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einen Job, und im Gegenzug sorgt dessen Frau dafür, dass Jansens Firma den Zuschlag für die TIMO-Rechte bekommt. Großartig! Ich werde TIMO ein Denkmal bauen, und zwar aus Hundescheiße.“

       Kopfschüttelnd stand Ellen auf.

       “Das ist wirklich das Letzte!“ brüllte ich sie an. “Ich komme mir vor wie ein kleiner Protegé von Katharina der Großen. Wenn ich Jansen letzte Woche getroffen und ihn um eine Stelle gebeten hätte, dann hätte er einen Lachanfall bekommen. Aber wenn die große Starautorin mit den TIMO-Rechten vor seinen Augen wedelt, kuscht dieser Idiot natürlich sofort. Hättest du mir das nicht verraten können, ehe ich nach Köln gefahren bin?“

       “Wärst du denn dann nach Köln gefahren?“

       “Bist du verrückt?“ fauchte ich.

       “Ich verstehe nicht, warum du die ganze Sache nicht viel lockerer siehst“, versuchte sie mich zu beruhigen. “Es kann dir doch völlig egal sein, worüber ich mit Jansen geredet habe. Hauptsache, du bist bei FIT und kannst dir dort beweisen, dass du doch nicht so ausgebrannt bist, wie du behauptest. Glaub‘ mir, wenn du gut bist, fragt in ein paar Wochen kein Mensch mehr danach, wie du zu deinem Job gekommen bist.“

       “Zu was für einem Job? Morgen früh ruf‘ ich Jansen an und sag‘ ihm, dass er sich einen andern Versager für seinen Scheißladen suchen kann.“

       Und damit stürmte ich an Ellen vorbei aus dem Zimmer, eilte in den Garten, warf den Rasenmäher an und mähte alles nieder, was mir in den Weg kam. Jedes Mal, wenn ich an Ellens Lieblingsbaum vorbei musste - einer Linde, die sie selbst gepflanzt hatte -, rammte ich ihn kräftig. Zeitweilig sahen mir Herr Freese auf der anderen Seite der Hecke und Vanessa aus ihrem Fenster mit irritierten Blicken bei der Arbeit zu. Als ich fertig war, wurde mir der Grund für die Verwunderung der beiden klar: Ich hatte den Rasen vor vierundzwanzig Stunden zum letzten Mal gemäht.

       Am nächsten Morgen rief ich nicht bei Jansen an. Der Tag war irgendwie einfach zu herrlich. Die Sonne schien, die Vögel sangen, Vanessa hatte blendende Laune. Nur Ellen kam zu ihrem Leidwesen aber auch gar nicht mit ihrem Manuskript voran. Ich saß im Garten und fühlte mich so unbeschwert wie schon lange nicht mehr. Und ich beschloss, es nun doch bei FIT zu versuchen. Ich wollte nicht nur mir, sondern vor allem Ellen beweisen, dass ich zu mehr fähig war als nur zum Joggen. Ich wird‘s dir zeigen, sagte ich mir immer wieder und hätte beinahe meine geballte Faust in die Luft gereckt.

       Dass ich ohne TIMO den Job nie bekommen hätte, störte mich inzwischen nicht mehr. Warum sollte ich TIMO ausgerechnet dafür böse sein? Schließlich sorgte er auch sonst für alles: für die Hypotheken, den Strom, die Marmelade, das Waschpulver und für Vanessas Taschengeld. Für seine Hunderttausende von Lesern mochte TIMO ein Hund sein - für uns war er eine goldene Kreditkarte.

      7

      Toronto ahnte natürlich nichts davon, dass wir zum letzten Mal zusammen joggten. Es war wieder etwas kühler geworden, und am Himmel zogen sich dunkle Wolken zusammen. Als ich mir zu Hause die Turnschuhe zugeschnürt hatte, war ich entschlossen gewesen, ihm endlich die Wahrheit über mich zu sagen und ihm zu erklären, warum ich in der nächsten Zeit nicht mehr zum Joggen kommen würde. Ich wollte ihm vorschlagen, unsere Namen und Telefonnummern auszutauschen, damit wir uns gelegentlich auf ein Bier hätten verabreden können. Doch als er dann im Schlosspark neben mir auftauchte und nach meinem Roman fragte, erzählte ich ihm die letzten zwei Kapitel vom GROSSEN GATSBY und freute mich wie ein kleines Kind, als er mich lobte für diesen wirklich originellen Schluss. Den Frauengeschichten und seinen Millionen, mit denen Toronto mich beeindruckte, hatte ich halt nichts anderes entgegenzusetzen als diesen geklauten Roman.

       Während wir am Rhein entlangliefen, erzählte mir Toronto von seiner letzten Orgie.

       “Eigentlich ist es nichts anderes als Stress, mit drei Frauen gleichzeitig ins Bett zu gehen“, beklagte er sich. “Das war vielleicht eine anstrengende Nacht!“

       Ich empfand so viel Mitleid wie für einen Milliardär, der gerade sechs Richtige auf seinem Lottoschein entdeckt hat.

