Die Weltgesundheitsformel. David Ekwe Ebobisse
intensivieren können, wenn wir unserem natürlichen Bedürfnis nach innerem und äußerem Frieden nachgehen. "Denn eines ist klar", so der Dalai Lama in »Das Herz der Liebe«, "wir alle haben als Menschen das natürliche Verlangen glücklich zu sein und kein Leid zu erfahren. Das ist ein Faktum. Und wir können es zu unserem Ausgangspunkt machen." (Quelle: Dalai Lama, Das Herz der Liebe, Hörspiel, Theseus, Auflage 1, 2006)
Leid existiert in diversen Formen
»Leid ist« laut Wikipedia »eine Grunderfahrung und bezeichnet als Sammelbegriff all dasjenige, was einen Menschen körperlich und seelisch belastet. Unter anderem werden die Nichterfüllung von Be-dürfnissen, Hoffnungen und Erwartungen, der Verlust von nahestehenden Individuen, die Trennung von sozialen Gruppen, äußere Zwänge und Begrenztheiten, Alter, Krankheit, Tod und Schmerzen als Leid empfunden. Leid ist immer subjektiv. Was tatsächlich als Leid empfunden wird, hängt vom Individuum ab, also von eigenen Erfahrungen und Einstellungen.«
Zu diesem Thema, über das Wikipedia nur wenig zu berichten weiß, hat der Buddhismus ein weitaus umfangreiches Verständnis entwickelt. Reden wir mit Buddhisten über »Leid«, verstehen sie darunter wesentlich mehr. In der fernöstlichen Weisheitstradition ist »Leid«, »Dukkha«, die erste von »Vier edlen Wahrheiten«, die das Leben neben Geburt, Alter, Krankheit und Tod in der Regel prägen.
Leid zu empfinden gehört im Buddhismus also zum Leben dazu?
Ja. Aber nur solange der Mensch im Rad der Wiedergeburt gefangen ist. Schafft er es, die Polarität von Gut und Böse zu überwinden und komplementär alle sich ergänzenden Gegensätze in sich zu verbinden, kann er Leid überwinden. Dabei unterscheiden Buddhisten aber mindestens zwischen drei Formen des Leids: dem Leid des Leidens; dem Leid angesichts von Veränderung und dem Leid der Bedingtheit.
Das Leid des Leidens ist das, was wir gewohnt sind »Leid« zu nennen. Es ist die gröbste, offensichtlichste Form des Leidens: wenn nichts mehr richtig funktioniert, wenn man krank ist, Freunde oder Familienangehörige sterben oder man aus anderen Gründen unangenehme Zustände und Schmerzen erlebt. Stets präzise in seinen Aussagen hat Buddha dieses Leid allerdings noch weiter aufgeschlüsselt. So beinhaltet diese Form des Leidens außerdem das Leid der Geburt, des Alterns, der Krankheit und des Sterbens; das Leid, von Geliebten getrennt zu sein, Ungeliebtem zu begegnen, Gewünschtes nicht zu erhalten und Erlangtes beschützen zu müssen.
Die zweite Form des Leids, die es nach buddhistischer Auffassung gibt, erkennen nur wenige zivilisierte Menschen als solches. Sie nennt sich »Leid angesichts von Veränderung.« Veränderung wird von einigen zwar als interessant und abwechslungsreich empfunden, treibt andere aber zur Weißglut, weil sie Angst vor Veränderungen in ihrem Leben haben und gewohnt sind nach Stabilität, Berechenbarkeit, Sicherheit und Statik zu streben. In dem Augenblick, in dem Menschen aber versuchen an materiellen Dingen, angenehmen Eindrücken, alten Gewohnheiten, menschlichen Körpern oder anderem Vergänglichen festzuhalten, ist Leid angesichts von Veränderung bereits vorprogrammiert. Denn sosehr wir es auch versuchen, wir können nichts für immer festhalten und keinen materiellen Gegenstand nach dem Tod mitnehmen. Jede Situation und jeder noch so schöne Zustand löst sich irgendwann wieder auf und letztendlich zerrinnt alles zwischen den Fingern, was man versucht festzuhalten. Menschen, die mit der Vergänglichkeit materieller Dinge nicht zurechtkommen, leiden also an einer Form des Leids, die Bewohnern der westlichen Hemisphäre besonders große Probleme bereitet, weil sie von veränderlichen Dingen andauerndes Glück erwarten. Ein Trugschluss, der sich spätestens dann aufklärt, wenn das, was sich nicht verändern sollte, plötzlich zu Bruch geht; wenn das, was so sehr ans Herz gewachsen ist, spontan verschwindet oder zerschmettert wird, wenn das, was mehr geliebt wurde als alle spirituell-immateriellen Dinge, wie Gesundheit, Nächstenliebe, Freundschaft oder Mitgefühl, einfach zerrinnt.
