Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean. Jürgen Ruszkowski

Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean - Jürgen Ruszkowski


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der tätigen Unterstützung von Seiten eines englischen Kriegsschiffs zu erfreuen gehabt hatten.

      Trübe gestimmt von dieser Hiobspost, die uns mehr als vielleicht nötig erregte, da wir den Umfang des geta­nen Schadens nicht ermessen konnten, setzten wir un­sere Reise fort, an der Westseite der nun allmählich sich je weiter gen Norden zu um so mehr von den Inseln ent­fernenden Riffe entlang.

      Kgraphics16 arte aus dem Original mit der Insel Babelthaub

      Am 23. März schon hatten wir den höchsten Berg der Insel Babelthaub passiert, der in seiner abgerundeten Kuppenform in schroffem Gegensatze zu den steilen schmalen Klippen des Südens sowohl wie zu einigen an­dern benachbarten Bergen derselben Insel stand. Das Leck hatte sich jetzt offenbar bedeutend vergrößert; denn nie mehr konnte die Pumpe ruhen bei Tag und Nacht. Aber meine durch so widerwärtige Reise noch mehr gesteigerte Ungeduld, endlich in den Hafen einzu­laufen, wo ich gleich das Schiff zu verlassen und mit Johnson's Hilfe meine Arbeiten zu beginnen gedachte, wurde erst am Nachmittag des 25. März befriedigt. Süd­liche Strömung hatte uns in der Nacht vom 24. auf den 25. weit nach Norden bis über den Kanal hinaus getrie­ben, welcher in nordwestlicher Richtung gegen Aibukit zu laufend das hier mehr als eine deutsche Meile weit von der Insel abstehende Riff durchbrach. Zum Glück drehte sich am Tage der Wind mehr nach Norden, so­dass wir gegen 3 Uhr nachmittags uns am Eingange des Kanals befanden. Ich stieg in den Mastkorb, um von hier aus unsere Einfahrt besser beobachten zu können. Trotz der ziemlich großen Entfernung des festen Landes war doch die Atmosphäre so durchsichtig, dass ich deut­lich die Insel erkennen konnte, wie sie dalag mit ihren hier und da hoch über die Waldung emporragenden Ko­kospalmen inmitten eines breiten Streifens prächtig meergrünen Wassers, während hart an den schäumen­den Rand des Außenriffs die tiefblaue See stieß. Sieht man aus solcher Höhe auf das Meer herab, so sind sei­ne mit der Tiefe wechselnden Farben von einer wunder­baren Pracht und Durchsichtigkeit. Und neben uns tum­melten sich auf der Fläche vier der Canoes von Aibukit, die uns entgegengekommen waren, um uns durch die schwierigen Kanäle hindurch zu geleiten. Wie die Mö­wen mitunter, wenn sie ermüdet sind, halb fliegend auf den Spitzen der Wellen zu ruhen scheinen, dennoch aber das schnellste Schiff rasch hinter sich lassen, so flogen die leichten Canoes über das Meer dahin, oft mehr als zur Hälfte aus dem Wasser an den Seiten unseres Schoners vorbei, vor uns und hinter uns herum; bald gönnten sie dem Schiffe, das seine 5 bis 6 Knoten lief, den Vorrang, dann aber schossen sie spielend in wenig Minuten wieder an ihm vorüber. Eins derselben schlug um, aber niemand kümmerte sich um die Insassen, und schon nach etwa 10 Minuten war das Boot wieder umgedreht, seines eingenommenen Wassers entledigt, und bald darauf flog es wieder heran, uns auch fernerhin in dem scheinbaren Spiele beizustehen. Sie dienten uns nämlich als Lotsen. Wo eine gefährliche Untiefe oder ein vorspringendes verdecktes Riff war, da sprang ein Mann ins Wasser und hielt das Boot an, bis wir glücklich vorüber waren; dann ging es weiter zur nächsten Station. In solcher Beschäftigung muss man die Bewohner der Inseln im Stillen Ozean bewundern lernen, da ist jede Spur von Indolenz und Trägheit aus ihrem Gesicht verschwunden, jede Bewegung ihres aufs äußerste angespannten Körpers ist richtig abgemessen, leicht und schön, und aus dem dunkeln Auge leuchtet die innigste Freude über das aufregende Spiel mit den Gefahren, die ihnen überall in den spitzen Korallenblöcken entgegen starren Sie brachten uns glücklich nach etwa einstündiger aufregender Fahrt zum Ankerplatz im Hafen von Aibukit, etwa einen guten Büchsenschuss vom Lande, und als der Anker fiel, da stiegen von allen Seiten auch schon die Insulaner herauf, und Kapitän Woodin und Johnson drückten ihren alten Freunden die braunen Hände. Leider bestätigten sie uns alle jene Nachrichten, die wir bei Peleliu erhalten hatten; aber in die Trauer über das Elend, dem sie sich bis dahin ausgesetzt gesehen hatten, mischte sich nun die kindlichste Freude über die glückliche Ankunft von Piter (Johnson) und Cabel Mul (Kapitän Woodin), die ihnen wie Boten einer glücklicheren Zukunft erschienen.

