Was einem so auffällt. Hanns van Kann

Was einem so auffällt - Hanns van Kann


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muß schon ein Rohrbruch gemeldet werden, um ihn schnell aus seinem in unser Haus zu kriegen. Diesmal aber ging’s flotter. Nach mehrmaligen Umschaltungen mit dezenter Wartemusik und mehrmaligen Erklärungen unseres Schlauchproblems nahm sich der Chef energisch der Sache an. Vielleicht reizte ihn diese technische Schlauchmontage. Er entsandte Herrn Meier, ja, schlicht Meier, zur Ortsbesichtigung. “Oh“, sagte der, „das ist ein Problem, nicht einfach. Oder warten Sie mal, ich hab’s, schneiden wir doch einfach das schadhafte Schlauchstück heraus und fügen die beiden Enden zusammen. Lang genug ist der Schlauch ja.“

      Ist Ihnen so etwas auch schon einmal passiert? Haben Sie solche Erfahrungen auch schon gemacht? Man fährt weit ins Land, in die nächste Stadt vielleicht, um etwas zu erstehen, was es mit Sicherheit im engen Umkreis nicht geben kann. Es gibt’s eben nicht, Punktum. Und fährt und fährt weite Strecken, versucht es hier und da - und dann, dann bleibt man in unserer Nebenstraße vor einem kleinen Schaufenster stehen und der Blick fällt genau auf das lang Gesuchte. Denken Sie doch nur an Ihre letzte Operation, so Sie eine solche hinter sich haben sollten - was Gott verhüte. In welchem Krankenhaus sind Sie gelandet? In dem etwa, das Sie von Ihrer Wohnung aus sehen und gut erreichen können? Nein, beileibe nicht - weit weg sind Sie gefahren, weil Ihnen das Naheliegende doch zu simpel erschien.

      Der Whirlpool funktioniert wieder. Mit Hilfe unseres Sanitärklempners, hier nebenan, nur zwei Häuser weiter.

      Handy

      Herr N., Sie werden ihn nicht kennen, lehnt es ab, sich ein Handy anzuschaffen. Er brauche solch ein neumodisches Ding nicht, sagt er. Bisher habe er es problemlos geschafft, ohne ein Handy durch die Welt zu kommen, immerhin mit achtzig. Und dabei solle es auch bleiben, meint Herr N. Ihn umzustimmen, gerade ihn mit seinen immerhin achtzig von den Vorzügen dieser technischen Errungenschaft zu überzeugen, gelingt uns nicht. Herr N. will ganz einfach nicht und damit basta.

      Herr D., auch ihn werden Sie nicht kennen, wohnt in einer Urbanisation. Stellen Sie sich eine Anhäufung von Häusern vor, die ein sich so nennender Erschließer oder Immobilienmakler auf ein großes kahles Gelände gesetzt hat. Er gestaltet einen Swimmingpool, pflanzt Palmen, Olivenbäume und Oleander, spricht von traumhaftem Fernblick und verkauft die Eigenheime dann für viel Geld als Finkas. Zur Sicherheit der Eigentümer ist eine solche Urbanisation dann von einer Mauer oder einem festen Zaun umgeben. Ein Tor, meist steht es offen, gestattet den Zugang.

      Als ich Herrn D. besuche, ist es verschlossen. Ich suche auf dem Klingeltableau mit 36 Knöpfen nach dem Namen unseres Freundes. Den finde ich nicht, nur Nummern. Von eins bis sechsunddreißig, denn es ist eine gehobene Wohnanlage, deren Bewohner anonym bleiben wollen, aus Sicherheit, sagen sie. Nur, welche der Nummern ist nun die richtige?

      Ich versuche es mit einer Klingel. Ohne Erfolg. Versuche es mit dem zweiten Knopf, dem dritten, vierten - über die Sprechanlage meldet sich keiner. Bei meinem 10. Versuch sagt mir eine liebe Kinderstimme, die Mammi habe verboten, die Tür für fremde Männer aufzumachen. Es geschieht auch nichts, trotz meines inständigen Bittens. Das gehorsame Kind hat lediglich vergessen, den Hörer aufzulegen - also sind alle weiteren Klingelversuche vergebens.

      „Aber wozu gibt es ein Handy?“ sage ich so vor mich hin. „Welch großartige Erfindung doch für solche Notfälle.“ Problemlos kann sie mir wenigstens das Tor öffnen ..., vorausgesetzt, die Telefonnummer unseres Freundes D. ist gespeichert. Sie ist es nicht (inzwischen wohl). Ich suche im Speicher unsere häusliche Telefonnummer unter unserem Namen und drücke den Knopf mit dem grünen Symbol. Mit klarer, mir wohlvertrauten Stimme meldet sich unverhofft die Schwiegermutter unseres Sohnes, die in der Frankfurter Wohnung gerade nach dem Rechten sieht. Ich muß wohl auf den falschen Knopf gedrückt haben. Aber sie freut sich über den unerwarteten Anruf und will nun sofort wissen, wie es denn so geht, wie ich mich fühle, wie so das Wetter hier ist - in Frankfurt sei es lausig kalt und von Mallorca habe man ja auch Schreckliches gehört usw. Höflich beende ich das Gespräch und wähle erneut, diesmal richtig. Meine liebe Frau ist dran. „Frage jetzt nichts. Ruf einfach den D. an und bitte ihn, mir das vermaledeite Tor zu öffnen.“ Nach einigen Minuten des Wartens wird mir tatsächlich aufgetan. Fröhlich kommt mir unser Freund D. entgegen. Er habe sich schon solche Sorgen gemacht, wo ich nur bleibe! Wie freut man sich über solche Anteilnahme und wie haben wir uns über das Wiedersehen gefreut.

