"Dann müssen die halt mal schwitzen!". Heiko Fritschen
Ein typischer Mobber
Während die drei vorherigen Aktionen von Charakter und Kompetenz abhängig sind, ist Mobbing eine Verhaltensstörung. Eine bewusste Strategie durchzuführen, um von eigenen Fehlern und der eigenen Inkompetenzen abzulenken oder eine Einzelperson nur aus persönlichen Gründen oder Strategien anzugreifen. Dafür werden – vergleichbar einer kriminellen Energie – Strategien verwendet, die der Normal-Kollege moralisch ablehnen würde und sollte. Dabei wird ohne Rücksicht auf die Ergebnisse der Firma nur der persönliche Vorteil verfolgt, häufig mit der Unterstützung von passiven Kollegen, seinen Erfüllungsgehilfen.
Beispiel
Sie bekommen einen direkten Vorwurf eines Kollegen über einen Fehler, im Mail-Verteiler steht nur Ihr Name. Sie weisen den Kollegen in direkter Antwort darauf hin, dass er selbst den Fehler zu verantworten hat, und verweisen auf den entsprechenden Mailverlauf.
Was Sie nicht wissen ist, dass Ihr Kollege die Geschäftsführung in einer Blindkopie im Verteiler hat. Da Sie direkt antworten, erhält die Geschäftsführung Ihre Stellungnahme jedoch nicht. Für diese bleibt die Information, der Fehler sei durch Sie erzeugt worden. Da Sie aus Sicht der Geschäftsführung nicht antworten, bleiben Sie für die Chefs der Verursacher des Fehlers im Gedächtnis bestehen.
Das bewusste Anwenden von rufschädigenden Strategien, wie das Einfügen und die Nutzung der Blindkopien ohne darauf hinzuweisen, ist in diesem Buch ein Beispiel für Mobbing.
Diese Strategie wird zwar auch dem Weekender unterrichtet, die Anwendung der Strategie ist jedoch Mobbing, da sie bewusst und geplant durchgeführt wird. Es wird also in der Hauptsache dahingehend unterschieden, ob der Sachverhalt zufällig passiert ist, oder ob dort eine bewusste Handlung vorliegt, wie das Einfügen eines Verteilers in einer Blindkopie.
Nehmen Sie auch das Beispiel des Dooflings mit seinem 450.000 €-Schaden für eine der Betriebstätten der Firma. Dem Doofling ist es ja bekannt, dass es sein eigener Fehler ist, er kann aber in einer Teamrunde – wenn der verantwortliche Betriebsleiter nicht da ist – dessen Kalkulationen hinterfragen. Immerhin erreicht der Betriebsleiter ja nicht die gewünschten Ziele durch seine Verträge. Hier wird bewusst ein Sachverhalt zwar richtig dargestellt – der Betriebsleiter erreicht die Ziele in den Verträgen nicht –, Ziel des mobbenden Kollegen ist es aber, sich persönlich zu schützen. Mails mit lakonischen Anmerkungen wie z.B. „Da hat X wieder seine Ziele nicht erreicht, mal schauen was ich noch so finde…“ gehören dann zum Standard. Dass er diesen Fehler eigenhändig verursacht hat, wird natürlich nicht erwähnt.
Als Mobbing darstellen können Sie diese Äußerung vor Gericht nur dann glaubhaft, wenn Sie die Mail vom Doofling von vor 9 Jahren vorweisen können. Denn dann haben Sie den Beleg, dass der Mobber davon Kenntnis hatte.
Die Gleichung
Doofling als Aktion (Schaden) + Weekender-Technik (Mail mit Schuldzuweisung) = Mobbing
Das müssen Sie vor einem Arbeitsgericht nachweisen können.
3.5 Mobbing durch den Vorgesetzten – Bossing
Hier müssen wir grundsätzlich zwei Varianten unterscheiden. Einmal mobbt der Vorgesetzte selbst, beim zweiten Fall wird er vom Mobber gelenkt. Für den ersten Fall existieren praktisch keine Gegenmaßnahmen, die einen längeren Verbleib in der Firma als Ergebnis hätten. Bei der zweiten Variante kann es durchaus noch klappen.
Die erste Variante wird meist unter dem Begriff Bossing geführt.
Der Vorgesetzte führt bewusst alle möglichen Strategien und Anweisungen durch, um Sie an einer ordnungsgemäßen Arbeit zu hindern. Ziel ist es, Sie zu einer freiwilligen Kündigung zu bewegen oder dafür zu sorgen, dass Sie durch seine Einschränkungen keine Arbeitsergebnisse mehr erreichen, womit eine Kündigung erklärbar würde. Ein Begriff hierfür ist das Strategische Mobbing, welches in Punkt 8 weiter ausgeführt wird.
