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sie maßregelte und etwas in seinem Sinn verändert haben wollte, nervte sie ihn mit der Frage: „Auf griechisch-römisch vielleicht?“
Die Aufzucht ihrer beiden Kinder lag weit hinter ihr, so dass sie nicht die geringste Lust verspürte, noch einmal von vorn anzufangen. Deshalb gab sie in vielen Dingen nach. Nicht zuletzt, weil sie gegen die Flut von Anordnungen des Neupensionärs ohnehin machtlos war.
Im Keller hing z. B. über der Waschmaschine ein Schild mit der Aufschrift.
BITTE DEN KRAN NACH DEM GEBRAUCH DER WASCHMASCHINE ZUDREHEN!
Was denn wäre, wenn der Kran offen bliebe, hatte sie sich doof gestellt, wobei ihm schon anzusehen war, wie ihm der Kamm mächtig schwoll.
„Dumme Frage“ brummte er und übertrieb wie so häufig. Machte ihr klar, dass der gesamte Keller unter Wasser stehen könnte.
„Könnte, könnte, immer alles im Konjunktiv“ meinte sie schnippisch. Und weil sie gern das letzte Wort hatte, stellte sie fest:
„Und nebenbei bemerkt, lieber Rudolf, kann ich im Falle eines Falles, und im Gegensatz zu dir, schwimmen!“ Eine kindische Feststellung, sie wusste darum.
Dafür unterließ sie es zu fragen, ob der Kran vielleicht nicht doch noch auf griechisch-römisch zuzudrehen sei, weil seine Steilfalte zwischen den beiden Brauen sich vertiefte und ihr ganz mulmig ums Herz wurde.
Selbst mit dem Mittagessen war er seit kurzem nicht mehr zufrieden.
Früher hatte er achtlos die Bissen heruntergewürgt, dabei die Zeitung gelesen in seiner knappen Zeit, die er sich selbst verordnete. Immerzu hatte er gleich Catchup auf fast jedes Essen geschüttet, ohne es überhaupt nur angerührt zu haben, so dass sie sich fragte, wozu sie sich eigentlich der Mühe unterzog, überhaupt noch schmackhafte und zeitaufwendige Saucen zuzubereiten. Vielleicht hing sein übersteigerter Verzehr der roten Scheußlichkeit mit seiner Prostata zusammen. Sie wusste es nicht. Er ließ sich sowieso niemals in die Karten gucken. Sie hatte irgendwo gelesen, Tomaten seien ein gutes Vorbeugemittel gegen Krebs. Möglicherweise auch gegen jenen unterhalb der Gürtellinie?
Nach dem „Genuss“ von Catchup und etwas, das ihm nicht mehr zu analysieren gelang, war der Unzufriedene wieder eilig, wie immer, ins Büro zu seinen Leuten gefahren, denen er mit seinen Anordnungen auf den Geist gehen mochte. Rudolf war schon immer ein Mann, der das Sagen haben musste. Er tat allerdings auch eine Menge dafür und schonte sich nicht. Jedoch so viel Einsatz wollte er durch Einsicht, sprich Gehorsam, belohnt wissen.
Als sie beide jung verheiratet waren, hatte Rudolf sie in einer stillen Stunde beiseite genommen und ihr jovial mitgeteilt:
„Ich denke, in einer Ehe kann nur einer das Sagen haben! Bitte, stimme dem bei, Hertalein!“ Hertalein hatte das nicht so recht einsehen wollen, bei ihren Eltern war das nämlich ganz anders. Da hatte ihre Mutter das Heft in der Hand. Aber verliebt wie sie nun mal war, bat sie um Bedenkzeit, die der um fünf Jahre ältere Rudolf diesem Dummchen gern gewährte, zumal er ihr klar gemacht hatte, es wäre ähnlich wie bei einem Schiffskapitän, der ja auch nur als Einziger Befehle erteilen würde.
„Nun ja, bei einem Kapitän in Seenot etwa, ist das was ganz anderes,“ hatte sich Herta gedacht, aber gründlich wie sie war, überlegte sie sich seinen Vorschlag in aller Ruhe, war auch zu einem guten Resultat gekommen. Nach einigen Tagen hakte Rudolf noch einmal nach.
„Na, hast du dich entschieden meine Kleine?“ Wieder dieser blöde Tonfall. Der große blonde Mann beugte sich zu seiner kleinen dunklen Herta herunter, die ihre randlose Brille zurecht rückte und sich zunächst nicht an das Gespräch zu erinnern gedachte.
„Wofür soll ich mich entschieden haben, Rudolf?“ Mit ihren dunklen treuen Augen sah sie Rudolf so lieb an, dass er förmlich dahinschmolz. Er erinnerte sie an sein Vorhaben allein das eheliche Steuer in die Hand nehmen zu wollen, weil wie schon erwähnt, nur einer, na, sie wüsste schon.
