Terapolis. Tom Dekker

Terapolis - Tom Dekker


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find's toll.“, sagte Philt und wand seinen zerschlissenen Statson-Hut in den Händen. „Es gibt nicht viele Gemeinschaften, die so eine tolle Hütte haben, das kann ich dir sagen.“

      Josh strubbelte ihm mit der Linken durch seine braunen zerzausten Haare. „Das weiß ich doch, Kleiner. Aber genau deshalb müssen wir in der Lage sein, unser Zuhause zur Not zu verteidigen. Und wenn du jeden Tag draußen unterwegs bist und Sachen suchst, ist es sicher auch von Vorteil, wenn du stark bist und auch mal schnell weglaufen kannst, oder?“

      Philt schaute mit seinen großen grünen Augen zu ihm auf und nickte.

      „Trotzdem musst du nicht so auf Natty herumhacken.“, schaltete sich Peanut wieder in das Gespräch ein.

      „Ich hacke nicht auf ihr herum.“, dozierte Josh, „Ich erkläre ihr nur, warum wir uns jeden Abend schinden müssen, und sie nicht. Am Ende des Tages schlafen wir im Strohlager hier in unserem halb verfallenen Häuschen, während sie sich in ihrem warmen Bett in der Villa ihrer Eltern einkuschelt. Trotzdem würde dir ein bisschen mehr körperliche Ertüchtigung auch nicht schaden, schließlich ist es für ein Mädchen in deinem Aufzug nicht ganz ungefährlich, allein durch die Stadt zu laufen.“, wandte er sich direkt an Natty und deutete auf ihren weißen breitkrempigen Hut und den mit bunten Stickereien gesäumten Wollmantel, unter dem ein hellblaues Korsettkleid und braune Lederstiefeletten hervorlugten. „Ich kenne einige Leute, die dafür töten würden.“

      „Ich kann schon gut auf mich selbst aufpassen. Noch dazu bin ich mit meinem Roller viel zu schnell.“, gab Natty schnippisch zurück, klopfte auf den Sattel ihres Dieselrollers, den sie neben dem Tor an die Mauer gelehnt hatte und reichte Suri einen kleinen Korb, aus dem der Zipfel einen großen Wurst herausragte. „Es ist ja auch nicht so, dass ich gleich durch die Schemen spaziere.“

      „Das stimmt.“, gab Philt ihr Recht. „Aber auch hier kann es ganz schön rau zugehen.“

      „Ich bin heute erst wieder Vince und Hurley über den Weg gelaufen.“, warf Greg ein.

      Peanut schlug sich die Hand vor den Mund.

      „Dafür siehst du aber noch ganz gut aus.“, witzelte Josh mit besorgtem Blick.

      „Ich bin rechtzeitig losgerannt. Sie hatten wohl etwas Wichtiges zu tun, denn sie haben schnell die Verfolgung abgebrochen. Selbst, als ich sie als fußlahme Feiglinge beschimpft habe, haben sie nur abgewunken und sind abgedampft.“, protzte er.

      Gregs Hochgefühl wurde jäh gedämpft, als ihm eine zierliche Hand quer auf die Wange klatschte. „Bist du von allen guten Geistern verlassen, Gregory!“, empörte sich Suri. „Wenn du dich selber in Gefahr bringst, weil du zu dämlich bist, ist das deine Sache, aber mit solchen Sprüchen bringst du diese Schläger gegen uns alle auf. Du weißt ganz genau, dass sie noch ein paar Rechnungen mit Josh und Frog offen haben.“ Wütend stemmte sie die Hände in die Hüften und funkelte Greg aus ihren braunen Mandelaugen an. Der senkte beschämt den Blick und starrte ihr orange-schwarzes Kleid, dass sich um den engen Mieder legte wie eine zweite Haut, an. Nicht zum ersten Mal spürte er verwirrt, wie ihm bei diesem Anblick ein dicker Klos im Hals anzuwachsen schien und sich zwischen seinen Beinen ein kribbelndes Gefühl ausbreitete. Beschämt und verlegen zwang er seinen Blick weiter nach unten, so dass er nur noch die hohen schwarzen Stiefel sah, die Suris Waden bis zu den Knien umschlossen. Aber auch dieser Anblick machte es nicht wirklich besser.

      „Jetzt lass ihn mal!“ Josh war hinter Suri getreten und hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. „Es ist ganz schön mutig für einen sechzehnjährigen Waisen, sich mit Vince und Hurley anzulegen. Wir brauchen selbstbewusste Mitstreiter in unserer Gemeinschaft. Und Greg hat sich prächtig entwickelt, seit er zu uns gestoßen ist.“ Er legte Greg die freie Hand auf die Schulter. „Jetzt lasst uns essen! Ich bin gespannt, was Philt und Natty ausgefallenes mitgebracht haben.“

      Greg ließ sich widerwillig von Josh zur Feuerstelle schieben. Er hatte es satt, von den anderen ständig als kleines, unvorsichtiges Kind behandelt zu werden. Er lebte nun schon seit mehr als einem halben Jahr in der Gemeinschaft und trug seinen Teil zum Überleben der Gruppe bei – einen nicht unwesentlichen Teil, wie er sich selbst gern vor Augen führte, schließlich verdiente er mit seiner Arbeit in der Dieselmotorenfabrik mehr Wertmarken als alle anderen. Und trotzdem taten vor allem Suri und Philt oft so, als wäre er ein dummes Kleinkind, das für alle Probleme verantwortlich war, die sie sich selbst zuzuschreiben hatten. Und das würde er gern mal loswerden. Aber Josh war der unausgesprochene Chef der kleinen Gemeinschaft und wollte diesen Konflikt offenbar vermeiden.

