Die Einführung des Fernsehens im Senegal. Johannes Hahn
Studie beleuchtet zunächst juristische und finanzielle Probleme. Die Finanzierung der Fernseheinführung wird selbst in einem “relativ reichen Land wie dem Senegal” als das größte Problem eingestuft. Deswegen wird empfohlen, dem Fernsehsender eine Rechtsform zu geben, die nicht nur Finanzierung durch Werbung, sondern auch durch spezielle Steuern erlaubt - denn der Teil der Bevölkerung, der sich einen Fernseher leisten könne, sei wohl auch in der Lage, Steuern zu zahlen. Finanzierung durch Steuern sei auch deswegen nötig, weil im ersten Jahr mit lediglich 3500 Fernsehgeräten im Großraum Dakar zu rechnen sei, womit sich die Werbeeinnahmen auf etwa 20 Millionen Francs CFA beschränken würden43.
Der zweite Abschnitt der Studie widmet sich dem “Programmproblem”. Ein Fernsehsender, der nur ausländische Produktionen als “Konserve” abspielen würde, sei nicht wünschenswert - aber die Eigenproduktion sei teuer und besonders in der Anfangsphase nur schwer zu verwirklichen. In dieser Phase sei es realistisch, etwa ein Drittel der geringen Sendezeit (täglich etwa zweieinhalb Stunden) mit Eigenproduktionen zu füllen (vor allem lokale Nachrichten und Übertragungen von lokalen Kulturereignissen etc.), ein Drittel mit umsonst angebotenen Filmen und Serien zu überbrücken und für das verbleibende Drittel könne auf französische RTF-Produktionen zurückgegriffen werden. Nicht ganz selbstlos zählt das französische Fernsehen auf, welche Sendungen es anzubieten habe: Die Kulturmagazine “Lecture pour tous” und “Terre des Arts”, verschiedene Fernsehdramen, ein “Magazine Féminin”, “Les Aventures de Tintin” usw. Diese “Fernsehentwicklungshilfe” werde vom französischen Außenministerium gefördert, wodurch wöchentlich etwa 5 Stunden französisches Programm umsonst ausgestrahlt werden dürfe - der Rest müsse allerdings bezahlt werden. Weiterhin rät die Studie zu englischen und amerikanischen Serien, die sich im Libanesischen Fernsehen bewährt hätten: “Policier: `Sherlock Holmes´, Western: `Lone Riders´ und `Restless Gun´ und Série policière: `Mike Hammer´”44. Auch der wöchentliche Programmablauf des libanesischen Fernsehens wird als beispielhaft betrachtet und, mit geringfügigen Veränderungen, dem zukünftigen senegalesischen Fernsehen zur Übernahme unterbreitet45.
Der dritte Abschnitt der Studie widmet sich der technischen Einrichtung. Unter Berücksichtigung der finanziellen Probleme wird vorgeschlagen, die Technik in vier Etappen einzurichten. Ein solches Vorgehen erlaube es auch, das erforderliche Personal in ebensolchen Etappen auszubilden.
In der ersten Phase könnte eine provisorische, aber ausbaufähige Technik installiert werden, beispielsweise eine Studiokamera, ein Tonpult, ein “Télécinema” (16mm) zum Abspielen eingekaufter Sendungen und ein Sender mit Antenne, der zumindest den Großraum Dakar abdecken würde.
In der zweiten Phase könnten dann Filmkameras, ein Entwicklungslabor und ein Reportagewagen (“Übertragungswagen”) beschafft werden, damit lokale Nachrichten selbst hergestellt werden könnten. Der Reportagewagen könne auch als Regie für ein großes provisorisches Studio (beispielsweise in einem Hangar) genutzt werden. In dieser Phase sollte auch die Verwaltung des Fernsehsenders ausgebaut werden.
In der dritten Phase müsse dann ein großes Studio und dazugehörige Regie- und Tonräume, Werkstätten, Magazine, Büros usw. gebaut werden - exakte Pläne für diesen Neubau einer Fernsehanstalt wurden gleich mitgeliefert.