„Du hast Recht, Rudolf, in einer Ehe sollte nur einer das Sagen haben!“ säuselte sie.
Ach, wie Rudolf sie in diesem Moment liebte. Er hatte einen guten Griff getan, obwohl ihn seine Mutter, ihren einzigen und einzigartigen Sohn seinerzeit gewarnt hatte mit der Feststellung:
„So eine aufmüpfige Frau heiratet man nicht!“
„Ich möchte dir bitte einen Vorschlag machen,“ vernahm Rudolf, war ganz Ohr und sein Glücksgefühl kannte keine Grenzen.
„Aber gern, meine Liebe!“ Er rückte näher an sie heran. Welches Glück hatte er doch mit dieser kleinen Frau, die man noch so richtig zurechtbiegen konnte.
Er reckte sich, fiel aber gleich wie ein Hefeteig zusammen, als er die nunmehr feste Stimme seiner jungen Frau vernahm, die forderte: „Dann lass mich das Sagen haben!“
In den beinahe fünfzig Ehejahren wurde das Thema nicht ein einziges Mal mehr angeschnitten.
„Meine Güte, wo ist die Zeit geblieben?“
Hertas monatliches Treffen fand wieder einmal statt.
Gern ließ Rudolf sie nicht ziehen. Für seinen Geschmack hatte Herta einen viel zu großen Freundes- und Bekanntenkreis. Er selbst war eher introvertiert und außer mit Herta ausschließlich mit seinem Beruf verheiratet gewesen, bisher jedenfalls. Das genügte ihm vollauf. Deshalb ängstigte ihn der Gedanke an die baldige Pensionierung nicht wenig.
„Du musst dich darauf vorbereiten“ hatte Herta ihm gepredigt. Schon lange, bevor es tatsächlich der Fall war, hatte sie verschlagen und nicht ohne Eigennutz versucht, ihn für irgendein Hobby zu begeistern. Nicht auszudenken, wenn sie diesen Pedanten in Zukunft etwa als Arbeitsvorbereiter in ihrem Haushalt, tagaus und tagein und bis zu ihrem Lebensende um sich haben würde.
„Du könntest einen Fotokurs besuchen im „Hermannhaus“, oder zu malen anfangen.
Er hatte sie wild angesehen, sein energisches Kinn vorgeschoben und gebrüllt:
„Ich will diese Vorschläge niemals mehr hören,“ und sein: „Basta!“ hätte Tote erwecken können. Im Zeichen des Löwen geboren, war das Gebrüll für ihn ein Muss, im Gegensatz zu Herta, der es als Wassermannfrau nicht einfiel, jemanden bevormunden, oder gar ändern zu wollen. Beides hielt sie für genauso unmöglich, wie wenn sie versuchen wollte, Schneeflocken zu rösten.
Sie hatte schon immer viel von Sprichwörtern gehalten.
„Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ war ihre Maxime, die sie selbstverständlich auch bei ihren Kindern vertrat.
„Und was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andren zu!“ war für sie ein ebenso wichtiger Grundsatz, den sie auch Rudolf gern vermittelt hätte.
Wie gut man sich doch kannte im Laufe der vielen Jahre. Zu gut für ihren Geschmack. Schon deshalb war es für Herta unerlässlich, ihren Kreis aufrecht zu halten. Es hätte schon längst kaum mehr einen Gesprächsstoff gegeben. Eindrücke bekam man von außen, von Freunden zum Beispiel und die wuchsen nun mal nicht am Wegesrand. Um alles im Leben musste man sich mühen und bemühen. Rudolf dachte da ganz anders. Das mit der Mühe war er nicht imstande einzusehen. Er brauchte keine Freunde, höchstens seinen Computer, der ihm schon vor der Pensionierung und jetzt erst recht Freude machte. Das technische Wunderwerk tat nur das, was sein technisch versierter Meister ihm befahl, nicht mehr und nicht weniger. Auch waren keine Widerworte zu erwarten. Er brauchte im Grunde genommen vor der Pensionierung keine Angst zu haben. Nicht mit einem solchen Freund im Rücken, dem er
noch nicht einmal zu antworten brauchte, und den er vor allem durch Ausschalten ruhig stellen konnte. Zudem, wie sollte er sich auf seinen letzten Lebensabschnitt vorbereiten?
„Da kann ich mich ja gleich auf den Tod einstellen“ hatte er unwirsch geknurrt.
Herta wusste, wovon sie sprach. Sie war im Kreis ihrer langjährigen Freundinnen die Jüngste. Sie waren ihr alle durch ihre mehr oder weniger leidvollen Erfahrungen mit ihren Männern und deren Ruhestand, ein gutes Stück voraus. Bei ihrer Freundin Lotte hatte das Schicksal sich bewährt und positiv nachgeholfen.