      II. Erster Aufenthalt am Lande

      Bis spät in den Abend hinein blieben unsere Freunde bei uns. Es waren fast ausschließlich Männer der unte­ren und mittleren Klassen, die uns zu helfen gekommen waren, und von denen gleich eine Anzahl durch Woodin engagiert wurde, zu pumpen und bei dem am nächsten Morgen zu beginnenden Löschen des Schiffs zu helfen, da die hauptsächlich aus Manilesen bestehende Mann­schaft sehr erschöpft war. Die Mehrzahl dieser Leute waren schlank und gut gewachsen, von dunkelbrauner, selbst schwarzbrauner Körperfarbe, die freilich oft durch das Gelb der aus Curcuma bereiteten Farbe verdeckt wurde, mit der sie sich in verschiedenster Weise bemalt hatten; auf dem Kopfe hatten sie meist eine mächtige aus krausen Locken gebildete Haarkrone, welche hinten in einen kurzen Zopf zusammengebunden war. In ihrem dichten Haargewirr steckte der so charakteristische drei­zackige Kamm mit weit gespreizten Zinken, wie er fast ausschließlich bei allen polynesischen Negerstämmen gefunden wird. Auch in den Gesichtszügen zeigte sich unverkennbar der papuasische Typus ausgeprägt; und schon unter den ersten Besuchern von Peleliu war mir ein kleiner Mann mit ausgesprochenen jüdischen Ge­sichtszügen aufgefallen. Ich kannte damals noch nicht das Reisewerk von Salomon Müller. in dessen prächti­gem Atlas ich später das Porträt eines Bewohners von Gobie auf Neuguinea fand, der ganz gut als der Bruder jenes Mannes von Peleliu hätte gelten können. Dieselbe Beobachtung wird aber von allen Reisenden gemacht, welche mit echten Papuas auf Neuguinea oder mit an­dern Negerrassen im Stillen Ozean wie den Bewohnern der Louisiaden, Fidji-Inseln oder selbst Australiens in Be­rührung kamen; allen ohne Ausnahme fielen solche aus­geprägt jüdische Physiognomien auf, wie man sie nie­mals unter den Stämmen rein malaiischen Ursprungs beobachtet hat. Dass aber die Bewohner von Aibukit neben Papuablut auch malaiisches in den Adern hatten, bewiesen abgesehen von dem meiner Meinung nach keinen Ausschlag gebenden glatten Haar (In dem äußerst dogmatisch gehaltenen Buche von Häckel „Urgeschichte der Schöpfung“ wird ein Stammbaum der Menschen aufgestellt, welchem das glatte oder das krause Haar als ganz scharfes und zutreffendes Merkmal zur Erkennung der Verwandtschaft der verschiedenen Menschenrassen zu Grunde gelegt wird. Es beruht dies wahrscheinlich auf der Untersuchung Pru­ner-Bei's, welcher den Querschnitt des krausen und glatten Haars ziemlich verschieden fand und daraufhin einen wesent­lichen Gegensatz auch sonst in den Rassen annehmen zu können glaubte; denn Pruner-Bei war der erste, der wenigs­tens genauer als bisher den Querschnitt der Haare in ethno­graphischer Beziehung untersuchte. Abgesehen nun davon, dass der Einfluss der Vermischung verschiedener Völker auf die Form des Haars (dessen Querschnitt) bisher nicht unter­sucht worden ist, abgesehen ferner von der Tatsache, dass je­der gewissenhaft beobachtende Reisende überall nur ge­mischte Rassen, nirgends reine findet – sodass die Frage, welchem der Urstämme diese oder jene Form des Haars zu­komme, gar nicht mehr zu entscheiden ist –; und abgesehen endlich davon, dass die Abhängigkeit des Haars in seinem Wachstum von den äußeren Lebensbedingungen absolut un­bekannt ist, also auch darin liegende Fehlerquellen bei der ganz hypothetischen Aufstellung jenes Dogmas vom Gegen­satz des krausen und glatten Haars gar nicht vermieden wer­den konnten: abgesehen von alledem stehen weder die Beob­achtungen Pruner Bei's mit seinen theoretischen Behauptun­gen vor allem das breitknochige fast viereckige Gehauptungen in so vollständigem Einklang, dass sie überhaupt beachtet zu werden verdienten, noch gehen seine Annahmen parallel mit den analogen Hypothesen anderer Ethnologen, welche glau­ben, durch einige Maße die typische Schädelform jedes Stam­mes feststellen, durch die Übereinstimmung in den Maßen auch die Menschenrassen ethnologisch gruppieren zu kön­nen. Hypothetische Voraussetzungen – und weiter nichts, ich wiederhole, ist Häckel’sche Menschenstammbaum – können nur dann einigen Anspruch Beachtung machen, wenn sie sich gegenseitig decken; widerspricht die eine andern, so sind sie gewiss beide verkehrt.) vor allem das breitknochige fast viereckige Gesicht mit den stark hervortretenden Ba­ckenknochen und die äußerst kleinen Augen.

      Am nächsten Morgen wurden wir früh durch vorneh­men Besuch überrascht. Am Abend schon hatte uns Krei seinen Adoptivsohn, den kleinen Cordo, entführt; morgens kehrten sie beide zurück in Begleitung eines breitschulterigen, ausnehmend gutmütig aussehenden Mannes, des vornehmsten Fürsten im Staate Aibukit, Mad. Mit ihm kamen eine Anzahl anderer Fürsten und auch mehrere junge Mädchen, von denen zwei sich im­mer an der Seite Mad's hielten, während die andern in ziemlich freier Weise zwischen den fremden Matrosen mit ihren von der Taille


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