Shylock Holmes. Martin Cordemann

Shylock Holmes - Martin Cordemann


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überhaupt ein Geist auftauchen.

      SHYLOCK: Dann kannst du mir über den Mord an Rael also nichts sagen.

      GEIST: Stimmt.

      SHYLOCK: Hmmm, kannst du denn wenigstens was von Shakespeare zitieren?

      GEIST: Nein. Ich bin nur ein alter Geist, ich habe damals den Banquo gegeben, aber das war ja mehr eine stumme Rolle. Außerdem höre ich seit ein paar Dramen nicht mehr so gut und deswegen muss man lauter sprechen. Ich trete also auf und ich verstehe niemanden, weil ich nichts höre und niemand versteht mich, weil ich nichts weiß! „Und das ist der Humor davon!“

      SHYLOCK: Hey, du kannst es ja doch! ‘König Heinrich V.’! Schade, dass du mir nichts über den Mord sagen kannst.

      GEIST: Nimm’s nicht tragisch!

      SHYLOCK: Häh?

      GEIST: Vergiss es, Insiderwitz. Tja, kann ich vielleicht sonst noch was für dich tun?

      SHYLOCK: Du könntest für mich im Büro anrufen und denen sagen, dass es bei mir ein bisschen später wird.

      GEIST: Das dürfte schwierig werden.

      SHYLOCK: Warum, kennst du die Nummer nicht?

      GEIST: Doch, aber ich bin eigentlich nur ein Produkt deiner Phantasie, deiner verkaterten alkoholgeschwängerten Phantasie sollte man hinzufügen, und als solches fällt es mir schwer, zu telefonieren.

      THELLO: (off) Hallo? HALLO?

      SHYLOCK: Oh Gott. Wer kann das sein?

      GEIST: Das ist Thello, um dich abzuholen, weil er damit gerechnet hat, dass du dich heute Nacht besaufen und heute morgen nicht in der Lage sein würdest, ins Büro zu kommen.

      SHYLOCK: Wenn du ein Produkt meiner Phantasie bist, woher weißt du das dann so genau?

      GEIST: Püh! Also dann, mach’s gut! (ab)

      SHYLOCK: Kommen Sie rein, Thello.

      THELLO: (überrascht) Woher wussten Sie, dass ich es bin?

      SHYLOCK: Püh!

      THELLO: Ich dachte, wenn Sie abends die Kneipe untersuchen, würden Sie heute nicht in der Lage sein, ins Büro zu kommen!

      SHYLOCK: Weiß ich doch, weiß ich doch...

      THELLO: Und, haben Sie etwas herausgefunden?

      SHYLOCK: Häh? Oh, jaja. Wir fahren gleich ins Theater!

      THELLO: Warum?

      SHYLOCK: Reine Routine. Warum eigentlich? Irgendwas war da. Waschbecken! Wir müssen ein Waschbecken finden.

      THELLO: Hat man Ihnen jetzt doch endlich den Strom und das Wasser abgestellt?

      SHYLOCK: „Wie jeder Narr mit den Worten spielen kann! Bald, denke ich, wird sich der Witz am besten durch Stillschweigen bewähren und Gesprächigkeit bloß noch an Papageien gelobt werden.“

      THELLO: Bitte?

      SHYLOCK: ‘Der Kaufmann von Venedig’, dritter Akt, fünfte Szene. Dieses Waschbecken wird von fundamentaler Bedeutung für diesen Fall sein.

      THELLO: Soll ich Sie stützen?

      SHYLOCK: Wären Sie ein Mädchen und hübsch, hätte ich nichts dagegen.

      THELLO: (mütterlich-ironisch) Dann könnten Sie Ihr Köpfchen, wenn es so weh ist, auf meinen Schoß legen.

      SHYLOCK: „Ein schöner Gedanke, zwischen den Beinen eines Mädchens zu liegen.“

      THELLO: (entrüstet) Bitte?

      SHYLOCK: ‘Hamlet’, dritter Akt, zweite Szene. Lesen Sie’s nach!

      THELLO: Soll das jetzt der Shakespeare-Rezitations-Kriminalfall werden?

