Der asiatische Archipel. Ludwig Witzani

Der asiatische Archipel - Ludwig Witzani


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Literaturnachweise und Anmerkungen

       Weitere Veröffentlichungen von Ludwig Witzani

      Einleitung

       Eine Echse kriecht über den Strand von Komodo. Wenn sie dich erwischt, frisst sie dich bei lebendigem Leib. Ein Vater ist gestorben und wird verbrannt, damit sich seine Seele neu inkarnieren kann. Über dem Bromo-Vulkan geht die Sonne auf und beleuchtet eine Szene wie am ersten Schöpfungstag. Ein Orang Utan wartet auf Sozialunterstützung am Bohorok River im Dschungel von Sumatra. Pattimura schwingt seine Riesenmachete auf den Molukken. Auf einer langen Prozession wandelt der Besucher am Borobodur die Ebenen des Seins entlang bis zur Stufe der höchsten Erkenntnis. In den Wäldern von Londa blicken die Abbilder der Toten von ihren Balkonen auf dich herab. Und im Baliem Valley schwingen die Dani ihre Speere wie in alten kannibalischen Zeiten.

      Das sind nur einige der Facetten, die ein Land von geradezu kontinentalen Ausmaßen für den Reisenden bereithält: Indonesien. Sieben bis acht Flugstunden trennen Banda Aceh im äußersten Westen Indonesiens von Jayapura, der Hauptstadt Westpapuas im äußersten Osten des Landes. Dazwischen liegen 17000 Inseln, darunter einige der größten der Welt, allen voran Java, die Weltinsel, auf der nicht weniger als 140 Millionen Menschen in einem fruchtbaren Garten leben, wie es ihn auf der Welt kein zweites Mal gibt. Aber auch Sumatra, Borneo, Sulawesi, Bali und Papua sind jede für sich eine eigene Reise wert. Das wären dann schon sechs Reisen, und man hätte immer noch nicht alles gesehen. Die Vielfalt Indonesiens übersteigt die Fassungskraft eines Menschenlebens.

      Dass Indonesien als Reiseland die Fassungskraft übersteigt, hat aber auch seine Vorteile. Der Reisende kann immer wieder zurückkommen und wird noch etwas Neues finden. Ihm wird aber auch Vertrautes wieder begegnen, und zwar umso vertrauter, je öfter er das Land bereist. Für mich sind es vor allem vier vertraute Phänomene, die in ihrer Gesamtheit das Land wenigstens ansatzweise umreißen.

      Zunächst die Inseln und das Meer. Indonesien ist ein Inselreich, der größte Archipel der Welt, eine Seelandschaft, die die Menschen verzaubert hat, seitdem sie sie entdeckt haben. So gierig die ersten Weltumsegler nach den Gewürzinseln suchten, so bestürzt waren sie von der Schönheit dessen, was sie am Ende ihrer Reise entdeckten.

      Sodann Vulkane. Wo immer man sich in Indonesien aufhält, spürt man die Tätigkeit gewaltiger Kräfte aus dem Innern der Erde, entweder aktuell als drohender Ausbruch oder als geronnene Natur. Seinen Vulkanen verdankt das Land seine immense Fruchtbarkeit, aber auch unendliches Leid bei den oft unvorhergesehenen Vulkanausbrüchen.

      Schließlich Religion. Kaum ein westlicher Reisender, der aus den kalten, entzauberten Regionen des Nordens nach Indonesien kommt, kann sich der Magie der Götter und Geister entziehen, die wie eine zweite Einwohnerschaft das Inselreich bewohnen. Nirgendwo in der Welt verzaubert eine Religion das Alltagsleben der Menschen derart wie der Hinduismus auf Bali. Nirgendwo in der Welt zeigt der Islam ein so freundliches Gesicht wie in Indonesien, auch wenn sich im Zuge der religiösen Renaissance des Islam die Verhältnisse langsam ändern.

      Indonesiens größter Schatz aber sind nicht seine Inseln, Vulkane oder Religionen, sondern seine Menschen. Auch wenn der zunehmende Tourismus bereits hier und da die Sitten verdorben hat, beherbergt das Land noch immer eine überaus gastfreundliche und hilfsbereite Bevölkerung. Gäbe es einen Preis für die freundlichste Bevölkerung der Welt, Indonesien wäre zweifellos ein Kandidat für einen Spitzenplatz. Die Menschen sind aber nicht nur auf eine herzerwärmende Art freundlich, sondern auch unglaublich fleißig. Indonesiens Bevölkerung hat sich in den letzten vierzig Jahren fast verdoppelt, und trotzdem gibt es keinen Hunger und langsam sogar einen bescheidenen Lebensstandard bei der Durchschnittsbevölkerung.

