Unter dem Ostwind. Wilhelm Thöring

Unter dem Ostwind - Wilhelm Thöring


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das denn? Was willst du mit dem Fuchs?“

      „Wir könnten ihm den Pelz abziehen. Dann hätte meine Mutter auch einen Fuchs, den sie sich auf die Schultern legen kann.“

      „Und wie willst du ihn fangen, he?“

      „Du nagelst eine Feder an die Klappe, und wenn der Fuchs die berührt, peng, dann knallt die Klappe zu! Um ihn anzulocken, musst du nur etwas Fleisch, ein totes Huhn vielleicht, in den Garten legen. Sonst kommt der nicht. Pass einmal auf ...“

      Edmund hockt sich neben Witold auf den Boden und entwickelt ihm seinen Plan für die Falle.

      Anfangs hört der Witold zu, dann macht er sich unbeeindruckt daran, das Loch weiter zuzunageln.

      „Warum hörst du nicht zu, Witold? Warum probierst du das nicht mit der Falle?“

      „Weil du Kokolores redest.“

      Der Edmund ist beleidigt. Er hockt schweigend neben dem Gehilfen und sieht ihm bei der Arbeit zu und wartet darauf, dass etwas schief gehen, oder dass der Witold sich verletzen könnte.

      „Drück mal mit einem Stein gegen die Latte“, fordert der den Jungen auf. „Dann federt sie nicht, und ich kann die Nägel besser einschlagen.“

      Der Edmund ist aufgestanden. Zum Zeichen, dass er überhaupt nicht daran denke, vergräbt er seine Hände wieder in die Hosentaschen. „Alles, was ihr macht, ist so ... so einfach, so blöd!“ mault der Junge und zieht sich gekränkt zurück.

      Damit ist der Witold eine Zeitlang beschäftigt gewesen.

      Als er jetzt über den Hof kommt, hört er einen Webstuhl arbeiten. Langsam und gleichmäßig, wie es die Art der kränklichen Rosa ist. Er sieht das Kind am Webstuhl sitzen, mit schmalem, gebogenem Rücken, und den Kopf, weil sie schlecht sieht, tief auf das Garn gesenkt.

      Lauschend wartet der Witold eine geraume Zeit vor der Tür. In seiner Hand baumelt der Hammer von der Zaunarbeit. Im Stubenfenster taucht der Kopf der Martha auf. Als sie den Witold entdeckt, winkt sie ihm, dann ruft sie etwas, und weil er ihr nicht antwortet, ruft sie laut seinen Namen. Der Witold gibt ihr Zeichen, stille zu sein. Aber das Kind achtet nicht darauf. Sie formt die Hände vor ihrem Mund zum Trichter und brüllt wieder: „Witold! Witold! Witold!“

      Er muss gehen. Vorsichtig und lautlos tritt er in die Werkstatt.

      Ja, er sieht nur die bleiche Rosa gekrümmt über ihrer Arbeit; die Webstühle der drei polnischen Weber stehen verlassen.

      „Rosa! Wo sind die anderen?“ ruft er.

      Das Mädchen hört ihn nicht. Dafür taucht ein Kopf hinter dem Regal auf, in dem das Garn liegt. Es ist der Hendryk Wielopolski, der jüngste der polnischen Weber.

      „Hier sind wir!“ ruft der Hendryk.

      Alle drei sitzen um einen umgestülpten Eimer auf dem Boden und würfeln. Ignacy, der älteste von ihnen und meistens ihr Wortführer, ein Mensch mit einem genarbten und finsteren Gesicht, rückt zur Seite und sagt auf Polnisch: „Komm, du Großschnauze, und spiel einmal mit!“

      „Ihr habt zu arbeiten!“ brüllt der Witold ihn an. „Macht, dass ihr an eure Plätze kommt!“

      „Spielst dich auf, als wärst du der Herr“, sagt der Ignacy.

      Adam, der dritte von ihnen, lacht auch jetzt wieder sein meckerndes, ziegenhaftes Lachen mit hängender Unterlippe, das an ein hochnäsiges Tier denken lässt. Adam scheint zu spüren, dass es böse ausgehen könnte, und so versucht er zu beschwichtigen und die Angelegenheit zu verharmlosen, und wenn er dazu sein meckerndes Lachen hören lässt, wird der Witold die Sache nicht so ernst nehmen.

      Adam sagt: „Ein kleines Spielchen nur. Vergiss es! Wir werden die Zeit herausarbeiten, Witold!“

      „Was? Herausarbeiten?“ schreit der Ignacy. „Willst du vor dem Schleimlecker auf dem Bauch kriechen? Was ist der schon? Hier ist der Bengel ein nichts! Eben ein Bengel. Für sein Alter hat der eine viel zu große Fresse, die ich ihm gerne einmal stopfen möchte. Ich hab es schon lange satt, mir ständig das Gewäsch von diesem Rotzlöffel anzuhören!“

      Ignacy ist aufgestanden; drohend steht er vor dem Witold, drohend krempelt er seine Hemdsärmel höher; seine Narben im Gesicht sind noch röter geworden.

