Was einem so auffällt. Hanns van Kann

Was einem so auffällt - Hanns van Kann


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wohlbekannte Düfte….

       Wegmarken oder „Heimatkunde“

       Über den Autor

       „Es ist eigentlich völlig belanglos, über was ich hier berichte...“,

      Der Stuhl

      Sommer auf Mallorca. Konzert der Banda Municipal auf der Plaza Mayor an einem Donnerstagabend um 18 Uhr. Immer eine angenehme Bereicherung des Palmeser Kulturprogramms. Wer früh genug kommt, hat das Glück, einen Platz im Schatten zu ergattern. Neben uns einige Stühle frei, solche, von denen zu erwarten ist, daß sie in den nächsten 20 Minuten der Sonne ausgesetzt sind.

      Es kommt eine fünfköpfige Familie, die den Stuhl neben uns, vielleicht wegen meiner dort deponierten Jacke, respektiert und die folgenden besetzt. Die Fünf werden unruhig. Auf den Rechtsaußen trifft der erste Sonnenstrahl. Während der „Fiedler auf dem Dach“ fiedelt, Plätze verschieben, alle einen aufrücken. Statt meiner Jacke auf dem Stuhl, sitzt dort nun die Mutter mit dem Kleinen auf dem Schoß.

      2 Minuten später. So klein ist der Kleine nicht, daß er nicht die Eisreklame mit den, zugegeben, verlockenden Angeboten entdeckt hätte. Mutter mit Kind steht auf. Eis holen. Stuhl frei. Jacke drauf.

      3 Minuten später, ein Herr fragt, ob der Stuhl frei sei. „Nein“, die Mutter kauft Eis. 1 Minute später, wieder einer, der sich auf den Stuhl setzen will. „Nein“, die Mutter kauft Eis.

      Nach einer weiteren Minute fragt ein gutaussehender älterer Herr sehr höflich, ob der Stuhl wohl ....... Ja, zum Donnerwetter, soll er ihn doch haben, warum kümmert sich nicht die Familie um den Stuhl ihrer Mutter – was hab ich mit denen zu schaffen, bin ich deren Hüter? Er sitzt, aber höchstens nur eine Minute. Es kommt eine Dame, der mein gutaussehender älterer Nachbar, ganz der galante Spanier (das merkt man gleich), den Stuhl überläßt. Die aber steht nach weiteren 1 bis 2 Minuten auf, wegen der Sonne - nehme ich an.

      Ein neuer Herr drückt mir meine Jacke in die Hand, die kurzfristig wieder ihren Platz eingenommen hatte. Sagt drohend, das sei ein Stuhl für jedermann, nicht für Jacken. Und reservieren gelte nicht. Sicher kein galanter Spanier. Setzt sich. Steht auf. Wegen der Sonne - nehme ich an. Stuhl wieder frei, zur „West Side Story“, fünf Minuten. Eine Dame kommt. Braun gebrannt. Sicher Urlauberin. Sie trägt ein gepunktetes Kleid mit tiefem Dekolleté. Die Banda spielt den „Rosa Panther“ von Maciani. Noch sitzt sie. Wegen der Sonne – nehme ich an.

      Nur ein flexibler Schlauch.

      Sie kennen doch einen Whirlpool? Oder haben schon von der Annehmlichkeit gehört, sich in einer Badewanne von tausend Luftbläschen, die aus feinen Düsen im Wannenboden emporsteigen, massieren und verwöhnen zu lassen? Zugegeben, das klingt nach Luxus. Wir haben ihn uns geleistet. Wie sagt der Volksmund so treffend: Man gönnt sich ja sonst nichts. Vor 10 Jahren etwa montierte uns ein Badspezialist solch eine Anlage ein. Ein kräftig arbeitender Motor saugt genügend Luft an und bläst sie zur Wonne und zum Wohle des in der Wanne Liegenden durch einen flexiblen Schlauch in die Düsen. Und das nicht nur zu unserem Wohle. Auch unsere Hausmitbewohner erleben jedes Mal unser harmloses Badevergnügen und freuen sich ob des Lärms, den dieses technische Gerät je nach gewünschtem Blaseffekt verursacht. Jetzt aber war der Schlauch defekt. Brüchig, rissig. Die Luft gelangte überallhin, nur nicht mehr in die Düsen. Aus mit dem Badespaß. Irritationen bei denen unter uns.

      Ich habe zum Glück noch die Rechnung unseres Badspezialisten von damals. Wähle die angegebene Frankfurter Nummer. “Kein Anschluß unter dieser Nummer.“ Wer kennt sie nicht, diese tonlose Stimme. Die Telekom-Auskunft “von Mensch zu Mensch“, die Hilfe und Beratung und sonst noch allerlei verspricht, kann ihr Versprechen nicht einlösen.

