Till Eulenspiegel. Hermann Bote
sie hinzu, und es entstand ein großes
Geschrei. Der Pfaffe mit der Köchin lagen unten, die beiden Bauern, die die Marien spielten,
lagen auch unten, so daß die Bauern sie auseinander ziehen mußten.
Eulenspiegel aber hatte die Gelegenheit wahrgenommen und sich rechtzeitig davongemacht.
Er lief aus der Kirche hinaus, ging aus dem Dorf und kam nicht wieder. Gott weiß, wo sie
einen anderen Küster hernahmen!
Die 16. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Magdeburg verkündete, vom Rathauserker fliegen
zu wollen, und wie er die Zuschauer mit Spottreden zurückwies.
Bald nach dieser Zeit, als Eulenspiegel ein Küster gewesen war, kam er in die Stadt
Magdeburg und vollführte dort viele Streiche. Davon wurde sein Name so bekannt, daß man
von Eulenspiegel allerhand zu erzählen wußte. Die angesehensten Bürger der Stadt baten ihn,
er solle etwas Abenteuerliches und Gauklerisches treiben. Da sagte er, er wolle das tun und auf
das Rathaus steigen und vom Erker herabfliegen. Nun erhob sich ein Geschrei in der ganzen
Stadt. jung und alt versammelten sich auf dem Markt und wollten sehen, wie er flog.
Eulenspiegel stand auf dem Erker des Rathauses, bewegte die Arme und gebärdete sich, als ob
er fliegen wolle. Die Leute standen, rissen Augen und Mäuler auf und meinten tatsächlich, daß
er fliegen würde. Da begann Eulenspiegel zu lachen und rief: »Ich meinte, es gäbe keinen
Toren oder Narren in der Welt außer mir. Nun sehe ich aber, daß hier die ganze Stadt voller
Toren ist. Und wenn ihr mir alle sagtet, daß ihr fliegen wolltet, ich glaubte es nicht. Aber ihr
glaubt mir, einem Toren! Wie sollte ich fliegen können? Ich bin doch weder Gans noch Vogel!
Auch habe ich keine Fittiche, und ohne Fittiche oder Federn kann niemand fliegen. Nun seht
ihr wohl, daß es erlogen ist.«
Damit kehrte er sich um, lief vom Erker und ließ das Volk stehen. Die einen fluchten, die
anderen lachten und sagten: »Ist er auch ein Schalksnarr, so hat er dennoch wahr gesprochen!«
Die 17. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich für einen Arzt ausgab und des Bischofs von
Magdeburg Doktor behandelte, der von ihm betrogen wurde.
In Magdeburg war ein Bischof namens Bruno, ein Graf von Querfurt. Der hörte von
Eulenspiegels Streichen und ließ ihn nach Schloß Giebichenstein kommen. Dem Bischof
gefielen Eulenspiegels Schwänke sehr, und er gab ihm Kleider und Geld. Auch die Diener
mochten ihn gar wohl leiden und trieben viel Kurzweil mit ihm.
Nun hatte der Bischof einen Doktor bei sich, der sich sehr gelehrt und weise dünkte. Aber des
Bischofs Hofgesinde war ihm nicht wohlgesinnt. Dieser Doktor hatte nicht gerne Narren um
sich. Deshalb sprach der Doktor zum Bischof und zu seinen Räten: »Man soll weisen Leuten
an der Herren Höfe Aufenthalt geben und aus mancherlei Gründen nicht solchen Narren.« Die
Ritter und das Hofgesinde erklärten dazu, die Ansicht des Doktors sei nicht richtig. Wer
Eulenspiegels Torheiten nicht hören möchte, der könne ja weggehen; niemand sei zu ihm
gezwungen. Der Doktor entgegnete: »Narren zu Narren und Weise zu Weisen! Hätten die
Fürsten weise Leute bei sich, so stünde ihnen die Weisheit immer vor Augen. Wenn sie
Narren bei sich halten, so lernen sie Narretei.« Da sprachen etliche: »Wer sind die Weisen, die
weise zu sein glauben? Man findet ihrer viele, die von Narren betrogen worden sind. Es ziemt
sich für Fürsten und Herren wohl, allerlei Volk an ihren Höfen zu halten. Denn mit Toren
vertreiben sie mancherlei Phantasterei, und wo Herren sind, wollen die Narren auch gern
sein.« Also kamen die Ritter und die Hofleute zu Eulenspiegel und legten es darauf an, daß er
einen Plan machte. Sie baten ihn, er möge sich einen Streich ausdenken, und wollten ihm,
ebenso wie der Bischof, dabei helfen. Dem Doktor solle sein Weisheitsdünkel vergolten
werden, wie er gehört habe. Eulenspiegel sprach: »Ja, ihr Edlen und Ritter, wenn ihr mir dabei
helfen wollt, soll es dem Doktor heimgezahlt werden.« So wurden sie sich einig.
