufs Bett nieder. Es hat nicht lange gedauert und ich war eingeschlafen.
Dieses Mal träumte ich von dem unbekannten Mann. Mitten in der Nacht erschrak ich, weil ich ein Geräusch am Fenster hörte. Ich verkroch mich unter meine Decke. Bevor ich ins Bett ging, hatte ich mir einen Schraubenzieher geschnappt und ihn unters Kissen gelegt. Ja, ich hatte furchtbare Angst. Alleine in einem fremden Haus, in einer mir unbekannten Stadt und dazu donnerte es. Ich hatte entsetzliche Angst. Wir hatten zwar eine Alarmanlage, aber in den Filmen funktionierte das auch nie. Mein Kuscheltier, welches ich, seit meiner Geburt hatte, hielt ich ganz fest gedrückt. Zum Glück war die Nacht bald vorbei und ich konnte durchatmen. Meine Eltern sollten endlich da sein.
Als ich die Kartons meiner Oma in den Keller stellte, stolperte ich und ließ eine fallen. Dabei kullerte jene Kiste raus, die verschlossen war. Die kleine Truhe sah wunderschön aus und ich wollte sie nicht kaputt machen, nur um an den Inhalt zu gelangen. Es war aber auch weit und breit kein Schlüssel zu sehen. Ich durchsuchte schon, während ich es fand, den gesamten Keller. Aber nichts dergleichen tauchte auf. Ich behielt sie bei mir.
Um die Zeit besser über die Runden zu bekommen, erkundigte ich täglich mehrere Stunden die Stadt. Ging in den Park und las oder ich schaute mir die Schule genauer an. Und immer wieder sah ich diesen unbekannten Mann. Es schien, als würde ich direkt zu ihm hinzogen. Mein Armband pulsierte oftmals dabei und manchmal hatte ich das Gefühl, als würde auch er zu mir blicken.
Eine Woche bevor die Ferien zu Ende waren, riefen meine Eltern an und meinten, sie wollen noch einige Tag dranhängen, da mein Dad einen neuen Auftrag bekam, den er unbedingt noch erledigen musste. Was auch immer das bedeutete. Oh Mann. Es nervte. Ich war immer noch sehr jung, viel zu jung, um den ganzen Sommer alleine zu sein, und die Hälfte davon in einer neuen Umgebung.
Verantwortungsvolle Eltern waren es nicht. Ein junges Mädchen alleine in einer fremden Stadt.
Da konnte absolut gar nichts schiefgehen.
8. Schulbeginn
So musste ich mich am ersten Schultag selbst hinbringen und alles im Sekretariat erledigen. Zu meinem persönlichen Glück muss ich allerdings sagen, dass ich verantwortungsbewusst genug war, um das auch zu regeln. Wir fingen, unüblicherweise die erste Woche tatsächlich an einem Montag - nicht Donnerstag - an. Warum? Weil die Schule die Woche davor noch irgendein technisches Problem hatte. Normalerweise sollten doch die sechs Wochen dafür sein, um sich auszuruhen. Aber ich war so froh, endlich wieder einem normalen Alltag nachgehen zu können - jedenfalls hoffte ich das. Als ich zum Klassenzimmer gebracht wurde, verspürte ich so ein leichtes Kribbeln. Es lag an der Aufregung, dessen war ich mir bewusst. Doch als die Direktorin die Tür öffnete, wäre ich fast umgefallen vor Schock.
»Guten Morgen, Frau Direktorin.«
»Guten Morgen, Herr Traum, wir haben eine neue Schülerin, Maja Stark.« Sein Blick schwang zu mir und für einen Moment schien er zu überlegen.
»Hallo, Maja!« Er reichte mir die Hand und ein Schauer durchlief mich.
»Hi«, krächzte ich. Es läutete zum Unterricht und der Lehrer stellte mich der Klasse vor.
»Maja, es ist bei uns üblich, in der ersten Stunde, etwas über die Sommerferien zu erzählen und es wäre toll, wenn du den Anfang machen könntest. So lernen deine Mitschüler dich auch gleich etwas kennen.« Ich blickte mich um und sah so viele fremde Gesichter. Die alle gespannt, kichernd oder gelangweilt dreinschauten.
»Mmh.« Ich schaute in die Augen des Lehrers - das hätte ich lieber nicht machen dürfen. »Wäre es okay, wenn ich mich stattdessen etwas vorstelle.« Herr Traum verschränkte die Arme und nickte. »Danke. Also, mein Name ist Maja Stark, bin 16 Jahre alt und erst letzte Woche hierher gezogen. Die letzten Wochen waren sehr schwer. Meine Eltern sind geschäftlich unterwegs und kommen, glaube ich, erst in einer Woche wieder. Ich lese sehr viel und interessiere mich für Musik. Das waren so die Eckpunkte.«
»Danke Maja, du kannst dich in die erste Reihe setzen.« Ich nahm platz und beobachtete meinen neuen Klassenlehrer. Eigentlich verstand ich kaum, was er sagte oder was die anderen erzählen. Ich hörte zu und würde wahrscheinlich auch manches wiedergeben können, aber ich konzentrierte mich mehr auf den Mann. Er sah viel zu gut aus, um ein Lehrer zu sein. Und diese Augen. Er war der Mann, den ich die letzten Tage immer wieder sah. Er kam mir, je öfter ich ihn ansah, immer vertrauter vor. Unglaublich. Wir bekamen auch direkt die erste Hausaufgabe des Schuljahres auf: einen Aufsatz über die Sommerferien zu schreiben.
»Kann ich dich kurz sprechen, Maja?«, fragte Herr Traum, als es bereits klingelte. Ich blieb stehen. »Wenn du Probleme oder Fragen hast oder wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, dann kannst du jederzeit mit mir reden. Ich bin der Vertrauenslehrer - letztes Jahr ernannt. Und ich würde nach dem Unterricht gerne mit dir über die Abwesenheit deiner Eltern sprechen.«
»Brauchen wir nicht. Bitte erzählen Sie es niemanden. Es ist gut so. So konnte ich über vieles nachdenken und Selbstständigkeit erlernen. Trotz meiner jungen Jahre, ist es okay für mich. Bitte, belassen