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ihre Seele und seine Antwort an sie war eine Einladung, sich durch ihn in ihrer Größe und Schönheit zu erfahren. Er vermochte es, sie in einen Raum einzuladen, der aus völliger Annahme und Wertschätzung bestand. So wie sie war, war sie geliebt. Allein ihre gesellschaftlichen Vorstellungen und Beziehungsmuster kollidierten schmerzhaft mit ihrer Seele, die sich für genau diese Freiheit in Verbundenheit entschieden hatte.

      Der Satz von kleinen Prinzen hing ihr nach. Da hörte sie auf ihrem Rechner eine E-Mail ankommen:

      „Liebe Yasmin,

       in der Stille des Morgens bin ich zu Dir gereist und eingetaucht in das Feld unserer Liebe. Dabei ist ein „Kind“ geboren, was aus unseren Herzensfäden gewoben worden ist, am Beginn dieses neuen Tages, mitten in Afrika:

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, erschafft Dein Herzschlag Welten, in denen die Menschen Heimat haben.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, verbindet Dein Geist, was zusammengehört.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, sehen Deine Augen auf den Grund der Seelen, die zu strahlen beginnen.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, erzeugt Dein Lachen gewaltige Wellen, sodass die Freude aus den Kehlen Vieler zu singen beginnt.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, laden Deine Hände zu gemeinsamen Handeln ein.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, lauschen Deine Ohren dem Klang des Komponisten, der die Universen erschafft.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, dann segnet jeder Deiner Schritte die Erde, auf der Du gehst.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, dann ist jeder Tag ein ganzes Leben.

       Wenn Deine Botschaft Liebe ist, dann bist Du das Wunder des Seins, das in jedem Augenblick geboren wird.

       Hab einen erfüllten Tag voller Liebe, Glück und Zartheit.

       Enrico“

      Der inneren Weisheit trauen

      Yasmin war tief berührt von den Versen, die ihr Enrico gewidmet hatte. Sie wusste, dass es mehr als Worte waren. Und doch gab es in ihr den unbändigen Wunsch nach Nähe und Geborgenheit, die in einem Leben im Alltag wieder zu finden wären. Wieder war der Wunsch nach einem Kind so präsent, dass sie ihn selbst als äußerst massiv empfand. Dass sie kaum noch an ihr Studium dachte, fand sie plötzlich sehr beängstigend. — Welch eine Kluft zwischen ihren Wünschen als junge Frau und ihrer Seele, die sich wiederum nach etwas ganz anderem sehnte.

      Wenn Enrico jetzt hier wäre, wüsste ich gar nicht, wie ich ihm begegnen würde. Ich fühle mich einfach total zerrissen. Was ist mir wirklich wichtig? Wie kann es sein, dass beide Seiten in mir so unterschiedlich sind? Wo bleibt die Freude an meinem Studium? Ich dachte, Liebe macht mich einfach nur glücklich. Wo gehöre ich hin? Fragen über Fragen.

      Sie schwang sich auf ihr Fahrrad und fuhr zur Uni, wo eine wichtige Klausur zu schreiben war.

      In der Uni angekommen, führte ihr erster Weg ans schwarze Brett: Suche ich hier die Antwort?, spottete es in ihr. Sekunden später: Vertraue dir, dein Herz weiß um seinen Weg.

      Wieder zu mir finden

      Was suche ich eigentlich, hier am schwarzen Brett? Yasmins Augen glitten über die vielen Zettel, die recht unübersichtlich an dieser Tafel angepinnt waren. Eine leuchtend orangefarbene Information fiel ihr ins Auge: 'Eine Woche Urlaub im Kloster, zu den Quellen der Kraft. In der Stille der Seele lauschen, in Zeiten des Wandels die Orientierung wiederfinden.' Das ist es, genau. Merkwürdig, wieso ich gerade jetzt diese Einladung finde. Welch ein Zufall? Es fällt mir zu, wunderbar.

      In Yasmin breitete sich so etwas wie Ruhe aus, endlich schien es einen gangbaren Weg zu geben, ihre innere Orientierung wiederzufinden. Passt das überhaupt zu mir, ins Kloster zu gehen? — "Du bist jetzt einfach mal still“, sprach sie zu ihrem Kopf, der ihr sofort verschiedene Gegenargumente liefern wollte. „Ich weiß um deine Klugheit, jetzt geht es aber um mein Herz, das einfach irritiert ist, da kannst du mir nicht wirklich helfen. Je mehr du erzählst, je größer wird die Wirrnis in mir.“

      Yasmin meisterte ihre Klausur mit zielgenauer Leichtigkeit, etwas, womit sie nach dieser inneren Berg- und Talfahrt nicht gerechnet hatte.

