Till Eulenspiegel. Hermann Bote

Till Eulenspiegel - Hermann  Bote


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ganz schwach; das habe ich von Eurer Krankheit und von Eurem

       Gestank bekommen.« Der Doktor lag und war so krank, daß er sein Haupt kaum aufrichten

       konnte, und dankte dem allmächtigen Gott, daß der Arzt von ihm ging. jetzt bekam er ein

       wenig Luft. Denn wenn der Doktor in der Nacht aufstehen wollte, hatte ihn Eulenspiegel

       festgehalten, so daß er sich nicht aufrichten konnte, und gesagt, vorher müsse er erst genügend

       schwitzen.

       Als Eulenspiegel aufgestanden und aus der Kammer gegangen war, lief er hinweg von der

       Burg.

       Indessen wurde es Tag. Da sah der Doktor den Topf an der Wand stehen mit dem Dreck. Und

       er war so krank, daß sein Gesicht vom Gestank ganz angegriffen aussah. Die Ritter und

       Hofleute sahen den Doktor und boten ihm einen guten Morgen. Der Doktor redete ganz

       schwächlich, konnte ihnen kaum antworten und legte sich in den Saal auf eine Bank und ein

       Kissen. Da holten die Hofleute den Bischof hinzu und fragten den Doktor, wie es ihm mit dem

       Arzt ergangen sei. Der Doktor antwortete: »Ich bin von einem Schalk überrumpelt worden. Ich

       wähnte, es sei ein Doktor der Medizin, doch es ist ein Doktor der Betrügerei.« Und er erzählte

       ihnen alles, wie es ihm ergangen war.

       Da begannen der Bischof und alle Hofleute sehr zu lachen und sprachen: »Es ist ganz nach

       Euern Worten geschehen. Ihr sagtet, man solle sich nicht um Narren kümmern, denn der

       Weise würde töricht bei Toren. Aber Ihr seht, daß einer wohl durch Narren klug gemacht wird.

       Denn der Arzt ist Eulenspiegel gewesen. Den habt Ihr nicht erkannt und habt ihm geglaubt;

       von dem seid Ihr betrogen worden. Aber wir, die wir uns mit seiner Narrheit abgaben, kannten

       ihn wohl. Wir mochten Euch aber nicht warnen, zumal Ihr gar so klug sein wolltet. Niemand

       ist so weise, daß er nicht auch Toren kennen sollte. Und wenn nirgendwo ein Narr wäre,

       woran sollte man dann die Weisen erkennen?« Da schwieg der Doktor still und wagte nicht

       mehr zu klagen.

       Die 18. Historie sagt, wie Eulenspiegel Brot kaufte nach dem Sprichwort: »Wer Brot hat, dem

       gibt man Brot«.

       Treue gibt Brot. Als Eulenspiegel den Doktor betrogen hatte, kam er danach gen Halberstadt.

       Er ging auf dem Markt umher und sah, daß es ein harter und kalter Winter war. Da dachte er:

       der Winter ist hart, und der Wind weht dazu scharf; du hast doch oft gehört: Wer Brot hat,

       dem gibt man Brot. Und er kaufte für zwei Schillinge Brot, nahm einen Tisch und stellte sich

       vor dem Dom von Sankt Stephan auf. Er hielt sein Brot feil und trieb solange Gauklerei, bis

       ein Hund kam, ein Brot vom Tisch nahm und damit den Domhof hinauflief. Eulenspiegel lief

       dem Hund nach. Unterdessen kam eine Sau mit zehn jungen Ferkeln und stieß den Tisch um;

       ein jegliches Tier nahm ein Brot ins Maul und lief damit hinweg.

       Da fing Eulenspiegel an zu lachen und sagte: »Nun sehe ich klar, daß die Worte falsch sind,

       wenn man spricht: wer Brot hat, dem gibt man Brot. Ich hatte Brot, und das wurde mir

       genommen.« Und er sprach weiter: »O Halberstadt, Halberstadt, du führst deinen Namen mit

       Recht. Dein Bier und deine Kost schmecken wohl, aber deine Geldbeutel sind von Sauleder

       gemacht.« Und er zog wieder gen Braunschweig.