In der vierten Phase sollte dann die tatsächliche technische Ausstattung vervollständigt werden: ein 35mm “Télécinema”, ein stärkerer Sender und die endgültige Ausstattung des großen Studios mit Kameras, Ton und Beleuchtung, Regie usw.46
Im Anschluss an dieses Phasenmodell wird die technische Einrichtung auf weiteren 20 Seiten noch eingehender beschrieben. Es werden bestimmte Geräte angepriesen, die Baupläne erläutert, der Energieverbrauch kalkuliert und sogar Schaltpläne und Überlegungen zur Antennenhöhe und der Sendefrequenz präsentiert.
Der vierte Abschnitt der SORAFOM-Studie beschäftigt sich mit dem Personal, das der geplante Fernsehsender benötigen würde. Der stufenweise Aufbau des Senders erlaube eine ebenso “progressive” Rekrutierung der Mitarbeiter. Da es kein qualifiziertes senegalesisches Personal gebe, müsse wohl zunächst auf Mitarbeiter des französischen Senders RTF zurückgegriffen werden (auch diese Art der Unterstützung werde vom französischen Außenministerium gefördert), die später durch Senegalesen ersetzt werden könnten, sobald diese ihre Ausbildungen in den Schulstudios der SORAFOM abgeschlossen hätten47.
Der fünfte und letzte Abschnitt der Studie listet den finanziellen Bedarf für die vier einzelnen Phasen der anvisierten Fernseheinführung auf. Bereits die Kosten der ersten Phase, in der lediglich eine provisorische technische Einrichtung vorgesehen war, wurden auf fast 93 Millionen Francs CFA geschätzt. Im Anhang der Studie werden die veranschlagten Kosten in mühsamer Kleinarbeit bis hin zu jeder einzelnen im Studio benötigten Trittleiter aufgeschlüsselt. Trotz der französischen Unterstützung in Form von Personal und fertigen Sendungen belaufen sich die Gesamtkosten der vier Phasen der Fernseheinführung auf rund 280 Millionen Francs CFA, was damals über 5,5 Millionen französischen Francs oder 1,12 Millionen US-Dollar entsprach48.
Ohne Zweifel war seitens der SORAFOM mit dieser Studie versucht worden, der senegalesischen Regierung eine Einführung des Fernsehens schmackhaft zu machen. Darauf verweist nicht nur die wiederkehrende Erwähnung der französischen Unterstützung, sondern auch der häufige Verweis auf das libanesische Fernsehen, dass nach exakt diesem SORAFOM-Rezept erfolgreich errichtet worden war.
Dass die senegalesische Regierung auf diese Studie nicht wie erhofft positiv reagierte, hängt höchstwahrscheinlich mit den veranschlagten Kosten zusammen. 280 Millionen Francs CFA waren 1960 im Senegal eine beeindruckend hohe Summe und in einem ohnehin schon knapp bemessenen Staatshaushalt nicht ohne weiteres aufzutreiben. Allerdings hat die senegalesische Regierung nie offiziell zu dieser Studie Stellung bezogen (ein weiterer Hinweis dafür, dass die Studie womöglich von der SORAFOM, und nicht von der Regierung initiiert wurde). Sicher ist nur, dass die Vorschläge dieser Studie nicht umgesetzt wurden - über die Ursachen kann nur spekuliert werden. Der Zeitzeuge Cissé berichtet, dass Präsident Senghor bereits 1960 dem Fernsehen grundsätzlich abgeneigt war und eine Einführung dieser Technologie erst in zehn Jahren für realistisch gehalten habe49. Diese Haltung Senghors ist zwar 1960 anderweitig nicht dokumentiert, wird aber durch spätere Quellen bestätigt50. Denkbar ist auch, dass es der jungen Regierung nach der Unabhängigkeit nicht angemessen erschien, im Senegal eine “Parodie des französischen Fernsehens” (Cissé) zu etablieren. War man besonders im Bereich der Wirtschaftspolitik auf weitere Zusammenarbeit mit den Franzosen angewiesen, so wollte man vielleicht gerade in der Kultur- und Informationspolitik jeglichen Einfluss des ehemaligen Kolonialherren vermeiden.
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