      „Willst du uns damit zur Arbeit zwingen?“ fragt er mit einem Blick auf Witolds Hammer. „Pass nur auf, dass wir dir damit nicht deinen Schädel einschlagen, du ... Du bist nicht mehr als wir auch: ein Polacke bist du, wie wir alle. Jawohl! Für die sind wir ohne Ausnahme nur Polacken! Wanzen. Wir sind nur so lange gut für sie, wie sie uns brauchen, dann ...“ Mit seiner Fußspitze vollführt er eine Drehung auf dem Lehmboden. „Aus! Weg damit!“

      Der Hendryk meldet sich: „Wartest wohl darauf, dass die Fräuleins erwachsen werden, um dich hier in ein gepolstertes Nest setzen zu können, was? Spielst nur darum den Hund für den Alten!“

      „Seid vernünftig, Männer. Kommt!“ mahnt der Adam. Er geht ohne sich um die anderen zu kümmern an seinen Webstuhl.

      „Ach du Rindvieh!“ schreit der Ignacy hinter ihm her. „Fürchtest dich vor dem Hammer, den der Dämlack mit sich herumschleppt? Wenn ich Pause mache, dann mache ich Pause! Und was ich in meiner Pause treibe, das geht niemanden etwas an!“

      „Jetzt ist aber keine Zeit, um Pause zu machen“, sagt der Witold.

      „So, jetzt ist keine Zeit, um Pause zu machen, sagt der!“ höhnt der Ignacy. „Er wird mir sagen, wann ich mich verschnaufen darf, ja? Hast schon ganz die Manier der Deutschen angenommen!“

      Der Hendryk hat sich wie der Adam auch an seinen Webstuhl gesetzt, aufrecht wie eine Rohrdommel und ebenso gespannt. Der Adam raunt ihm etwas zu, worauf der Hendryk seinen Kopf schüttelt.

      „Nimm Vernunft an, Ignacy. Der Meister wird mich heute Abend fragen, wie es gegangen ist ...“

      „Ja, ja, ja! Und natürlich wirst du ihm alles brühwarm auftischen. Dazu hat er dich doch in den Betrieb geholt, nicht wahr, du Bluthund. Ihm alles zu erzählen, das ist deine Aufgabe, nicht wahr? Eine schöne Aufgabe hast du, das muss ich schon sagen! Andere bespitzeln, sie antreiben und schließlich beim Alten anschwärzen. Der ist noch stolz auf diese Aufgabe“, ruft Ignacy den anderen zu.

      „Ignacy!“ ruft der Hendryk über seiner Arbeit. „Laß es genug sein! Gib endlich Ruhe. Lass ihn gehen.“

      „Nun, halte ich ihn fest? Kann er nicht gehen, wohin er will? Ich halte ihn doch nicht! Denkst du, ich fasse so etwas mit meinen Händen an?“

      Er lacht gallig. Die verzogenen und schrundigen Narben entstellen sein Gesicht und machen es zur Fratze. Schließlich, als er begreift, dass er von den anderen keine Unterstützung bekommt und allein nichts ausrichten kann, spuckt er dem Witold vor die Füße.

      „Wie mich das hier alles ankotzt!“ sagt er und geht endlich auch an seinen Arbeitsplatz.

      Hinter der Tür, im Flur, hört der Witold zuerst den Ignacy lachen, dann lachen auch die beiden anderen mit.

      Amalie schiebt ihrem Mann den Teller über den Tisch. Er ist spät nach Hause gekommen; dass sie sich gesorgt hat, das sagt sie ihm nicht. Abwartend sitzt sie ihm gegenüber und sieht zu, wie er ißt. Als er in den Hof eingefahren ist, hat er zuerst nach dem Witold gerufen. Sie haben sich leise besprochen, dann ist er zu ihr gekommen.

      Mitunter blickt der Mann sie über den Teller hinweg an, aber sie kann an seinem Gesicht nicht ablesen, ob es gute oder schlechte Dinge waren, die er mit seinem Bruder besprochen und was er erreicht hat; Jendrik lässt sie warten, und so wartet sie eben; sie kennt seine Art.

      Weil das Stummsein ihr unbehaglich wird, sagt sie: „Heute hat die Rosa wieder einen schlimmen Tag. Das Mädel sagt ja nichts, aber die Tränen sind ihr vor lauter Kopfstechen nur so gelaufen ...“

      „Ich habe einmal gehört“, brummt der Jendrik auf seinen Löffel. „dass sich so etwas ändern kann, wenn sie erwachsen wird. Oder auch, wenn sie ein Kind bekommen hat.“


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