Gegen diese Zukunft. Ernst Meder
›Man hat mir erzählt, dass gestern Abend wieder einmal ein Treffen stattgefunden hat. Wer war daran beteiligt, wie lange hat dieses Treffen gedauert, kam es dabei zum Streit und um was ging es eigentlich bei diesem Treffen‹.
Die Antwort kam mürrisch, ›Sie sollten diese Fragen besser am Stammtisch stellen, die waren alle dabei, die können Ihnen auch sagen, worum es geht. Ich habe mich nie darum gekümmert, mir war das immer gleichgültig, solange sie mein Bier getrunken haben‹.
›Sie haben mir immer noch nicht gesagt, ob es gestern zum Streit gekommen ist‹, insistierte sie, das Ausweichen bei seinen Antworten ließ jedoch Rückschlüsse zu.
›Sie waren bis kurz vor zwei Uhr hier, dann habe ich sie rausgeworfen, ich wollte endlich ins Bett und ja sie haben sich gestritten, es war wie immer, es war Holger, der Streit gesucht hat‹.
›Wie viele Personen waren noch da, als Sie den Dorfkrug geschlossen haben, vor allem, wer war noch da‹.
Er überlegt kurz, ›als ich geschlossen habe, da waren noch zehn Gäste da, alle, die da am Stammtisch sitzen‹.
›Da sitzen aber nur acht‹.
Er sah noch einmal zu dem Stammtisch, dann kam bereits die Antwort, ›der alte Holzer fehlt, das ist der Vater von dem mit den blonden Haaren, außerdem noch Holger Geldern‹. Nach anderen Gästen, die bereits vorher den Dorfkrug verlassen hatten, hatte sie ja nicht gefragt.
›Na dann wollen wir uns mal zu unseren Stammtischbrüdern begeben, mal sehen, wie auskunftsfreudig die so früh am Morgen sind. Bringen Sie mir bitte ein Wasser zum Stammtisch, Max‹, sie blickte ihren Kollegen fragend an. ›Ein Bier, äh, bringen Sie mir bitte auch ein Wasser‹.
›Mein Name ist Lieberknecht, das ist mein Kollege Schultze, wir sind von der Polizei‹, dabei blickte sie neugierig in die Runde, registrierte die Regungen, die sichtbar wurden. Langsam setzte sie sich auf den freien Stuhl. ›Wie sie bereits wissen, wurde heute Nacht Herr Geldern getötet. Da er mit ihnen bis kurz vor seinem Tod zusammen war, möchte ich gerne hören was sie darüber wissen‹.
Die Gespräche an den umliegenden Tischen waren verstummt, alle schienen auf die Antwort eines der am Stammtisch sitzenden Personen zu lauschen. Heute war der erste Tag an dem sich viele derjenigen, die sonst gerne am Stammtisch gesessen hätten, froh waren nicht da zu sitzen. Der sonst übliche Neid hatte sich innerhalb weniger Minuten in Schadenfreude gewandelt.
›So schweigsam, gibt es etwas, was besser verschwiegen werden sollte oder weshalb möchten sie nicht darüber reden‹. Sie wartete einen weiteren Augenblick, dann wandte sie sich an Max, ›ruf doch bitte im Präsidium an die sollen einen Bus schicken der acht Personen zur Zeugenvernehmung aufs Präsidium bringen soll‹.
Unruhe machte sich jetzt breit, Blicke flogen zwischen den unterschiedlichsten Personen. Es hatte den Anschein, als wäre ihnen erst jetzt die Ernsthaftigkeit bewusst geworden.
›Wir können nichts über den Tod sagen. Als wir heute Nacht nach Hause gegangen sind, da war er noch sehr lebendig‹.
›Und wer sind Sie, dass Sie so genau Bescheid wissen, ach ja, habe beinahe vergessen, dass Sie heute Nacht Streit mit Herrn Geldern hatten. Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen‹, während sie ihren Kollegen mit einem Blick aufforderte, sich Notizen zu machen.
Sie starrte in ein pockennarbiges Gesicht, in dem ein ungepflegter Oberlippenbart den Mund verdeckte. Sein schütteres Haar, bereits mehrheitlich grau, lies ihn älter erscheinen, als er tatsächlich war.
›Ich heiße Weber, Bernd Weber, wir haben nichts mit dem Tod von Holger Geldern zu tun, meine Freunde auch nicht, für die lege ich meine Hand ins Feuer‹.
›Wenn Sie sich da mal nicht verbrennen‹, es klang eher beiläufig, als sie mit scharfer Stimme fortfuhr, ›dann war es also Ihr Schwiegersohn, der vorab Ermittlungsergebnisse herausgegeben hat. Da dies verbotenerweise erfolgte, werden dienstrechtliche Konsequenzen die Folge sein‹.
