In der Q-Schlinge. Manfred Hinderer

In der Q-Schlinge - Manfred Hinderer


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Eigentlich sind sie unbezahlbar. Auch wird ein Chefarzt, Pilot oder Architekt nicht mit dieser Dichte an Nachweisforderungen für die Erhaltung seiner Qualifikation konfrontiert und überwacht.

      Die Witnessauditoren kommen aus großen Unternehmen, in denen sie Positionen im Qualitätsbereich inne hatten, oft waren sie langjährig für Verbände und Gremien tätig. Sie kennen die Normen, ihre Rolle dient der Absicherung, dass das Zertifizierungsgeschehen regelkonform abläuft. Die Kosten trägt die Zertifizierungsstelle, die sie natürlich in den Audit- und Zertifikatsgebühren an die begutachteten Firmen weitergibt.

      F erlebte 14 Witnessauditoren im Laufe der Jahre. Ihre Kompetenzen waren natürlich durch Qualifikationslehrgänge und Prüfungen gewährleistet, der Beobachtung nach streuten sie etwa im Muster einer breiten Normalverteilung. Mit allen musste er notgedrungen kooperieren, denn ihre Berichte waren entscheidend für die weitere Zulassung als Auditor. Diese Verrenkungen mochte er sich nicht unbedingt viel länger antun.

      Nun war er also entschlossen, sich von dieser Tätigkeit zurückzuziehen.

      Seine 68 Jahre waren nicht der entscheidende Grund, denn die Gesundheit spielte noch mit, er hielt sich durch Joggen einigermaßen fit und mit den begutachteten Firmen gab es auch keine Reibungen. Nein, es war mehr eine Summe von Strömungen und Erscheinungen, die ihm Zweifel an der Nachhaltigkeit und Seriosität des gesamten Konzeptes weckten. Er konnte es nicht mit einem einzelnen Faktum beschreiben. Sicher gab es konkrete Schwächen in der Organsiation, die angetreten war, der Wirtschaft zu dienen, Vertrauen im Geschäftsverkehr zu entwickeln und Verschwendung zu vermeiden. Natürlich hatte es mit der Zertifizerungsorganisation hin und wieder Differenzen gegeben - weil er eigene Meinungen entwickelte und damit nicht gerade diplomatisch umging. Aber das war nicht die veränderte Grundstimmung, die er empfand. Es hatte sich etwas verselbständigt. Die mit Idealismus gestartete Bewegung hatte kommerzielle und bürokratische Schlagseite bekommen, Ansätze der Selbstheilung blieben früh stecken und der Spagat, das System vor Kunde zu vertreten und das Beste aus ihm zu machen, andererseits aber die kritische Beobachtungsdistanz nicht zu verlieren, wurde immer anstrengender.

      Er war zunehmend überzeugt, dass das System nötig war, aber ohne Reform nicht überlebensfähig schien – zumindest nicht wirkungsvoll bleiben konnte. Das Schiller-Zitat kam ihm in den Sinn: Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre.

      Für Ideen, die dem ganzen wachsenden Gebilde der „Qualitätsindustrie“ eine neue Richtung verleihen konnten, war keine geeignete Lobby zu erkennen, denn die interssierten Parteien versuchten natürlich, ihre jeweilige Nische auszubauen. Wer da mit Rückbau-Ideen antreten wollte, hätte gleich verloren.

      Wie könnte es gehen, die in den letzten dreißg Jahren gewonnenene Substanz im Bereich des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung zu bewahren, aber gleichzeitig zu transparenteren und schlankeren Abläufen und Lösungen zu kommen? Was in einem einzelnen Unternehmen durchsetzbar ist, wenn es um das Zuückschneiden von Wildwuchs und die Besinnung auf die Kernaufgaben geht, ist in dem komplexen Geflecht von Organisationen im Wirtschaftsgeschehen nicht möglich.

      Oder doch? Ist es möglich, von einzelnen Inseln aus, eine Bewegung auszulösen, die dem Ziel der Qualität voll verpflichtet bleibt, aber die Umwege, die unnötige Bürokratie und die verschiedenen subtilen Formen von Verschwendung beseitigt. Vielleicht verbünden sich doch einmal einige Beteiligte zu einer „Task-Force“, die das Thema angehen. Man sollte nicht unbedingt darauf wartern, dass die Bewegung erneut von anderen Ländern ausgeht.

      Am Ende seiner Reflektionen hatte er sein Tagesziel erreicht und konzentrierte sich auf das Eröffnungsgespräch des Audits bei seinem französischen Kunden.

      Die Auditorentätigkeit abzuschließen fiel F nicht ganz leicht. Er musste bekennen, dass er von dem Tätigkeitsspektrum immer noch fasziniert, ja infiziert, war. So lange es kein gesundheitliches Problem gäbe, sah er keinen Grund, mit der Arbeit im Dienste der Qualität aufzuhören. Sein Schlüsselerlebnis für die Erkenntnis, dass starre Altersgrenzen Unsinn sind und eine Diskriminierung darstellen, hatte er bei einem Audit in den USA. Beim Besuch des Werkstofflabors einer Firma bemerkte er, dass die Leiterin sicher nicht mehr zu den Jüngsten gehörte. Der Qualitätsleiter wies stolz darauf hin, dass die Dame bereits 78 Jahre alt sei. Als die Laborleiterin beim Lunch zufällig neben F Platz nahm, fragte er sie vorsichtig, was der Grund sei, dass sie noch arbeite. Sie antwortete etwas aufgebracht, warum er das frage. Ob denn die Bosse signalisiert hätten, dass sie den Job schlecht mache? Das war aber nicht der Fall. „Na also - diese Arbeit macht mir Spaß, ich komme jeden Morgen hier her, treffe nette Leute, meine Kinder sind aus dem Haus, mein Mann ist gestorben – kannst Du mir sagen, warum ich nicht arbeiten soll?“

      Neben der Tätigkeit als Auditor war es F immer wichtig, gestalterisch tätig zu bleiben. Die Unterstützung kleiner Firmen beim Aufbau oder Umbau ihres Qualitätsmanagementsystems hielt ihn auf dem Laufenden in der realen Welt der Wirtschaftsinterssen und Zwänge. Daneben wurde er um Stellungnahmen zu speziellen Problem- und Streitfällen gebeten, er führte die eine oder andere Schulungsmaßnahme durch und half verschiedenen Unternehmen bei der Entwicklung ihrer Lieferanten. Um das Feld nicht ganz zu räumen, entschloss er sich, diese Art der beratenden Tätigkeiten beizubehalten. Langjährige Tätigkeit im Qualitätsgeschäft prägt – vielleicht sollte man sagen verdirbt – die Persönlichkeit irreversibel.

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