Istanbul für Fortgeschrittene. Kalika Häring
Umsteigen und einigen Streitigkeiten über Verspätungen, die keiner wahrhaben will, kommen wir rechtzeitig am Flughafen an und haben noch Zeit, in der Abflughalle unser Wasser zu trinken und einen kleinen, mitgebrachten Snack zu vertilgen.
Das Einchecken klappt problemlos, außer dass eine unfreundliche Frau der Bundespolizei meinte, wir hätten versucht, eine Flasche Wasser von Aldi für 25 Cent einzuschmuggeln.
Sie macht ein ziemliches Getöse um dieses Problem, aber egal. Was kümmert uns das.
Soll sie zetern und schimpfen, wir sind bereits in der Abflughalle und warten mit vielen türkischen Familien gemeinsam darauf, dass der Flieger, der gegen 02.00 Uhr starten soll, fertig wird zum Abflug.
Etwas länger dauert es dann schon, aber um 03.00 Uhr, mit einer Stunde Verspätung, heben wir endlich glücklich ab.
Wir fliegen mit Sun Express und der Zielflughafen ist Sabiha Gögcen, der Flughafen auf der asiatischen Seite Istanbuls, der überwiegend von türkischen Reisenden genutzt wird, um gleich weiter in das Inland zu fahren.
Der Vorteil dieser Route ist der geringere Preis, der Nachteil der geringere Komfort.
Die Flieger von Sun Express sind bekanntermaßen klein, eng bestuhlt, es gibt kein deutschsprechendes Personal und das Englisch des Käptens lässt sehr zu wünschen übrig.
Beim Betreten des Fliegers wird uns ein kleiner, orangefarbener Beutel in die Hand gedrückt. Eine Spucktüte vielleicht?
Erst später haben wir Gelegenheit festzustellen, dass die Tüte unser Essen enthält, nämlich ein verwelktes Brötchen mit etwas Käse darauf.
Während des Fluges erzählt der Kapitän, der übrigens sehr viel zu erzählen hat und nur sehr schwer verständlich ist, dass er uns das neue Preiskonzept der Airline vorstellen möchte, wonach wir zu dem gereichten vertrockneten Brötchen auf eigene Kosten noch einen Kaffee oder auch ein Wasser bestellen können und das für den sensationellen Preis von nur einem Euro.
Wir verzichten sowohl auf den gut gemeinten Service als auch auf das welke Brötchen und versuchen zu schlafen. Immerhin steht morgen einiges auf dem Programm und durch den Nachtflug fehlt es dann auch etwas an Schlaf.
Allein das interessiert die laute Stimme nicht. Immer wieder kommen irgendwelche völlig unverständlichen Durchsagen, die uns vom Schlafen abhalten. Dazu kommt die unerträgliche Enge in diesen Fliegern, in den denen so viele Menschen als nur möglich befördert werden sollen, weshalb die Sitze extrem eng gestellt sind und die Beine recht schnell einschlafen.
Wir fliegen Billigklasse, und das lässt man uns auch spüren.
Bis auf zwei Plätze ist der Flieger voll. Voll mit Menschen, die viel zu reden haben und viel in ihren Sachen kramen müssen.
Unruhig ist es und etwas anstrengend auch.
Trotzdem gelingt es uns irgendwann, ein ganz klein wenig einzunicken, bis wir endlich von der Ansage geweckt werden, dass wir gegen 7.00 Uhr Ortszeit auf dem Flughafen Sabiha landen werden.
Sabiha ist ein überschaubarer Flughafen. Die Passkontrollen verlaufen reibungslos und unsere Koffer sind auch bald da.
Am Ausgang erwartet uns ein netter Herr, der sich als Bulut vorstellt und uns in einem Sprinter zusammen mit weiteren vier Mitreisenden zu unserem Hotel bringen wird.
„Die Hotels sind alle in der Altstadt. Zuerst steigt die Familie Sowieso aus und dann das Ehepaar ….... Heute müssen Sie sich noch selbst versorgen. Der Reiseleiter wird erst morgen um 08.30 Uhr erscheinen. Einen schönen Aufenthalt noch. Dort drüben sehen Sie schon die Sultanahmet Moschee und hier werde ich jetzt aussteigen.“
Schönen Tag noch, Bulut.
Wären wir das erste Mal in Istanbul, würden wir jetzt schimpfen. Angekündigt war von der Firma Berge-und-Meer, dass man uns nach dem Frühstück einen ersten Eindruck von der Stadt vermitteln wollte.
