Faro. Ole R. Börgdahl
gut vier Stunden, Herr Oberleutnant.«
Kuhnle rechnete. »Dann hätten wir zweiundzwanzig Torpedos, das sind acht mehr, als auf ein Typ-VII-Boot gehen.«
»Zweiundzwanzig Aale«, wiederholte Sieber die Zahl. »Damit könnten es auch zweiundzwanzig Pötte werden, wenn man es geschickt anstellt, was, Herr Obermaat?«
»Kommt auf die Treffsicherheit des Herrn Oberleutnants an, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.« Michael sah zu Kuhnle.
»Nun lassen Sie den Mann erstmal Luft holen«, erwiderte Sieber und lächelte dabei. »Sie sehen, I WO, der gute Stromm meint, dass es keine Versager geben wird, ist doch vermessen der Mann, oder?«
Der vertraute Ton zwischen Sieber und Michael irritierte Kuhnle im ersten Moment. Er lächelte schließlich und sah Michael dabei an. »Selbstbewusstsein imponiert mir, nur sollte der Herr Obermaat Taten folgen lassen.«
»Gut«, sagte Sieber, »dann haben wir das ja wohl geklärt. Jeder macht seine Arbeit, gibt sein Bestes. Wir nehmen uns vor zweiundzwanzig Pötte zu holen und wenn wir einen Aal vergeuden oder wenn einer nicht reicht, dann muss eben die Zehn-Fünfer genommen werden, um die Quote zu halten.«
*
In Zweierreihe betraten die Männer den hinteren Teil des Kéroman II. Zusammen mit Obersteuermann Petersen führte Michael die Gruppe an. Ein Teil der Mannschaft von U-810 hatte die Übung im Tauchtopf bereits am Tag zuvor absolviert. Die Männer blieben an der Ausgabestation stehen. Der Obersteuermann stellte sich vor die Leute.
»Also, es läuft jetzt wie folgt ab. Zuerst bekommt ihr andere Klamotten und jeder einen nagelneuen Tauchretter. Ist das gleiche Modell wie bei uns an Bord. Wir ziehen uns dann alle dort drüben um.« Er zeigte auf die Umkleide- und Duschräume. »Dann geht es jeweils zu viert in den Tauchtopf. Also so wie immer. Wer war noch nie dabei?«
Matrose Kehl meldete sich.
Petersen nickte Michael zu. »Dein Mann!«
Fünfzehn Minuten später waren die Leute angetreten. Alle hatten sie den braunen Tauchretter wie einen Rettungsring um den Hals gelegt. Einige hatten sich auch schon die Nasenklammer aufgesetzt und näselten mit dem Nebenmann. Petersen trat wieder vor die Gruppe und begann die Leute einzuteilen. Die ersten vier stiegen die Treppe zum Einstieg in den Tauchtopf hinauf. Auf der oberen Plattform warteten schon die Einweiser. Matrose Kehl betrachtete sich das Ganze etwas abseits. Michael stand neben ihm und ordnete noch die Schläuche des Tauchretters.
»So, jetzt mal genau aufpassen!«
Kehl wandte sich Michael zu, blickte auf ihn herunter. »Jawohl, Herr Obermaat.«
Michael war etwas irritiert, er hatte dem Mann noch nie so dicht gegenübergestanden. »Schon mal so einen Tauchretter gesehen?« Michael hielt Kehl das Gerät hin. »Nehmen Sie mal. Das wird jetzt auch Ihrer bleiben, oder hat man Ihnen schon einen zugeteilt.«
Kehl schüttelte mit dem Kopf. »Nein, Herr Obermaat.« Er nahm den Tauchretter und betrachtet ihn nicht sonderlich interessiert.
»Legen Sie mal um.« Als Kehl nicht gleich reagierte, half Michael ihm. »Über den Kopf ziehen und hier unten den Gurt um die Hüfte, damit das Ding nicht abrutschen kann.« Michael stutzte. »Sagen Sie mal, wie groß sind Sie eigentlich?«
»Einen Meter und fünfundneunzig, Herr Obermaat.«
»Warum haben Sie sich nicht zum Heer gemeldet? Sie werden im Boot doch ständig anstoßen.«
»Ich habe mich zu gar nichts gemeldet, Herr Obermaat, wurde eingezogen.« Er zögerte. »Ich bin aber ganz froh, bei den U-Booten zu sein, dann muss ich wenigstens nicht nach Russland.«
»Nach Russland werden wir wirklich nicht fahren, zumindest noch nicht.« Michael schüttelte ungläubig den Kopf. »Na, dann legen Sie endlich Ihren Tauchretter richtig an.«
Kehl fummelte an dem Gurt, fädelte die Lasche ein und zog den Riemen fest. Er befühlte das wulstige Ding, das seine Brust nur halb bedeckte. »Wozu sind die Schläuche?«
»Komme ich gleich zu«, antwortete Michael. »Zeigen Sie erstmal, ob alles sitzt. Man der ist ja fast zu klein für Sie. Sind Sie Gewichtheber?«
»Nee, Herr Obermaat, ich schleppe Kohlen, mein Vadder hat ’ne Kohlenhandlung. Ich fahr Kohlen aus und bring sie den Leuten in Keller und manchmal auch in den fünften Stock, wenn das so gewünscht wird.«
»Kohlen!«
»Jawohl, Herr Obermaat, Doppelzentner auf’n Buckel und dann ab.«
»Das sieht man.« Michael schüttelte wieder den Kopf, dann zog er am Luftsack des Tauchretters. »Das darf nicht wegrutschen, sonst kommt das Ding nach oben und Sie bleiben unten.«
»Wieso unten bleiben?«, fragte Kehl.