Dem Beamten würde nichts geschehen, da alle wussten, dass bei einer derart engen dörflichen Gemeinschaft die Buschtrommeln schneller als die Polizeifahrzeuge waren. Trotzdem tat ihr dieser Weber nicht besonders leid, dessen jetzt blasses Gesicht noch erbarmungswürdiger aussah.
›Worum ging es eigentlich bei dem Streit, überall hat man immer nur erzählt, dass es zu Streitigkeiten bei diversen Treffen gekommen ist. Bisher hat man jedoch immer verschwiegen, worüber gestritten wurde. Kann man mich endlich aufklären, oder weshalb wird darüber so ein Geheimnis gemacht‹.
Sie blickte von einem Gesicht in das nächste, niemand hielt ihrem Blick stand. Obwohl die Reaktionen unterschiedlich waren, verfolgten sie ein gemeinsames Ziel, das Verhindern, das sie die Wahrheit erfuhr. Während der Eine an seiner Lippe knabberte, schniefte ein anderer und versuchte, sein Gesicht hinter einem Taschentuch zu verstecken. Es war schließlich der Jüngste, der sich zu einer Erklärung herabließ.
›Es ging um die Aussaat, wir hatten ein sehr günstiges Angebot für Saatgut, wenn wir eine bestimmte Menge abnehmen. Um diese Menge zu erreichen, war es erforderlich, dass der alte Holzapfel-Hof mitmacht. Seit dieser Holger Geldern eingeheiratet hat, haben sie sich immer mehr von der Gemeinschaft abgewendet, wollten ohne Rücksicht auf die Gemeinschaft ihr eigenes Ding durchziehen‹.
Diese letzte Aussage troff vor Gehässigkeit, zeigte aber auch, dass es noch darüber hinaus eine offene Rechnung geben musste.
›Bis vor drei Jahren haben wir uns immer mit dem alten Holzapfel abgestimmt, seit der verunglückt ist, hat sich alles geändert. Wegen der Ablehnung zu einem gemeinsamen Einkauf hat uns Holger Geldern jedes Jahr Geld gekostet, da wir mehr für unser Saatgut bezahlen mussten. Auch wenn uns sein Verhalten geärgert hat, die relativ geringe Preisdifferenz hätte niemand veranlasst, ihn umzubringen‹.
Die anderen nickten beifällig, fühlten sich durch die Aussagen bestätigt, gemeinsam waren sie der Ansicht, dass der Anlass der Streitigkeiten ausreichend erläutert war. Nachdenklich blickte sie in die jetzt erleichtert wirkenden Gesichter, sie hatten ihr eine plausible Erklärung für den Streit geliefert. Ob diese Erklärung allerdings richtig war, das würde sich im Laufe der Ermittlungen herausstellen.
›Ich habe nur noch eine Frage, weshalb ist Frau Geldern davon überzeugt, dass Sie der Mörder ihres Mannes sind‹. Neugierig wartete sie auf seine Reaktion, konnte jedoch nur ein leichtes Zucken in den Augenwinkeln sehen.
›Keine Ahnung‹, es sollte leichthin klingen trotzdem war die Anspannung zu sehen, ›vielleicht liegt es daran, dass ich sie vor ein paar Jahren abgeschossen habe‹.
Seine scheinbare Gleichgültigkeit hatte sie nicht überzeugt. Es erzeugte vielmehr genau das Gegenteil, nach ihrem Eindruck wirkte in seinem Verhalten zu viel verletzter Stolz durch, trotzdem ließ sie es erst einmal dabei bewenden.
›Notiere bitte alle Namen, sowie die dazugehörenden Adressen der Anwesenden, außerdem natürlich noch den Namen der fehlenden Person, der gestern dabei war‹. Dann trank sie das inzwischen servierte Wasser, verabschiedete sich, um zum Tresen zu gehen.
›Ich möchte die beiden Wasser bezahlen‹, legte fünf Euro auf den Tisch und beobachtete den Wirt, der Wechselgeld aus der Kasse nahm.
›Sie haben doch bestimmt mitbekommen weshalb, oder worüber die immer gestritten haben. Man hat mir erzählt, dass der Streit manchmal ziemlich heftig war. Sogar Blut soll geflossen sein und blaue Augen soll es gegeben haben‹.
Achselzuckend wandte er sich um, ›na das mit dem Blut ist übertrieben, blaue Augen hat es gegeben, dass stimmt, aber das lag am Alkohol. Bei dem Streit ging es meist um irgendein Saatgut, aber da hab ich mich rausgehalten, ging mich ja nichts an‹.
›Ging es bei dem Streit heute Nacht auch um Saatgut oder gab es noch anderen Grund, weshalb es zum Streit kam‹.
›Nö, es war wohl wieder das Saatgut‹, dabei blickte er angelegentlich auf seinen Zapfhahn.
Sie griff nach ihrem Wechselgeld,