Leid angesichts von Veränderung wird also allgemein schon durch den Umstand gegeben, dass nichts in der Welt unvergänglich ist?
Genau. Laut buddhistischer Auffassung ist diese Form des Leids mit dem Beginn materialistischer Denkweise geboren und hört erst mit ihrem Tod wieder auf. Da viele deiner Mitmenschen aber dies und jenes besitzen wollen, sich gerne selbst im Zentrum aller Dinge sehen, Macht ausüben und nur ungern Begehrlichkeiten, Sehnsüchte, Wünsche und Träume aufgeben, sind sie von dieser Form des Leids besonders stark betroffen, ja geradezu prädestiniert dazu, ihr zu verfallen. Selbst wenn sie alles erreicht haben, was es zu erreichen gibt, bleibt ihnen am Ende doch nichts als Leere, weil sie zeit ihres Lebens nie darüber nachgedacht haben, worum es im Leben wirklich geht, dass alles Materielle vergänglich ist, und dass sie nichts von den Dingen, die sie angehäuft haben, mitnehmen können. Dass nichts auf Dauer festgehalten werden kann und ewig Bestand hat, ist zwar im Grunde eine sehr banale Tatsache, die jedem Menschen eigentlich einleuchten müsste, doch wird sie in einer Gesellschaft, in der Weisheit keinen hohen Stellenwert hat, kollektiv verdrängt.
Du meinst also, dass der moderne Mensch gelernt hat, sich mit all seinen materiellen Besitztümern zu identifizieren und versucht selbst simple Erkenntnisse wie diese aus seinem Bewusstsein zu verdrängen?
Ja. Der weise Buddha aber erinnerte die Menschen daran, Abstand von rein materiellen Wertvorstellungen zu nehmen, wenn sie Leid überwinden wollen. Eine These, die in allen Weltreligionen zuhause ist und auf die wir im Laufe unseres Gesprächs noch zurückkommen können, wenn es darum geht persönliche Unabhängigkeit, Selbstbestimmung, inneren Frieden und Freiheit zu erlangen — geistige Freiheit, versteht sich. Eine Freiheit, die in einem Frei-Sein von allen Verlockungen und äußeren Zwängen besteht. (Quelle: http://www.buddhateens.org/leiden)
Die dritte Form des Leids, die der Buddhismus beschreibt, wird von den meisten Menschen nur selten entdeckt, da sie mit den beiden ersten schon so sehr beschäftigt sind, dass sie sich kaum mehr Zeit nehmen, auf die Natur des Leids näher einzugehen. Die heißt das »Leid der Bedingtheit« und meint, dass im Kreislauf der bedingten Existenz in der einen oder anderen Form immer nur Leid erfahren wird, und dass im Vergleich zu unserem wahren Wesen — der Buddhanatur — selbst die angenehmsten Zustände, die wir kennen, leidvoll sind.
Buddhisten glauben also, dass jeder leidet, der nicht erleuchtet ist?
Ja. Eine Tatsache, die auch wir uns noch verdeutlichen können, wenn wir den Spuren des Leids geduldig weiter folgen.
Das müssen wir auf jeden Fall noch eindringlicher besprechen!
Gerne. Aber nun weiter zum Thema »Leid«: Da der Begriff »Leiden« im Buddhismus generell viel weiter gefasst wird, als in der christlich-abendländischen Denktradition, finden wir hier noch eine weitere äußerst interessante Bezeichnung für eine Form des Leids: »Leid angesichts des Leids« nennen es die Buddhisten, wenn wir Leid empfinden, weil wir andere Menschen leiden sehen. Eine Form von Leid, die jeder von uns aus dem Alltag kennt und zu deren Entstehung uns der Dalai Lama in seinem Hörspiel »Das Herz der Liebe« erklärt: "Wir alle empfinden eine natürliche Sympathie für jemanden, der sichtlich unter einer schmerzhaften Krankheit oder dem Verlust eines ihm nahestehenden Menschen zu leiden hat."
»Leid angesichts des Leids« nennen Buddhisten also die Erfahrung, die wir gerade gemacht haben, als wir uns bewusst geworden sind, wie schlecht es dem überwiegenden Großteil der Menschheit geht und wie viele Kinder heute tagtäglich sterben, oder?
Ganz genau. »Leid angesichts des Leids« zu empfinden ist eine sehr selbstlose Erfahrung, die wir gleich noch intensivieren können, wenn wir unserem natürlichen Bedürfnis nach innerem und äußerem Frieden nachgehen. "Denn eines ist klar", so der Dalai Lama in »Das Herz der Liebe«, "wir alle haben als Menschen das natürliche Verlangen glücklich zu sein und kein Leid zu erfahren. Das ist ein Faktum. Und wir können es zu unserem Ausgangspunkt machen." (Quelle: Dalai Lama, Das Herz der Liebe, Hörspiel, Theseus, Auflage 1, 2006)
Dabei will es eigentlich keiner
Die