      Aber warum erzählt er uns das nur? werden Sie fragen. Was interessiert es uns, wie der in ein Haus kommt. Sie werden es bald erfahren. Dazu müssen wir wieder zurück zu unserem Herrn N., na, Sie wissen es noch: Das ist doch der, den ich Ihnen eingangs bereits vorstellte. Wie wäre der wohl ins Haus gekommen? Wie hätte der das geschafft, ohne Handy? Wäre er über die Mauer geklettert? Nein, Herr N, ist nicht mehr so sportlich, zumal in seinem Alter. Hätte er gewartet, bis jemand das Tor von innen öffnet? Auch nein, denn alle Bewohner gehen tagsüber außerhalb ihrem Broterwerb nach, wie mir unser Freund D. zur Erklärung sagte. Oder hätte er gar um Hilfe gerufen, wie neulich, bei einem Waldspaziergang, der sich unbeabsichtigt bis in die Dunkelheit hinzog? Er stolperte auf einem abschüssigen, steinigen Weg und verstauchte sich den Fuß. Keiner hörte seine verzweifelten Hilferufe. Mit Mühen konnte er sich zurück in sein Haus schleppen.

      Herr N., heute geht es ihm zum Glück wieder gut, zieht gerade in Erwägung, sich doch solch ein neumodisches Ding anzuschaffen.

      Pinökelchen

      Sagen Sie mal ehrlich. Das ist Ihnen doch auch schon passiert. Sie gehen gedankenverloren, oder auch gedankenvoll durch Ihre Wohnung und finden auf dem Teppich oder in einer Ecke ein von jedem Staubsauger mißachtetes winziges Schräubchen oder eine kleine Lochscheibe, ein Stück gebogenen Drahtes. Es kann auch eine klitzekleines, irrwitzig gekrümmtes Teilchen aus Plastik, aus Metall oder Holz sein, kurzum ein Gegenständchen undefinierbarer Herkunft. Meine liebe Frau nennt so etwas ein Pinökelchen. Sie hat es von ihrer Mutter. Und ich habe diesen ungemein treffenden Ausdruck nur zu gern von beiden übernommen.

      So steht man nun da und dreht und wendet dieses Pinökelchen hin und her und fragt sich, wo es wohl fehlen, wozu es wohl bestimmt sein mag. Wo in der Wohnung ist der Gegenstand, zu dessen Funktionstüchtigkeit das Pinökelchen gehört? Eines ist sicher: Wäre es nicht wichtig, hätte man es nicht erfunden. Sie schauen sich um und um – und legen es schließlich mit einem unguten Gefühl fort, oder besser beiseite. Nachdem wir nicht mehr rauchen, bietet sich für uns als Aufbewahrungsort ein großer, dekorativer, von Künstlerhand geschaffener Aschenbecher an. Sie nehmen dazu vielleicht die Silberschale, auf die man früher die Visitenkarten ablegte.

      Eines Tages, irgendwann, stellen Sie fest, da wackelt etwas. Nehmen wir z.B. die Kaffeemaschine. Der Mechanismus, der den Kaffeefilter unter den Wasserbehälter schwenkt, funktioniert nicht so wie er sollte. Ein winziger Plastikring fehlt. Ist weg, nicht mehr da. „Ich habe es doch gesagt, daß da etwas nicht in Ordnung ist. Könnte das die Ringhälfte von neulich sein?“ Im Aschenbecher ist nur eine Hälfte. Aber sie nutzt nichts, wenn es die andere Hälfte nicht mehr gibt. Und wo ist die? „Du mußt es doch noch wissen, überleg doch mal ...., du hast doch....“ - na Sie kennen ja derartige häusliche Diskussionen. „Nein, ich weiß es nicht und ich habe auch nicht und überhaupt .....“ Und unsere gute Encarna, die Fleischgewordene, für Putzarbeiten zuständig, die weiß es natürlich auch nicht. Ärgerlich.

      Zum Glück gibt es in der noch schönsten Stadt am Mittelmeer eine Firma, die sich auf das Reparieren von Kaffeemaschinen spezialisiert hat. Wir finden sie, nur keinen Parkplatz. Fahren zweimal um den Block, halten im Schatten eines Müllcontainers, stellen, wie hier in solchen Fällen üblich, die Warnblinkanlage an und gehen die paar hundert Meter zu Fuß. Bringen unser Begehr vor. Gut, daß wir wenigstens die spanische, wenn schon nicht die mallorquinische Sprache rudimentär beherrschen. Unerläßlich bei solchen Unternehmungen. Ein bebilderter Katalog wird uns vorgelegt. Wir sind zutiefst beeindruckt von der Vielzahl an Einzelteilen und Gegenständchen, aus denen solch eine Kaffeemaschine besteht und hoffen, den richtigen Ring gefunden


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