»Na, weil Sie unten im Boot sind und der Tauchretter Sie an die Wasseroberfläche bringen soll.« Kehl sah Michael weiterhin mit offenem Mund an. Michael zögerte. »Also, stellen Sie sich vor, wir haben einen Treffer abbekommen, das Boot sackt weg, bis auf den Grund und die Zellen lassen sich nicht mehr anblasen. Der Kaleun befiehlt dann die Tauchretter anlegen und aussteigen.«
Kehl nickte. »Und man kommt tatsächlich aus dem Boot raus, aber die Luks sind doch verschlossen, das Boot würde ja volllaufen, wenn man plötzlich die Luks öffnet.«
Michael überlegte. »Ja, da muss schon alles stimmen. Man darf nicht zu tief liegen, höchsten fünfzig, sechzig Meter. Der Ausstiegsbereich muss innen geflutet sein, damit der Druck im Boot und außerhalb etwa gleich ist, sonst kriegt man die Deckel tatsächlich nicht auf. Unter Umständen lassen sich die Luks aber auch absprengen.«
»Sechzig Meter«, wiederholte Kehl. »Und die muss ich dann bis zur Oberfläche schwimmen.«
»Sie brauchen nicht zu schwimmen, Sie kommen von ganz alleine hoch. So, und jetzt hören Sie mal zu, ich fang noch mal von vorne an. Mit dem Tauchretter können Sie unter Wasser atmen, und zwar über das Mundstück. Damit das einfacher geht, setzen Sie die Nasenklammer auf. Machen Sie mal.«
Kehl befühlte den Tauchretter, bis er die Leine gefasst hatte, an deren Ende die Nasenklammer hing. Er setzte sie auf und sofort wieder ab. »Die ist zu fest.«
Michael trat näher, nahm ihm die Klammer ab und bog sie ein Stück auseinander. »Jetzt mal probieren.«
Kehl setzte die Nasenklammer wieder auf und nickte.
»Versuchen Sie mal durch die Nase Luft zu holen«, befahl Michael.
Kehl bemühte sich. »Geht nicht«, näselte er.
»Dann erfüllt sie ihren Zweck, also weiter. Das Mundstück hier kommt wie gesagt in den Mund. Sie atmen dann nur noch darüber ein und auch wieder aus. Das Mundstück ist wie ein Ventil. Machen Sie mal.«
Kehl war jetzt in Übung. Er biss in das Mundstück und begann gleich wie befohlen ein- und auszuatmen.
Michael beobachtete ihn dabei. »Das ist gut«, ermunterte er Kehl. »So und nun zur Theorie. Zwei Schläuche. Der eine geht hier in die Patrone, die mit Atemkalk gefüllt ist. Wenn man ausatmet, dann entsteht nämlich Kohlendioxid, das ist giftig. Mit dem Atemkalk wird das Kohlendioxid gebunden. Können Sie folgen?«
Kehl nickte und atmete weiterhin durch das Mundstück ein und aus.
»Der Rest der ausgeatmeten Luft, also ohne das giftige Kohlendioxid, geht dann in den Atemsack, der sogenannten Gegenlunge, denn wenn Sie wieder einatmen, kommt die Luft aus dem Sack. Unter Wasser ist das die einzige Luft, die sie haben. Verstanden, Matrose?«
Kehl nickte erst nur, nahm dann aber das Mundstück heraus. »Jawohl, Herr Obermaat.«
»Dann weiter. Das Kohlendioxid ist ein Gas, das in der Kalipatrone, also im Atemkalk, verschwindet. Dabei wird die Luft immer weniger, kann irgendwann sogar ganz weg sein und damit das nicht passiert, wird Sauerstoff nachgeführt. Dafür gibt es die kleine Stahlflasche hier.«
Kehl hatte das Anhängsel noch