      Also setzte sich Greg an die Feuerschale und versuchte, an etwas anderes zu denken, als an Suris sich unter dem orange-schwarzen Kleid abzeichnende Kurven. Der Stoß eines Ellenbogens in seine Rippen holte ihn zurück aus seinen verwirrenden Gedanken. Natty hatte sich neben ihn gesetzt und strahlte ihn aus ihren blauen Augen an. Ein feiner Veilchenduft ging von ihr aus. Greg hatte schon davon gehört, dass die eleganten Damen in den Villenvororten der Reichen sich teure Duftwässerchen hinter die Ohren tupften, aber bisher hatte er sich nicht vorstellen können, wozu das gut sein sollte. Doch der verführerische Blumenduft, der nicht zu aufdringlich die normalen Dünste der City aus Schweiß, Abgasen, Öl, verbrennendem Holz und Abfällen durchdrang, machte die ohnehin schon angenehme Gesellschaft Nattys noch wohltuender. Ihre Augen waren so klar, dass Greg das Gefühl hatte, darin ertrinken zu können, wenn er nicht vorsichtig genug wäre. Wie vorhin bei Suri ertappte er sich erneut dabei, wie sein Körper eigenartige Signale aussandte. Seine Hände begannen ganz leicht zu zittern, er spürte, wie ihm im Nacken der Schweiß aus den Poren drang und wieder war da dieses unheimliche Kribbeln in der Lendengegend. Was war nur los mit ihm?

      Greg riss seinen Blick von Nattys Augen los und wandte sich hastig dem Feuer zu.

      „Alles in Ordnung?“, fragte Natty halb belustigt, halb beunruhigt.

      Greg nickte. „Ja, alles bestens.“ Er musste ein unverfängliches Thema finden. Was sollte Natty von ihm halten, wenn sie herausfand, wie ihm in ihrer Nähe zumute war? „Aber ich habe einen Bärenhunger.“

      „Das trifft sich gut.“, rief sie aufgeregt und klatschte in die Hände. „Ich habe euch eine Räucherwurst mitgebracht.“ Sie deutete auf Suri, die gerade mit dem riesigen Brotmesser Stücke von einer ellenlangen Wurst abschnitt.

      „Mmmmh, lecker.“, schnurrte Greg. „Sowas haben wir viel zu selten. Auf Dauer sind die ewigen Bohnen aus der Dose doch etwas einseitig.“

      Natty nickte bekümmert. „Es tut mir leid, dass ich euch nicht mehr bringen kann. Aber unsere Köchin achtet streng auf die Vorräte, da ist es nicht so einfach, etwas herauszuschmuggeln.“

      „Du tust schon mehr als genug für uns, Natty.“, schaltete sich Josh, der sich von den beiden unbemerkt neben Greg gesetzt hatte, in das Gespräch ein. „Durch dich geht es uns viel besser als den meisten anderen Gemeinschaften in der Innenstadt.“

      „Ganz zu Schweigen von den Leuten in den Schemen.“, mischte sich Peanut ein, die ebenfalls auf das Gespräch aufmerksam geworden war.

      „Ja, alles in allem können wir von Glück sagen, dass wir hier zusammengefunden haben. Es könnte uns viel schlechter gehen.“, stimmte auch Philt zu.

      „Und damit das so bleibt, müssen wir unsere Körper und unseren Willen jeden Tag in Form halten.“, grinste Josh in die Runde.

      „Jaja. Wir haben es verstanden.“, knurrte Suri und klatschte eine große Portion Bohnen in eine irdene Schale. Sie reichte die Schale an Peanut. „Hier, damit du auch morgen noch genug Kraft für Joshs Schinderei hast.“, raunte sie ihr so laut zu, dass es alle verstehen konnten.

      Philt schnaubte leise vor sich hin und auch Peanut musste kichern. Suri zwinkerte Greg zu und der konnte das Lachen nicht mehr unterdrücken. Es platzte aus ihm heraus und die ganze Anspannung des Tages brach sich Bahn. Die anderen konnten nun auch nicht mehr an sich halten und prustend und schnaufend hielten sie sich die Bäuche und wanden sich auf dem Boden.

      „Hab ich irgendwas wichtiges verpasst?“, ließ sich eine tiefe Stimme aus Richtung des Torbogens vernehmen, als sich die Lautstärke des


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