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hoher Blutverlust!“

      Diese Diagnose aus dem Krankenwagen zwischen Feldafing und Starnberg erwies sich fast noch als zu optimistisch! Ihr Zustand war äußerst kritisch. Das ganze Notfallprogramm lief an. Sofort wurden Fotos der äußeren, sichtbaren Verletzungen gemacht. In großer Eile wurde Schwester Angela auf die Intensivstation gebracht. Dort beschlossen die Ärzte, sie in ein künstliches Koma zu versetzen.

      Am nächsten Morgen ließ sich Klinikleitung mit der Kriminalpolizei in München verbinden. In der vergangenen Nacht sei eine äußerst schwer verletzte Frau unter dem Namen ‚Schwester Angela’ aus dem Wald-Sanatorium Elysium eingeliefert worden. Die Verletzungen deuteten mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein Gewaltdelikt hin.

      „Elysium? Das ist doch das Sanatorium, in dem Kollege Elsterhorst zur Kur ist?“ Frau Möbius versuchte sofort, mit ihm über die Sanatoriumsleitung Verbindung aufzunehmen. Da dies misslang, Elsterhorst auch nicht über sein Dienst-Handy erreichbar war, schöpfte man in der Mordkommission II Verdacht. Die Starnberger Klinik wurde angewiesen, die Patientin strikt isoliert zu halten. Es sei kein Besuch zuzulassen. Sobald Schwester Angela vernehmungsfähig sei, sei Hauptkommissar Lothar Velmond zu benachrichtigen.

      Die Nachricht über den Zustand der Patientin Angela wirkte im höchsten Maße alarmierend. Sogar Kriminaldirektor Metzner drängte nun darauf, dass Hauptkommissar Velmond sich unverzüglich in dieses merkwürdige Elysium zu begeben habe, um die näheren Umstände der lebensgefährlichen Verletzungen zu ermitteln. In einem zweiten Fahrzeug folgten Spezialisten der Spurensicherung.

      Als Frau Hendrix zögerte, die Tore zu öffnen, weil sie erst die Direktorin fragen müsse, drohte Velmond, das Türschloss zu zerschießen, wenn sie nicht sofort binnen zehn Sekunden den Weg frei gäbe. Der kleine Trupp stürmte sofort in die Halle; Velmond ließ die Leiterin herbeirufen. Inzwischen war auch Elsterhorst aufgetaucht, allerdings noch übernächtigt im Bademantel und mit den roten Flipflops. Zwar waren die beiden Hauptkommissare nie so richtig Freund geworden, jetzt war er jedoch so beglückt, dass er seinen Kollegen sogar in die Arme schloss und ihm in kurzatmigen Sätzen seine Beobachtungen zu flüsterte und verriet, es handle sich bei Schwester Angela in Wirklichkeit um eine Frau Dr. med. Angela Berghoff.

      „Wo ist Frau Dr. Berghoff die Treppe runtergestürzt?“ fragte Lothar Velmond.

      „Frau Dr. Berghoff? Ich kenne keine Frau Dr. Berghoff!“ erwiderte die bleichgesichtige Direktorin.

      „Welche Frau ist heute nacht um 3:13 Uhr hier mit einem Krankenwagen abtransportiert worden?“ Velmond hakte in ungewohnter Schärfe nach.

      „Ach Sie meinen die arme Schwester Angela, die so unglücklich gestürzt war?“

      „Wo ist sie gestürzt?“

      „Bei uns im alten Haupthaus. Wissen Sie, die Treppen in diesem Gemäuer sind halt steil!“

      „Wo ist diese Treppe?“

      „Da dürfen Sie nicht rein. Das Haupthaus darf nach unserer Satzung von Männern nicht betreten werden! Nur in medizinisch angesagten Notfällen, falls eine weibliche Ärztin nicht verfügbar ist!“

      „Frau Dr. Frost-Heimbusch, wir werden auf ihre Satzung keinerlei Rücksicht nehmen. Sie haben uns, also mir und der Spurensicherung, jetzt sofort den Weg freizugeben und allen Anordnungen Folge zu leisten. Anderenfalls müssen wir ihr sogenanntes Haupthaus und das Sanatorium sofort räumen und schließen lassen. Und - falls sie es bisher nicht wussten: Schwester Angela ist identisch mit Frau Dr. med. Angela Berghoff! Sie schwebt in Lebensgefahr. Und jemand aus Ihrem Haus steht unter dem Verdacht des Totschlags und der unterlassenen Hilfeleistung!“

      Velmond schubste die Leiterin und die inzwischen aufgetauchten anderen Weißkittel-Frauen zur Seite und gab dem Trupp Zeichen, ihm zu folgen.