      Soweit die Superlative, denen natürlich auch Schattenseiten gegenüberstehen. Überall, wo Menschen leben, existieren Gewalt, Korruption, neuerdings auch Terror. Man denke nur an die schrecklichen Ausschreitungen im Zusammenhang mit dem kommunistischen Putsch der Sechziger Jahre. Mittlerweile hat die junge indonesische Demokratie, wenngleich nicht ohne Blessuren, auch die Erschütterungen der Jahrtausendwende überstanden.

      Ich selbst habe Indonesien im Laufe von gut zwanzig Jahren vier Mal bereist. Jedes Mal erkannte ich die liebenswerten Züge wieder, die ich oben beschrieben habe, jedes Mal aber auch etwas Neues, das sich in eine Richtung entwickelte, die noch offen war. Und jedes Mal dachte ich schon bei meinem Abschied daran, bald wiederzukommen.

      Gereist bin ich vom ersten und bis zum letzten Tag selbstorgansiert, als „Backpacker“ oder „Traveller“, wie es unter Individualreisenden heißt, später als schon etwas arrivierterer als Einzelreisender mit einem ausgeprägten Interesse an der Geschichte. Alles, was mir widerfuhr, habe ich in vier eng beschriebenen Reisetagebüchern festgehalten, getreu dem Diktum von Ernst Jünger, dass das, was nicht nur erlebt, sondern auch beschrieben wird, tiefer in der Seele haftet. Manche unmittelbaren Eindrücke habe ich ungefiltert aus meinen Reisetagebüchern in den Text übernommen, das eine oder andere Faktum habe ich später genauer recherchiert und gegebenenfalls ergänzt. Die meisten Namen (nicht alle) habe ich aus Gründen der Diskretion verändert, auch bei Hotels bin ich ähnlich verfahren. Alle Urteile dieses Buches sind nur auf meinem Mist gewachsen. Sollte ich mich geirrt haben, gelobe ich Besserung, habe ich jemanden unwissentlich verletzt, bitte ich um Vergebung. Ebenso wie für den einen oder andern Fehler, der sich ganz sicher wieder in den Text eingeschlichen haben wird.

      Damit ist zugleich gesagt, dass dieses Reisebuch (wie alle Reisebücher) durch und durch subjektiv ist. Alle Beschreibungen von Menschen, Tempeln, Tieren oder Vulkanen, die sich in diesem Buch finden, sind nicht in erster Linie Darstellungen dessen „was ist“, sondern Spiegelungen dessen, was ich erlebte, angereichert mit meinen persönlichen Sichtweisen, meinen Werten, meinen Schwächen und Interessen, meiner Ungeduld oder Neugierde.

      Sollte irgendjemand dadurch affiziert werden, sich nach Indonesien aufzumachen, hätte ich mein Ziel erreicht.

Titel

      Start in Singapur

      Stipppvisite in einer properen Stadt

      Die Zukunft der Welt lässt sich heute schon anhand der großen Städte besichtigen. Da gibt es zunächst das durchkriminalisierte Modell „Gotham City“, auf das sich Caracas und Johannesburg zubewegen, dann ausufernde Riesenstädte wie Casablanca oder Karachi, in denen Kriminalität und religiöser Fundamentalismus eine beunruhigende Verbindung eingehen. Es gibt desaströs-endzeitliche Varianten wie Kalkutta oder Lagos und multikulturelle Städte am Rande der Regierbarkeit wie London, Berlin oder Brüssel. Neben ihnen stehen strikt autoritär geführte Städte wie Dubai oder Singapur, in denen das Leben auf eine ganz andere Weise funktioniert, als es der westliche Mensch gewohnt ist – mit mehr Kontrolle und Ordnung, klaren Regeln und genau definierten Grenzen des Privatbereiches.

      Unter westlichen Intellektuellen haben Dubai und vor allem Singapur gerade deswegen eine schlechte Presse. Dass man in der Öffentlichkeit nicht ungehindert die Sau rauslassen darf, dass Verschmutzung und Vandalismus streng bestraft werden, stört das eigene Freiheitsverständnis. Dass es in diesen Städten fast keine Kriminalität gibt, fällt demgegenüber merkwürdigerweise kaum ins Gewicht. Im Falle Dubais kommt die berechtigte Kritik an der Ausbeutung der südasiatischen Arbeitskräfte hinzu. Aber was gibt es an Singapur zu meckern?

      Aus eigener Anschauung wusste ich das nicht mehr, weil mein letzter Besuch in Singapur schon so lange zurücklag, dass ich mir kein Urteil mehr erlauben konnte. Ich erinnerte mich nur noch an eine wenig beeindruckende Chinesenstadt, an ein internationales Geschäftszentrum ohne besonderes Flair, das man wegen seiner gut funktionierenden Infrastruktur schätzte, in dem man sich aber nicht über Gebühr lange aufhielt.

      Einer meiner ehemaligen Schüler, Fabian Purps, der inzwischen als Schiffsmakler in Singapur


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