       Die 19. Historie sagt, wie Eulenspiegel immer ein falbes Pferd ritt und nicht gerne war, wo

       Kinder waren.

       Eulenspiegel war allezeit gern in Gesellschaft. Aber zeit seines Lebens gab es drei Dinge, die

       er floh.

       Erstens ritt er kein graues, sondern immer ein falbes Pferd, trotz des Spottes. Zweitens wollte

       er nirgends bleiben, wo Kinder waren, denn man beachtete die Kinder wegen ihrer Munterkeit

       mehr als ihn. Und drittens war er nicht gern bei einem allzu freigebigen Wirt zur Herberge.

       Denn ein solcher Wirt achtet nicht auf sein Gut und ist gewöhnlich ein Tor. Dort war auch

       nicht die Gesellschaft, von der Gewinn zu erwarten war usw.

       Auch bekreuzigte sich Eulenspiegel alle Morgen vor gesunder Speise, vor großem Glück und

       vor starkem Getränk. Denn gesunde Speise, das sei doch nur Kraut, so gesund es auch sein

       rnöge. Ferner bekreuzigte er sich vor der Speise aus der Apotheke, denn obwohl auch sie

       gesund sei, sei sie doch ein Zeichen von Krankheit. Und das sei das große Glück: wenn

       irgendwo ein Stein von dem Dach fiele oder ein Balken von dem Haus, pflege man zu sagen:

       »Hätte ich dort gestanden, so hätte mich der Stein oder der Balken erschlagen. Das war mein

       großes Glück.« Solches Glück wollte er gern entbehren. Das starke Getränk sei das Wasser.

       Denn das Wasser treibe mit seiner Stärke große Mühlräder, auch trinke sich mancher gute

       Geselle den Tod daran.

       Die 20. Historie sagt, wie ein Bauer Eulenspiegel auf einen Karren setzte, darin er Pflaumen

       zum Markt nach Einbeck fahren wollte, die Eulenspiegel beschiß.

       Die durchlauchtigen und hochgeborenen Fürsten von Braunschweig hielten einmal in der

       Stadt Einbeck ein Turnierfest mit Rennen und Stechen ab. Dazu kamen viele fremde Fürsten

       und Herren, Ritter und Knechte mit ihren Hintersassen. Das war im Sommer, als die Pflaumen

       und anderes Obst reif waren. In Oldendorf bei Einbeck lebte ein braver, einfältiger

       Bauersmann, der hatte einen Garten mit Pflaumenbäumen. Er ließ einen Karren voll Pflaumen

       pflücken und wollte damit nach Einbeck fahren, weil dort viel Volks war und er deshalb

       meinte, die Pflaumen besser zu verkaufen als zu anderen Zeiten.

       Als er vor die Stadt kam, lag da Eulenspiegel unter einem grünen Baum im Schatten. Er hatte

       sich am Hof der Herren so überfressen und betrunken, daß er weder essen noch trinken konnte

       und eher einem toten Menschen als einem lebendigen glich. Als nun der brave Mann an ihm

       vorbeifuhr, da redete Eulenspiegel den Mann so kläglich an, wie er es zuwege brachte, und

       sprach: »Ach, guter Freund, sieh her, ich liege hier so krank drei Tage und Nächte ohne aller

       Menschen Hilfe. Wenn ich noch einen Tag so liegen soll, muß ich vor Hunger und Durst

       sterben. Darum fahre mich um Gottes willen nach der Stadt.« Der gute Mann sprach: »Ach,

       lieber Freund, ich wollte das recht gern tun. Aber ich habe Pflaumen auf dem Karren. Wenn

       ich dich darauf setze, so machst du sie mir alle zuschanden.« Eulenspiegel sagte: »Nimm mich

       mit, ich will mich vorn auf dem Karren behelfen.«

       Der Mann war alt und mußte sich sehr anstrengen, ehe er den Schalk, der sich möglichst

       schwer machte, auf den Karren brachte. Um des Kranken willen fuhr der Bauer desto

       langsamer.

      


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