Statt dessen heißt es jetzt: „Die Zimmer sind vielleicht noch nicht fertig, aber Sie können im Hotel an der Rezeption einen Kaffee trinken und morgen kommt dann auch Ihr Reiseleiter.“
Uns ist das egal, wir haben unser eigenes Programm. Aber was ist mit den Leuten, die das erste Mal in diese große Stadt fliegen? Trauen die sich, das Hotel zu verlassen und „auf eigene Faust“ einen Ausflug zu machen?
Einen Stadtplan hat man nicht im Hotel und der Portier spricht so gut wie keine Sprache.
Egal, wir liefern unsere Koffer ab und erklären (auf Englisch und mit den Händen), dass wir später wiederkommen werden. Eine Karte des Hotels wäre nett, damit wir wenigstens eine Adresse haben.
Ahh, da, welch Glückes Geschick: Wir können schon mal hochgehen. Die Reinigungskraft hat soeben verkündet, dass sie mit dem Zimmer fertig ist.
Na gut, fahren wir in den fünften Stock.
Das Zimmer ist, nun ja, noch nicht so ganz fertig. Ein wenig staubsaugen muss die Kraft schon noch, aber das kann sie auch, während wir unser Gepäck abladen.
Ein Blick aus dem Fenster zeigt uns: Das mit der Altstadt ist wörtlich gemeint. Viele alte Häuser stehen dicht an dicht, nicht alle sind ansehnlich, die Straßen haben hier noch einige Defekte und die Bürgersteige sind Hindernisstrecken.
Aber hinter den vielen Dächern entdecken wir das Meer. Ein Zimmer mit Meerblick!! Wer kann das schon von sich behaupten, dass er in der großen Metropole unterkommt und dann noch einen Blick auf das Meer sein eigen nennen darf.
Die abbruchreifen Häuser dazwischen sollen jetzt einmal nicht erwähnt werden, auch nicht die grölenden Gestalten, die sich fünf Stockwerke tiefer in den Straßen tummeln.
Dass das Zimmer völlig überheizt ist und eine Temperatur von gefühlt vierzig Grad aufweist, ist ein wenig störend. Aber nun gut, man wird sehen. Wir fummeln ein bisschen an der Klimaanlage herum, die sich dadurch allerdings in keiner Weise beeindruckt zeigt.
Wir schnappen uns unsere Ausrüstung, die in einem kleinen Heft besteht, in welchem sich unser eigener Reiseplan, zu Hause zusammengestellt, befindet.
An der Rezeption sagen wir noch kurz Bescheid, dass die Klimaanlage offensichtlich nicht funktioniert und die nette Dame, die inzwischen dort Platz genommen hat, lächelt freundlich. Man wird den Installateur informieren. Gut, vielleicht klappt das ja.
Noch eine Frage: „Wie kommen wir denn am besten zum Anleger Yenikape? Also, zum Fischereihafen? Kennedy Tschadäsche? So spricht man ja wohl das Wort „Caddesi“ aus. Als Fortgeschrittene bilden wir uns natürlich auf unseren türkischen Wortschatz etwas ein, was leider nicht dazu führt, dass wir auch verstanden werden.
Außer einem freundlichen Lächeln hat unsere Dame nichts zu bieten. Von einem Anleger weiß sie nichts, Fischmarkt hat sie noch nie gehört. Kennedy? Schulterzucken.
„Zum Meer? Wasser? Water? Next way to the Water? Marmara See?“
„Ahh, Marmara See. Yes, very nice, Marmara See.“
Immerhin weist sie mit ihrer Hand aus der Hoteltür hinaus und dann vage nach links. Klar, zur Tür hinaus. Da hätten wir drauf kommen sollen. Aber nun, wir sind schließlich nicht zum ersten Mal hier und das Meer haben wir aus dem Fenster oben gesehen. Es ist nicht weit weg und wird sich finden lassen.
Und man weiß ja aus alter Erfahrung: In Istanbul ist Meer immer unten und Straßenbahn immer oben.
Wir wenden uns vom Hoteleingang aus links und dann der Nase nach. Ein paar Mal stehen wir am Ende einer Gasse, die einfach an einem alten Haus endet.
Noch einmal zurück und in die nächste Gasse hinein.
Zum Glück haben wir keine Angst, auch wenn man die als völlig Fremder in dieser Stadt schon bekommen könnte.
Die Gassen in der Altstadt sehen teilweise sehr abenteuerlich aus. Die Straßenpflasterung besteht zu einem großen Anteil aus Löchern und die Fußwege sind immer nur ein kurzes Stück wuchtig aus Zement gegossen, um dann plötzlich abzubrechen und mindestens fünfzehn Zentimeter