      Eine der Frauen versuchte dennoch, sich den Polizisten in den Weg zu stellen:

      „Aus Gründen der Hygiene und der sterilen Eigenfertigung unserer Medikamente dürfen Sie nur die Treppe, aber nicht die anschließenden Produktionsräume betreten!“

      Lothar Velmond ließ sich nicht im Geringsten in seinen Ermittlungen aufhalten. Er las den Namen der Frau von ihrem eingenähten Schild ab:

      „Frau Dr. Winfriede Lepper, wir haben eine Zeugenaussage, dass Sie heute nacht in einem Gespräch mit der Leiterin und einer weiteren Frau für den Zeugen vernehmbar erklärt haben, sie hätten Frau Dr. Berghoff, alias Schwester Angela, absichtlich mehrere Stunden oder gar Tage im Keller liegenlassen, und sie würden eigenhändig das Blut gründlich wegschrubben, so dass keine Spuren mehr gefunden werden könnten. Ich nehme Sie hiermit fest wegen des Verdachts des in Kauf genommenen Todes der Frau Dr. Berghoff. Und Sie übergeben mir jetzt sämtliche Schlüssel!“ Zum ersten Mal in seinem langen Berufsleben als Kriminalbeamter ließ er - wie er später sagte: zur Abschreckung - einer Frau Handschellen anlegen. Unter der Bewachung einer Polizistin wurde sie zum Auto gebracht.

      Die Leiterin stürzte hinzu und wollte Velmond den Schlüsselbund entreißen: „Ich fordere Sie hiermit auf, das Haus zu verlassen. Sie haben keinen Durchsuchungsbeschluss. Ich habe bereits unsere Rechtsanwältin benachrichtigt. Sie ist auf dem Wege nach hier und wird in wenigen Minuten eintreffen.“

      „Frau Dr. Frost-Heimbusch, es ist Ihr gutes Recht, Ihre Anwältin herbeizurufen. Jedoch müssen wir aus Gründen der Beweissicherung in einem Kapitalverbrechen darauf bestehen, den vermuteten Tatort abzusperren. Der Durchsuchungsbeschluss ist übrigens ebenfalls unterwegs nach hier.“

      Inzwischen hatte sich Hauptkommissar Elsterhorst angekleidet und bot seinem Kollegen an, die Besprechung mit der Anwältin zu übernehmen, während Velmond mit seinen Leuten die Kellertreppe in Augenschein nahmen. Helle Lampen erstrahlten. Zwar waren Blutspuren nicht zu übersehen; aber nichts deutete darauf hin, dass sich dort jemand beinahe zu Tode gestürzt hätte. Die Blutspuren führten zu einer der Türen am Ende des Kellerflurs.

       Betreten für Unbefugte strengstens untersagt!

       Nur in steriler Kleidung betreten!

      stand auf einem Schild. Mehrere Sicherheitsschlüssel mussten ausprobiert werden, bis die beiden Schlösser geöffnet werden konnten.

      Nun standen Velmond und seine Leute in einem großen weiten, nach Chlor riechenden Gewölbekeller mit mehreren Nischen, in denen Flachbildschirme, Computer und diverse Apparate standen. An den Wänden Regale mit großen Glasgefäßen, in denen sich ein weißes Pulver befand. In einem weiteren Kellerabteil wurden offenbar Flaschen mit Leitungswasser abgefüllt und an einem Tisch mit einer Papierlasche etikettiert: „Wasser aus der Heilquelle St. Agatha“.

      Auffällig helle Areale auf dem Kellerboden verrieten, dass dort äußerst emsig geschrubbt worden war. Eine Flasche mit hochkonzentriertem Schimmelpilz-Entferner auf Chlorbasis stand in Griffnähe. Hier in der Tat würde man keine Blutspuren mehr finden.

      Leider traf der Bote mit dem Durchsuchungsbeschluss aufgrund eines Verkehrsstaus nicht rechtzeitig ein. Velmond und sein Trupp waren daher auf Veranlassung der rotblonden Rechtsanwältin gezwungen, die Ermittlungen vor Ort einzustellen. Allerdings hatten die Leute inzwischen genügend Proben von den Stufen kratzen können. Gestützt auf die Aussage von Hauptkommissar Elsterhorst wurde Frau Dr. Winfriede Lepper mit nach München in Untersuchungshaft genommen.

      Elsterhorst hatte zunächst erwogen, seinen Aufenthalt abzubrechen, da er nun gegenüber der Sanatoriumsleitung eine zwiespältige Rolle spielen müsse. Doch dann entschloss er sich gerade deshalb, im Haus zu bleiben. Hier - davon war er überzeugt - gäbe es noch viel mehr zu ermitteln. Dafür war es geradezu ratsam, den Laden noch eine Weile weiter laufen zu lassen.

      Lothar Velmond stattete auf der Rückfahrt noch dem Starnberger Klinikum einen Besuch ab, um mit den behandelnden Ärzten zu konferieren. „Schwer verletzt, aber außer Lebensgefahr!“ lautete die Diagnose. Frau Dr. Berghoff sei total entkräftet und ausgetrocknet gewesen. Schwere Gehirnerschütterung, nicht durch einen Sturz, sondern durch Fußtritte. Ob sie jemals wieder zu klarem Verstand kommen würde, könne man so kurz nach der Einlieferung nicht sagen. Die äußeren Verletzungen seien dagegen


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