      Die Rechnung nennt im Kleingedruckten auch die Telefonnummer der Zentrale in Düsseldorf. „Guten Tag. Was kann ich für sie tun?“ „Bitte die Nummer Ihrer Frankfurter Niederlassung.“ Stille. Dann: „Einen Moment bitte.“ Drei Minuten unterhält mich flotte Filmmusik aus den 50erJahren. Endlich: “Wir haben keine Niederlassung in Frankfurt.“ „Aber Sie haben einen Geschäftsführer!“ „Ja, um was geht es bitte?“ „Dann setzen Sie sich mit unserer Niederlassung in Königstein in Verbindung.“

      „Guten Tag, Was kann ich für Sie tun?“ fragt mich diesmal eine freundliche Dame, die, wie sich nach weiterem langen Gespräch herausstellt, ganz in unserer Nähe wohnt. Sie zeigt volles Verständnis für mein Anliegen, notiert brav unsere Telefonnummer und mein Begehr und kündigt einen Rückruf von Frau Dr. Müller-Lauenberger, der Chefin, an. Donnerwetter, sage ich zu mir voller Hochachtung. Ein beachtliches Mittelstandsunternehmen unter akademischer Leitung. Toll!

      Ich warte einen Tag, zwei ... schließlich versuche ich es noch einmal (um das schon hier gleich zu sagen, es sollte nicht das letzte Mal sein) “Guten Tag, was kann ich für Sie ... usw usw“ „Frau Dr. wollte mich doch schon vor einer Woche zurückrufen...“, „Das tut mir aber leid, hat sie sich denn nicht gemeldet (nein, rückgerufen hat sie gesagt)? Sie ist in dieser Sekunde aus dem Haus, Moment, vielleicht erreiche ich sie noch.“ Sie war schon weg, auf dem Weg zu neuen Kunden. Alte können es nach meiner bisherigen Erfahrung sicher nicht gewesen sein - die gibt es nicht mehr.

      Ich warte einen Tag, zwei ... fünf Tage. Ich versuch es wieder mit meiner freundlichen Nachbarin, mit der aus dem Dorf nebenan. Wir plaudern über dies und das, über den Stand der Obsternte, das letzte Feuerwehrfest, zwischendurch, immer das Ziel im Auge, frage ich auch nach einem kompetenten Monteur. „Hat Frau Dr. denn noch nicht angerufen?“ „Nein, hat sie nicht, die Frau Dr.“ „Verstehe ich nicht, ist doch sonst die Pünktlichkeit in Person, die Frau Dr. Ich lege aber noch einmal einen Zettel hin.“

      Dieser Zettel hat seine Wirkung getan. Ich spreche mit Frau Dr. Müller, die mir erklärt, daß sie über keinen Monteur verfüge, der Whirlpools reparieren könne, daß im Übrigen die Herstellerfirma verkauft worden sei und es Ersatzteile nicht mehr gäbe, daß ich die Düsen gefälligst selbst herausschrauben und durchblasen soll, daß für den Motor, sollte er nicht funktionieren, ein örtlicher Elektriker der richtige sei. „Nein, Frau Dr. Müller-Lauenberger, nein, nicht die Düsen sind es, nicht der Motor, der Schlauch ist defekt.“ Ehe ich das letzte Wort gesprochen hatte, war Frau Dr. bereits auf dem Weg zu einem neuen Kunden, vermutlich zu einem, der einen Whirlpool eingebaut haben wollte.

      Empört schicke ich ein Fax an die in Düsseldorf, mit so strengen Worten wie „ Service“ und „Kundendienst“ und „Freund- und Pünktlichkeit“. Meine Trompetenstöße haben gewirkt. Die faxen zurück und nennen mir die Anschrift einer Firma in Bochum, die den Whirlpool Hersteller aufgekauft haben soll. „Guten Tag, was kann ich für...usw. usw..?“ „Da sind Sie aber ganz falsch. Diese Firma gibt es nicht mehr. Wir haben sie übernommen und die Whirlpool-Abteilung verkauft. Rufen Sie wegen des Schlauchs doch die Firma.......ich lege auf und telefoniere wieder mit Düsseldorf.

      „Ach, die in Bochum gibt es nicht mehr? Das kann doch nicht sein. Entschuldigen Sie. Aber so sind die Zeiten heute. Sie wissen ja, Globalisierung, Euro, Teilzeit. Auf nichts ist mehr Verlaß. Ich melde mich wieder,“ sagt er und legt auf. Hoffentlich, denke ich. Er tut’s, tatsächlich und nennt mir einen freundlichen Herrn, der angeblich in der Lage sein soll, einen passenden Schlauch zu schicken. Per Nachnahme. Er ist noch nicht eingetroffen. Es sind ja auch erst acht Tage vergangen seit dem letzten Auflegen. Ich weiß nicht, ob er noch kommt.

      Wenn man verzweifelt ist und Hilfe dringend braucht, dann hat man das Bedürfnis, sich anderen anzuvertrauen. Man redet über seinen Kummer und tauscht Erfahrungen mit Nachbarn und Freunden. “Ruf doch mal unseren Sanitärklempner hier im Ort an, der kann vielleicht helfen.“ „Der, ausgerechnet der soll das können, was Frau Dr. Müller-Lauenberger und ihr gesamtes


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