Sturmhöhe. Emily Bronte

Sturmhöhe - Emily Bronte


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wie ein Köter herum, der die erhaltenen Schläge als verdient hinnimmt und zugleich doch alle Welt und den Schlagenden vor allem für seine sämtlichen Leiden haßt!«

      »Mit anderen Worten, ich soll mir Edgars große blaue Augen und glatte Stirn wünschen. Jawohl, das tue ich. Aber es hilft mir nichts.«

      »Ein gutes Herz wird dir zu einem hübschen Gesicht verhelfen, und wenn du ein richtiger Neger wärst! Mit einem bösen Herzen wirst du nicht nur häßlich, sondern noch viel schlimmer aussehen. Aber jetzt sind wir gewaschen und gekämmt und grollen nicht mehr: Sieh einmal hin, ob du nicht ganz hübsch bist? Ich sage dir, du könntest ein verkleideter Prinz sein. Wer weiß, vielleicht war dein Vater der Kaiser von China und deine Mutter eine indische Fürstin, und jeder von ihnen so reich, daß sie mit dem Einkommen einer Woche Wuthering Heights und Thrushcross Grange, alles beides, kaufen konnten! Und du bist von Seeräubern entführt und nach England geschleppt worden. Ich an deiner Stelle würde mir eine wunderbare Vorstellung von meiner Herkunft machen, und so würde ich die schlechte Behandlung eines kleinen Gutsbesitzers wie nichts ertragen!«

      So schwatzte ich, und Heathcliff begann allmählich heiterer zu werden, als unsere Unterhaltung plötzlich bei einem von der Straße herkommenden und im Hofe endenden Poltern abbrach. Er lief ans Fenster und ich war rechtzeitig an der Tür, um zu sehen, wie die beiden Lintons, in Mäntel und Pelze gehüllt, aus der Familienkutsche und die Earnshaws von ihren Pferden stiegen; im Winter ritten sie oft zur Kirche. Catherine holte die jungen Leute ins Haus und führte sie zum Feuer, das ihre weißen Gesichter bald rötlich färbte.

      Ich drängte Heathcliff, sogleich mit mir hinunterzugehen und sich von seiner freundlichsten Seite zu zeigen. Er ließ sich gern darauf ein, aber als er die Küchentür öffnete, wollte es das Unglück, daß Hindley von der anderen Seite hindurchgehen wollte. Der Herr, gereizt, weil er ihn so sauber und fröhlich sah, vielleicht auch, um sein Versprechen gegenüber Mrs. Linton zu halten, stieß ihn heftig zurück und befahl dem Josef:

      »Du hältst den Burschen vom Wohnraum fern. Schick ihn in die Dachkammer, bis das Mittagessen vorüber ist. Er wird die Finger in die Torten stecken und das Obst stehlen, wenn man ihn eine Minute allein läßt.«

      »Nein, Herr«, ich konnte die Antwort nicht unterdrücken, »er faßt nichts an, bestimmt nicht. Er müßte doch ebensogut wie wir etwas von den guten Sachen abbekommen.«

      »Er bekommt sein Teil von meiner Hand, wenn ich ihn bis zum Dunkelwerden noch einmal hier unten antreffe!« schrie Hindley. »Verschwinde, Landstreicher! Willst du hier vielleicht den Stutzer spielen? Warte, ich werde dich bei deinen eleganten Locken fassen und sehen, ob ich sie nicht etwas länger ziehen kann!«

      »Sie sind schon lang genug«, bemerkte Edgar Linton, durch die Tür schielend, »ich wundere mich, daß sie ihm keine Kopfschmerzen machen. Fallen ihm wie eine Ponymähne über die Augen.«

      Er hatte offenbar keine besondere Beleidigung im Sinn. Aber Heathcliff wollte nicht einmal den Schein einer Dreistigkeit von jemandem hinnehmen, den er jetzt als Nebenbuhler haßte. Er griff nach dem ersten, was er fassen konnte, nach einem Gefäß voll heißer Apfeltunke, und schleuderte sie Linton ins Gesicht. Linton brüllte, Isabella und Catherine eilten herbei. Mr. Earnshaw zerrte den Schuldigen in sein Zimmer und wandte gegen den Jähzorn des anderen ein nachdrückliches Mittel an; denn Heathcliff kam atemlos mit rotem Gesicht zurück. Mit dem Tellertuch rieb ich Edgars Nase und Mund ab, aber ich sagte, ihm sei recht geschehen, wegen seiner Einmischung. Seine Schwester weinte und wollte heimgehen. Cathy stand verblüfft dabei, errötete für alle und sagte zu Linton:

      »Du darfst ihn nicht anreden. Es war ihm nicht gut zumute. Jetzt hast du mir das Vergnügen an eurem Besuch verdorben und er bekommt Prügel. Ich will nicht, daß man ihn schlägt. Ich kann zu Mittag nichts essen. Warum hast du ihn angeredet?«

      »Habe ich gar nicht getan«, stöhnte der Junge, machte sich von mir frei und säuberte sich selbst mit seinem Batisttaschentuch. »Ich versprach doch Mama, kein Wort an ihn zu richten, und so war es auch!«

      »Dann jammere nicht«, erwiderte Catherine verächtlich. »Er hat dich nicht umgebracht. Mach jetzt nicht noch mehr Dummheiten, mein Bruder kommt, sei still. Isabella, Ruhe – hat dir jemand etwas getan?«