Das ist ein hässlicher Nervenkrieg, den Sie am Ende mit Ihrer Gesundheit oder Ihrem Selbstwertgefühl bezahlen. Haben Sie deswegen auch kein Mitleid – nicht mit der Firma und vor allem nicht mit Ihrem Vorgesetzten.
Die zweite Variante wird zwar auch unter Bossing geführt, ist aber in Einzelfällen reparabel.
Beispiel
Ihr gleichgestellter Kollege will, dass Sie seine Ideen umsetzen und stellt Ihre Leistung beim Vorgesetzten als unzureichend dar. Meist sind die Auslöser simple Unterschiede in der fachlichen Beurteilung. Für den Kollegen geht es aber nicht um den Sachverhalt, sondern nur darum, sich durchzusetzen und Sie schlecht dastehen zu lassen. Dabei spielt das Firmenergebnis für den Mobber keine Rolle.
„Was der da macht, ist für mich nicht nachzuvollziehen …“
Ihr Vorgesetzter stellt Sie ohne Angabe von Belegen zur Rede, auf deren Grundlage man sachlich diskutieren könnte.
Das passiert Ihnen ein- oder zweimal, und dann bringen Sie sich in der Regel nicht mehr ein. Der Kollege hat Sie – seinen Konkurrenten – ausgeschaltet. Meist wechseln Sie dann freiwillig, wenn Sie einen neuen Job gefunden haben.
Als Mobbing werden die geplanten Aktionen in Summe gezählt – wie viele es sein müssen, ist nicht klar festgelegt.
Manche Gerichtsurteile sprechen von drei Fällen in einem Zeitraum von ungefähr einem Jahr. Können Sie fünf nachweisen, glaubt Ihnen das Gericht auch die anderen zweiundzwanzig. Aber Sie müssen möglichst die bewusste Handlung des Mobbenden nachweisen. Was gerade für viele Außendienstmitarbeiter oder Mitarbeiter in der Fertigung ohne Zugang zum Intranet praktisch unmöglich ist, da viele Anweisungen nur mündlich und ohne Zeugen durchgeführt werden. Deshalb werden diese Anweisungen ja auch mündlich gegeben und als sogenannter Kurzer Dienstweg angepriesen.
In diese Gruppe gehören nicht die fachlichen Diskussionen: Kollege A möchte eine Aufgabe so gelöst haben, Kollege B würde es gerne anders machen. Dann entscheidet manchmal der Vorgesetzte und das muss nicht immer richtig sein. Fehlentscheidungen aus diesem Bereich sind zwar kein Mobbing, können dieses allerdings auslösen. Denn stellen Sie sich vor, Ihr Vorgesetzter täuscht sich dreimal, wird er es Ihnen verzeihen? Wird es der Kollege Ihnen verzeihen?
3.6 Der Schoßhund
Unabhängig von der charakterlichen Einstellung des Kollegen kann auch der Schoßhund-Effekt auftreten.
Beispiel
Der Liebling des Chefs darf sich verbal weit über die üblichen Umgangsformen abfällig über die Kollegen äußern. Würden Sie sich der gleichen sprachlichen Ausrutscher bedienen, müssten Sie mit einer Abmahnung wegen ungebührlichen Verhaltens rechnen. In schlimmen Fällen kann daraus eine fristlose Kündigung werden. Kritisieren Sie beispielsweise die Qualität der Zuarbeit, indem Sie feststellen, dass „in der Planung keine Struktur“ zu erkennen ist, haben Sie eine Abmahnung verdient, weil man das man schöner formulieren könne. Der Schoßhund darf Ihre Datengrundlage allerdings als „Sodom und Gomorra“ bezeichnen, ohne dass er auch nur zurechtgewiesen wird.
Neigt der Chef und Geschäftsführer auch zu verbalen Ausrutschern – als Beispiel hatten wir die Bezeichnung eines Vertrieblers vor den anderen Kollegen als Telefon-Hure – ist die Wahrnehmung des Geschäftsführers über Art und Weise professioneller Umgangsformen mit Sicherheit gestört.
Deswegen ist es egal, ob es sich um eine Seilschaft zwischen dem Schoßhund und dem Vorgesetzten handelt oder eine andere Art der Bindung – es spielt für Sie im Ergebnis keine Rolle.
3.7 Der Jurist
Juristen stellen in dem Bereich der