       “Überall Beine und Brüste und Hintern und . . .“ Er stieß einen Seufzer aus. “Da weiß man gar nicht, wo man zuerst anfassen soll. Sie wissen ja sicher, wie das ist.“

       Klar! Schließlich hatte ich mindestens einmal in der Woche Gruppensex.

       Toronto verlor sich in sämtlichen Einzelheiten. Ich redete mir ein, dass ich im Grunde froh sein sollte, diesem angeberischen Deckhengst zum letzten Mal zuhören zu müssen. Doch nur seinem Geschwätz hatte ich es in den letzten Wochen zu verdanken, dass ich täglich eine Stunde lang meinen Frust völlig vergessen konnte. Ja, ich mochte diesen dekadenten Geldsack, der am liebsten alle Hunde in Düsseldorf mit einem Maschinengewehr erledigt hätte. Konnte ich nicht doch in Verbindung mit ihm bleiben, ohne ihm die Wahrheit über mich sagen zu müssen?

       Der Kontakt mit anderen Menschen machte mir Probleme. Ellen behauptete manchmal, verglichen mit mir sei Molières Menschenfeind ein Partylöwe. Außer meiner Familie stand mir nur mein alter Freund Oliver wirklich nahe. Mit Knut und zwei, drei anderen verabredete ich mich nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ. Auf Ellens und Vanessas Witze über mein Einsiedlerleben reagierte ich meist mit dem Spruch, meine Bücher seien meine besten Freunde. Allerdings blieben die selbst nach dem zehnten Bier so stumm wie ein Fisch.

       Mit Toronto hatte ich endlich jemanden, den ich länger als drei Stunden im Jahr ertragen konnte, aber durch die Angst, mich bloßzustellen, würde ich ihn an diesem Vormittag wahrscheinlich zum letzten Mal sehen. Ich ballte beim Laufen die Fäuste, so wütend war ich auf mich selbst, auf Timo, auf Gatsby und auf die ganze verlorene Zeit seit meiner letzten Fernsehserie vor zwei Jahren.

       Mitten im Bericht über seinen fünften Orgasmus unterbrach sich Toronto und schimpfte: “Mist! Es fängt an zu regnen. Bis Montag!“

       Er nickte mir zu, hob kurz eine Hand und bog in die Kurve. Ich blieb stehen und schaute ihm nach, bis er zwischen den Bäumen verschwunden war. Ich hätte heulen können vor Enttäuschung. Der Regen wurde immer stärker. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich mich zu einem Entschluss durchgerungen hatte. Ich presste die Lippen zusammen und rannte Toronto hinterher. Kurz darauf sah ich ihn etwa fünfzig Meter vor mir auftauchen. Ich lief noch schneller, um ihn einzuholen. Plötzlich drehte er sich um und machte ein erstauntes Gesicht.

       “Was ist los?“

       Ich verlangsamte mein Tempo, hob die rechte Hand und rief: “Bis Montag!“

       Und dann bog ich in den nächsten Seitenweg ein.

      8

      Am Sonntag lernte ich endlich David kennen. Ich saß in meinem Arbeitszimmer, um Abschied zu nehmen. Ab Morgen war ich kein freier Schriftsteller mehr. Im Zweikampf zwischen Melancholie und Erleichterung behielt die Erleichterung die Oberhand.

       Vanessa klopfte an, ehe sie Hand in Hand mit David hereinkam.

       “Hallo, Paps. Das ist David. Und das ist mein Vater.“

       Nach Vanessas Erzählungen hatte ich ihn mir ganz anders vorgestellt: blass, schüchtern, mit einer schlauen Nickelbrille und ganz viel Akne. David war jedoch groß und sportlich, hatte ein Gebiss wie der Kerl auf meiner Zahnpastatube und durchbohrte mich beim Händeschütteln mit einem so intensiven Blick, dass mein Blick irritiert zu seiner Baseballmütze wanderte.

       “Ich helfe Mutti, das Abendessen vorzubereiten“, sagte Vanessa, wobei sie sich anhörte, als hatte sie gerade ihre Stimmbänder auswechseln lassen. Sie klang zwei Oktaven höher als sonst. “Du hast doch nichts dagegen, dass David mit uns isst, oder?“

       “Macht aber bloß nichts Besonderes meinetwegen“, meinte David herablassend, schlang seine Arme um Vanessa und küsste sie. Ich las die Aufschrift auf der Rückseite seines Sweatshirts ungefähr zwanzigmal, dann waren die beiden endlich fertig mit ihrer Küsserei.

       “Kann er bis zum Essen hierbleiben?“ flötete Vanessa, “oder wolltest du noch etwas arbeiten?“

       “Sicher.“

       Ich war allein mit David und bot ihm den Stuhl am Fenster an. Er wollte sich erst die Bücher ansehen und ging langsam mit schräg gehaltenem Kopf die Regale entlang. Entweder er kannte


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