      »Also los, Kinder, auf die Plätze!« Hindley stürzte lärmend herein. »Dieser ekelhafte Bursche hat mich ordentlich warm gemacht. Das nächste Mal, lieber Edgar, vertritt deine Sache mit eigenen Fäusten, das wird deine Eßlust steigern!«

      Das wohlriechende Mahl stellte die freundliche Stimmung bereits wieder her. Nach Fahrt und Ritt waren sie hungrig, und sie trösteten sich rasch, denn in Wirklichkeit war ihnen ja weiß Gott nichts geschehen. Mr. Earnshaw füllte die Teller reichlich; die Dame des Hauses unterhielt sie mit munterem Plaudern; ich stand zur Bedienung hinter ihrem Stuhl. Es betrübte mich, mit wie trockenen Augen und gleichgültiger Miene Catherine ihren Gänseflügel zerlegte. Ein gefühlloses Mädchen, dachte ich, wie leicht sie über die Behandlung ihres Kameraden hinweggeht; für so selbstsüchtig habe ich sie nicht gehalten. Aber als sie jetzt einen Bissen zum Munde führen wollte, legte sie ihn wieder auf den Teller, und ihr kamen die Tränen. Rasch ließ sie die Gabel auf den Boden fallen und bückte sich unter den Tisch. Und ich nannte sie nicht mehr herzlos, denn ich beobachtete, wie sie sich während des ganzen Tages nach Heathcliff umsah, von den anderen sich fernhielt und sich redlich abquälte. Heathcliff war vom Herrn eingeschlossen worden; ich suchte ihn, um ihm eine kleine Mahlzeit zuzustecken.

      Am Abend wurde getanzt. Cathy bat, man solle ihn nun freilassen, da Isabella keinen Tanzherrn hatte; vergeblich, und ich mußte den Fehlenden ersetzen. Im Eifer des Balls vergaßen wir die Trübsal. Unser Vergnügen wuchs durch das Eintreffen der Gimmerton-Kapelle. Sie war fünfzehn Mann stark, Trompete, Posaune, Klarinetten, Fagotte, Waldhörner und Baßgeige, dazu noch Sänger. Sie machen in allen wohlhabenden Häusern die Runde und erhalten zu Weihnachten Geldgeschenke. Wir waren begeistert, sie zu hören. Nach den üblichen Weihnachtsmelodien baten wir um Lieder und Rundgesänge. Da Mrs. Earnshaw Musik liebt, gaben sie viel zum besten.

      Catherine liebt Musik auch, aber sie sagte, es höre sich am schönsten an, wenn man oben auf der Treppe stünde, und sie ging im Dunkeln hinauf. Ich folgte ihr; unten schloß man die Haustür, und niemand bemerkte in dem Gewimmel unsere Abwesenheit. Catherine blieb auf der Treppe nicht stehen, sie stieg bis zu Heathcliffs Gefängnis hinauf und rief ihn. Trotz seines Stillschweigens verharrte sie vor der Kammer und erreichte, daß er sich durch die Latten mit ihr unterhielt. Ich ließ die armen Dinger ungestört plaudern, bis die Sänger endeten und eine Erfrischung erhielten. Um Cathy zu holen, kletterte ich die Leiter empor. Aber statt Cathy oben zu treffen, hörte ich ihre Stimme jetzt im Innern. Am Dach entlang war das Äffchen aus der Luke der einen Bodenkammer in die der anderen geklettert. Nur mühsam konnte ich sie dazu bringen, wieder herauszukommen. Mit ihr erschien Heathcliff. Sie bestand darauf, daß ich ihn in die Küche mitnahm. Josef war zum Nachbarn gegangen, um sich unserem »teuflischen Psalmensingsang« zu entziehen. Ich wollte ihre Streiche eigentlich nicht unterstützen, aber da der Gefangene seit gestern mittag nichts gegessen hatte, mochte Mr. Hindley dies eine Mal hintergangen werden.

      Ich schob Heathcliff einen Stuhl ans Feuer und setzte ihm allerhand gute Dinge vor. Er war so schwach, daß er wenig essen konnte, und alle Versuche, ihn zu unterhalten, mißlangen. Die Ellbogen auf die Knie gestützt, das Kinn in den Händen, so verharrte er in dumpfem Brüten. Auf meine Frage, woran er denn dächte, sagte er nachdrücklich:

      »Ich versuche, mir vorzustellen, wie ich es Hindley einmal heimzahlen kann. Ich will lange warten, wenn ich nur dahin komme. Hoffentlich stirbt er nicht vorher.«

      »Schäme dich, Heathcliff. Wir müssen es Gott überlassen, schlechte Menschen zu bestrafen; wir selbst sollen lernen, zu verzeihen.«

      »Nein, diese Freude werde ich Gott nicht machen. Wüßte ich nur, wie ich es am besten erreiche. Laß mich allein, ich will über diesen Plan immer nachdenken, denn während ich das tue, vergesse ich alle Schmerzen.«

      »Aber, Mr. Lockwood, diese Geschichten können Ihnen doch gar nichts sagen! Es tut mir leid, daß ich überhaupt daran gedacht habe, so lange darüber zu schwatzen. Und Ihre Hafersuppe ist kalt geworden, und Sie wollen lieber zu Bett gehen. Was


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