Da zog Eulenspiegel vier Wochen lang über Land und überlegte, wie er mit dem Doktor
umgehen wollte. Bald hatte er etwas gefunden und kam wieder zum Giebichenstein. Er
verkleidete sich und gab sich als Arzt aus, denn der Doktor bei dem Bischof war oft krank und
nahm viele Arzneien. Die Ritter sagten dem Doktor des Bischofs, ein Doktor der Medizin sei
gekommen; der sei vieler Arzneikünste kundig. Der Doktor erkannte Eulenspiegel nicht und
ging zu ihm in seine Herberge. Schon nach kurzer Unterhaltung nahm er ihn mit sich auf die
Burg. Sie kamen miteinander ins Gespräch, und der Doktor sagte zum Arzt: »Könnt Ihr mir
helfen von meiner Krankheit, so will ich es Euch wohl lohnen.« Eulenspiegel antwortete ihm
mit Worten, wie sie die Ärzte in solchen Fällen zu sagen pflegen. Er gab vor, er müsse eine
Nacht bei ihm liegen, damit er desto besser feststellen könne, wie er von Natur geartet sei.
»Denn ich möchte Euch gern etwas geben, bevor Ihr schlafen geht, damit Ihr davon schwitzt.
Am Schweiß werde ich merken, was Eure Krankheit ist.« Der Doktor ging mit Eulenspiegel
zu Bett und meinte, alles, was ihm Eulenspiegel gesagt hatte, sei wahr.
Eulenspiegel gab dem Doktor ein scharfes Abführmitte1 ein. Der glaubte, er solle davon
schwitzen, und wußte nicht, daß es zum Abführen war. Eulenspiegel nahm ein Steingefäß und
tat einen Haufen seines Kotes hinein. Und er stellte den Topf mit dem Dreck zwischen die
Wand und den Doktor auf die Bettkante. Der Doktor lag an der Wand, und Eulenspiegel lag
vorn im Bett. Der Doktor hatte sich gegen die Wand gekehrt. Da stank ihm der Dreck im Topf
in die Nase, so daß er sich umwenden mußte zu Eulenspiegel. Sobald sich der Doktor aber zu
Eulenspiegel gekehrt hatte, ließ dieser einen lautlosen Furz, der sehr übel stank. Da drehte sich
der Doktor wieder um, und der Dreck aus dem Topf stank ihn wieder an. So trieb es
Eulenspiegel mit dem Doktor fast die halbe Nacht.
Dann wirkte das Abführmittel und trieb so scharf, schnell und stark, daß sich der Doktor ganz
verunreinigte und ekelhaft stank. Da sprach Eulenspiegel zum Doktor: »Wie nun, würdiger
Doktor? Euer Schweiß hat schon lange abscheulich gestunken. Wie kommt es, daß Ihr solchen
Schweiß schwitzt? Er stinkt sehr übel!« Der Doktor lag und dachte: das rieche ich auch! Und
er war des Gestankes so voll geworden, daß er kaum reden konnte. Eulenspiegel sprach:
»Liegt nur still! Ich will gehen und ein Licht holen, damit ich sehen kann, wie es um Euch
steht.« Als sich Eulenspiegel aufrichtete, ließ er noch einen starken Furz schleichen und