      Später schlenderte sie entspannt mit einigen Kommilitonen zur nächsten Eisdiele. Schallendes Lachen kündete auf dem Marktplatz bei Cappuccino und Eis von dieser quirligen Gruppe junger Menschen, die das Leben genossen.

      Leben in diesem einen Augenblick

      Yasmin schaute auf ihr Handy, eine SMS von Enrico war eingetroffen. Eine äußerst humorvolle Spielart Enricos war es, in verschiedenen Dialekten mit Yasmin zu sprechen, was in ihr Freudenströme auslöste und sie von jetzt auf gleich in die Qualität der Leichtigkeit des Seins katapultieren konnte.

       "Ming leev Mädsche, jetzt fang einfach an ze laache, dat mache die in Afrika immer so.

       Da wird jetanzt und jelaat … jeder Tag is ne Fest, ne? Bützsche …

       Enrico"

      Es wurde ganz warm in ihrem Bauch, Welch eine Mischung: Kölsch mit afrikanischem Spirit. Yasmin lachte schallend und ihre Finger flogen über die Tastatur ihres Handys:

      „Liebster,

       mein Lachen erreicht Deine Ufer inmitten der afrikanischen Weite, während ich zeitgleich vor der Eisdiele am Marktplatz sitze. Du bist für mich ein Unikat, so bunt wie ein Harlekin, so weise wie ein Zen-Buddhist, so lebendig wie ein junger, wilder, ungestümer Liebhaber, voller Überraschungen — Abenteurer, Tänzer, Hochseilakrobat.“

      Sie hätte noch weiterschreiben können und an der tiefen Herzensverbindung zu Enrico weben, da spürte sie auf einmal ganz deutlich, wie sich ihre Stimmung veränderte. In ihr wurde es neben der empfundenen Wärme für Enrico — weit, groß und unmittelbar — so als könnte sie den Geruch der Karawane riechen, mit der sie damals durch die Wüste geritten war. — Afrika, das war ihr Zauberwort, dieses Land liebte sie, diese Menschen hatten eine Botschaft für sie.

      Yasmin bemerkte eine Bewegung zwischen zwei Polen in sich: Ihre Liebe, die tief verankert in ihrem Herzen Enrico gehörte, und dieses innere Wissen, dass sie einen Zustand anstrebte, der im Bild der Tuaregs in der Wüste seinen Ausdruck fand und etwas von echter Größe und Freiheit trug. Enrico, obwohl Tausende von Kilometern entfernt, hatte nicht zum ersten Mal gefühlt, was sie genau jetzt in diesem Moment brauchte.

       Alles ist da, jetzt. War es nicht genau das? Leben in diesem einen Augenblick, ganz, total, unmittelbar.

      Wurzeln und Flügel

      Yasmin hatte einen Traum in dieser Sommernacht, an den sie sich noch am nächsten Morgen in allen Einzelheiten erinnerte: Sie ging am Strand entlang, eine glutrote Sonne erstieg dem weiten Meer und tauchte alles in ein faszinierendes Licht. Enrico kam ihr aus der Ferne entgegen. Ihr Herz hüpfte vor Freude. Niemand außer ihm war zu sehen. Als er bei ihr angekommen war, hielt er in seiner rechten ausgestreckten Hand etwas, das sie nicht gleich erkennen konnte; es war ein kleiner Vogel, der in einem Nest saß und brütete, ganz so wie das Rotschwänzchen über ihrem Hauseingang. Er legte dieses Nest in ihre geöffneten Hände, schaute sie zärtlich an, um wenige Augenblicke später in die Richtung zurückzugehen, aus der er gekommen war. Minuten später füllte sich der Strand mit unzähligen Menschen unterschiedlicher Kulturen und die Landschaft wurde immer afrikanischer. Ein Baum von überdimensionaler Größe rückte in den Vordergrund, hinter ihm die glutrote Sonne. Die vielen Menschen bildeten einen Kreis um sie und begannen zu singen, während


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