Wie ein scheues Wild. Ilka-Maria Hohe-Dorst
von den Winden vereint,
zarte Teppiche voll des süßen
Duftes, der trotzig den Tod verneint –
prüf ich mit meinen nackten Zehen
vorsichthörig den weißen Samt,
frühlingsfrisch und doch im Vergehen:
Bald übernimmt der Sommer sein Amt.
Die Braut
Immer reicher wird die Fülle,
immer schwerer das Gewand
aus reinweißer dichter Tülle:
Still und schuldlos liegt das Land.
Kurz bevor die Äste brechen,
hört das sanfte Kleiden auf,
leuchtend hell sind alle Flächen,
silbrig-gold im Sonnverlauf.
Langsam legt die Nacht sich nieder,
doch die Helle löscht sie nicht.
Leise singt die Schneebraut Lieder,
frei von irdischem Gewicht.
Heut noch wird sie sich vermählen
mit dem Gott aus Frost und Eis,
feiern in kristallnen Sälen
aus noch unbeflecktem Weiß.
Im letzten Augenblick
Ausgetrocknet bis zur Pfütze
lag der Tümpel gestern noch
in der schwülen Sommerhitze,
wo kaum noch ein Leben kroch.
Endlich der erflehte Regen!
In der Blitze scharfem Licht
leert sich unter Himmels Segen
jede Wolke, die zerbricht.
Das Geschwader grauer Krieger
füllt minutenschnell den Teich,
was noch lebt, wird jetzt zum Sieger
und an neuen Kräften reich.
Reglos harrt im Nass ein Reiher,
karge Beute im Visier:
Unter klarem Flächenschleier
wimmelt es noch da und hier.
Oktober
Der Nebel will lange nicht steigen,
der Himmel die Bläue nicht zeigen,
kühle Tröpfchen durchprickeln die Luft,
durch die Alleen strömt Moderduft.
Noch kurz dürfen Blicke sich laben
an Herbstens glühleuchtenden Farben,
bald sinkt das Braunlaub der Erde zu,
rüsten die Bäume zur Wintersruh.
Wo Kirchtürme weit aufragen,
umhüllen sie Wolkenlagen,
Morgensonne weilt schemenhaft
hinter den Schleiern, bar jeder Kraft.
Wird Oktober in diesen Tagen
nochmal sein Geschmeide tragen?
Nimmt er Abschied vom golden Glück,
bevor November näher rückt?
Einmal noch diesen Glanz genießen
und mit dem Licht der Sonne fließen,
bevor die Dunkelheit beginnt,
die leis von Tod und Trauer singt.
Eine Liebe aus früherer Zeit
Ich liebte den frischen Morgen,
die Dämpfe vom Regen der Nacht,
das Erdenzelt frei von Sorgen,
des Sonnenstrahls frühwarme Wacht.
Ich liebte die heißen Straßen,
den Schwitzdunst von Teer und Asphalt,
kein nackter Fuß hatte Blasen,
wir waren’s gewöhnt – Jung und Alt!
Ich liebte die Krachgewitter,
das Schlagzeugkonzert der Natur,
das giftige Schwefelgitter,
gekreuzt in der Wolkenspur.
Am Sommer liebte ich immer
die fiebrig glimmernde Kraft,
heut ist er ein vager Schimmer
der einstmals glutvollen Macht.
Nie wieder füllt eine Liebe
wie damals mir Seele und Leib,
kein Sommer reizt mehr die Triebe
zum schwül-frivolen Verbleib.
Nachtwache
Der Mond wacht hoch am Himmelszelt,
verrichtet lautlos seine Pflichten,
schaut kühl und stumm auf diese Welt
und schenkt ihr Licht, ohne zu richten.
Sein Schein erhellt den stillen Park,
bleibt haften an der Liebeslaube,
in der Gefühle, herzensstark,
aus Wänden flüstern: „Glaub mir, glaube …!“
Er wandert zu der Gartenbank,
auf der noch gestern, eng umschlungen,
ein Paar im Meer des Glücks versank
und sich Versprechen abbedungen.
Dann bricht sein Strahl in einen Raum,
als sei’s das Kegellicht von Dieben,
dort liegen Mann und Frau im Traum,
beseufzend, was vom Glück geblieben.
Der Mond zieht weiter durch die Nacht,
folgt seiner Bahn und seinem Sein,
ihm ist egal, was er bewacht,
er ist nur Staub und Felsgestein.
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