      SHYLOCK: Ich dachte, das wäre offensichtlich? Sagen Sie, haben Sie eben zufällig einen Geist durch die Wand dieses Hauses hinausgehen sehen?

      THELLO: Sind Sie jetzt völlig durchgedreht?

      SHYLOCK: Auch diese hohle Phrase musste kommen!

      THELLO: Bitte?

      SHYLOCK: ‘Wilhelm Tell’, abgewandelt!

      THELLO: Der Tell ist doch aber nicht von Shakespeare.

      SHYLOCK: Da kann ich Ihnen nur voll und ganz zustimmen.

      THELLO: Und von wem ist er?

      SHYLOCK: Tja, wenn Sie das nicht wissen...

      BEIDE (gehen ab)

      AUSBLENDE

      Dritte Szene

      (Im Theater)

      SHYLOCK: Für was würden Sie das halten?

      THELLO: Für Ihren Finger? (schnuppert daran) Puder?

      SHYLOCK: Zum Schminken? Wie es Frauen benutzen, wenn ihr Make-up verschmiert ist, beispielsweise nach einer kleinen Schmuserei?

      THELLO: Möglich.

      SHYLOCK: Gut. Rufen Sie die Spurensicherung und die Jungs vom Labor, die sollen sich das ganze Waschbecken vornehmen.

      TELMAH: (tritt auf) Wer ist da? Oh...

      SHYLOCK: Wir sind es nur! „Ihr spieltet uns diese Nacht einen schönen Streich?“

      TELMAH: (stutzt) „Guten Morgen, meine Freunde! Was für einen Streich?“

      SHYLOCK: „Einen Diebesstreich: Ihr stahlt Euch unversehens davon!“

      TELMAH: (lächelt) ‘Romeo und Julia’, zweiter Akt, vierte Szene.

      SHYLOCK: Ganz recht. Romeo, äh, Thello, tun Sie wie Ihnen geheißen!

      THELLO (ab)

      SHYLOCK: Tja, wir hatten tatsächlich recht. Puderspuren im Waschbecken. Damit wird der Fall ziemlich klar.

      TELMAH: Ich kann immernochnicht glauben, dass Julietta ihren Geliebten ermordet hat.

      SHYLOCK: Das kann ich verstehen. Aber manchmal sind die Dinge anders, als sie erscheinen... oder als wir sie uns wünschen.

      „Ein zornig Weib ist gleich getrübter Quelle

      Unrein und sumpfig, widrig, ohne Schönheit.“

      TELMAH: ‘Der Widerspenstigen Zähmung’, fünfter Akt, zweite Szene.

      SHYLOCK: Ja. Die Frage ist nur, wie wir ihr die Tat nachweisen können. Sowas ist meist der knifflige Teil.

      THELLO: (tritt auf) Ich habe vom Wagen aus angerufen, es kommt gleich ein Wagen.

      SHYLOCK: Häh? Vom Wagen angerufen, damit ein Wagen kommt, von dem aus Sie anrufen können?

      THELLO: Sie haben mich ganz genau verstanden.

      SHYLOCK: Das beweisen Sie mal.

      NAGER, DRAWIS und OEMOR (treten auf)

      OEMOR: Na, haben Sie unser Alibi überprüft?

      SHYLOCK: Selbstverständlich.

      DRAWIS: Sind Sie verkatert?

      SHYLOCK: Selbstverständlich. (zur NAGER) Zu Ihnen wollte ich.

      NAGER: Was kann ich für Sie tun?

      SHYLOCK: Nun, ich würde gerne wissen, ob Sie sich vorgestern Abend im Büro Ihres Geliebten geschminkt und gepudert haben?

      NAGER: Nein, habe ich nicht.

      SHYLOCK: Sonst irgendwann in den letzten Tagen?

      NAGER: Nein.

      SHYLOCK: In den letzten Wochen, Monaten, Jahren?

      NAGER: Nicht dass ich wüsste.

      SHYLOCK: Dann werden Sie wohl nichts dagegen haben, wenn wir uns die Schminksachen aus Ihrer Handtasche ansehen, nicht wahr?

      NAGER:


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