Die Atlanten von Wheed. Gabriele Steininger

Die Atlanten von Wheed - Gabriele Steininger


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geschaffen bist. Das hat Vater bestimmt auch bemerkt. Es fällt nun mal auf wenn plötzlich eine ganze Wand nicht da ist wo sie eigentlich hingehört und der Sessel den du machen solltest, na ich weiß nicht. Wer immer darin Platz nimmt muss Angst haben nie wieder daraus hoch zu kommen." Bei dem Gedanken an die furchtbare Anordnung der Hölzer, die er fabriziert hatte, musste Marc selber grinsen. Es wäre wahrscheinlicher gewesen den Stuhl als Falle für irgendein Tier zu nutzen, als eine Sitzgelegenheit darin zu erkennen.

      "Dafür, dass du beim Wasserwärter öfter im Wasser warst als der Schwimmbaum selbst, kannst du wahrscheinlich nicht einmal etwas. Wer weiß schon wie oft so ein Wasserwärter in den See fallen muss bis er oben bleibt." Aura und Marc lachten. So gesehen war es schon wieder lustig, was ihm alles passiert war.

      "Ich hoffe wirklich Vater hat nichts dagegen. Ich meine mit dem lernen des Kartenschreibers." Das Lachen der Beiden war verstummt. "Schließlich schlage ich mit diesem Wunsch komplett aus der Sippe."

      "Na dann. Auf und los! Geh zu ihm und frage ihn einfach. Mehr als nein kann er ja nicht sagen.", ermutigte sie ihn.

      "Das stimmt allerdings. Mehr als nein kann ich nicht sagen." Die tiefe, kräftige Stimme des großen Mannes ließ beide hochschrecken.

      Sie hatten nicht bemerkt wie er hinter sie getreten war und ein Stückchen im Eingang verborgen, die letzten Sätze des Gespräches mitgehört hatte.

      Seine Frau Ilke hatte ihm gesagt, nein, gedrängt mit seinem Sohn zu reden. "Bemerkst du nicht wie der Junge sich quält? Er will schon die ganze Zeit etwas loswerden."

      Nein, er hatte es nicht bemerkt. Er war einfach nur müde gewesen und wollte seine Ruhe. Wenigstens für eine Weile.

      "Aura?", sie blickte ihren Vater an, "lässt du uns bitte alleine?"

      "Ja Vater." Gehorsam stand sie auf und ging in die Wohnburg zurück.

      Marcs Vater setzte sich neben ihn auf die Stufen und sah für einen Moment zu wie die zweite Sonne mit einem kräftigen Purpur hinter der Platte versank.

      "Du möchtest also Kartenschreiber werden." begann er das Gespräch. "Habe ich das richtig verstanden?"

      "Ja Vater. Das möchte ich." gestand Marc. Er wagte nicht ihm in die Augen zu sehen. Betreten hatte er den Kopf gesenkt und wartete auf das niederschmetternde Urteil seines Vormundes.

      "Warum möchtest du das denn werden?", setzte die tiefe Stimme fort.

      "Weil ich glaube, das ich es gut kann. Und ich glaube, es würde mich glücklich machen, weil ich immer schon gerne Karten geschrieben habe." versuchte er seine Entscheidung zu begründen.

      "Du hast bei Kurwat heute dein erstes Vorsprechen gehabt?", der Mann strich sich mit dem Daumen über die gerunzelte Stirn.

      "Ja Vater."

      "Ohne vorher mit mir zu sprechen und ohne mich ich bei Kurwat die Bitt stellen zu lassen, wie es üblich ist?"

      Marcs Hoffnung löste sich gerade in Luft auf. Er wusste, dass man nicht machte was nicht üblich war. Sicher hatte er seinen Vater damit gekränkt ihn nicht vorher in seine Pläne einzuweihen. Irgendwie musste er das Blatt wieder wenden.

      "Ja Vater aber ich…"

      "Schweig." befahl er dem Jungen. "Ich bin stolz auf dich." Der fragende Blick seines Sohnes forderte eine Erklärung. "Ich bin so stolz, weil du für dich alleine eingestanden bist. Ich bin Stolz, dass du deine Wahl endlich getroffen hast. Und deshalb gehe ich morgen mit dir zu Kurwat Ersol, dem Wächter des Wissensbaus und wir werden reden, über das was aus dir wird." und er stand auf und ging hinein.

      Er wollte sich noch eine Weile mit seinem Werk beschäftigen und blätterte darin herum. In seinem Kopf aber waren andere Gedanken. Sein Sohn hatte etwas gefunden, was er wirklich wollte. Gerson erinnerte sich an seine eigene Wahl, als er den sechzehnten Zyklus vollendet hatte. Die Erkenntnis, Marc lieber als Handwerker zu sehen und nicht als Kopfwerker, erschreckte ihn ein bisschen. Sein Vater wollte einen Schiffer aus ihm machen und es gab viel Streit. So manches Wortgefecht wurde ausgetragen und er suchte sich letzten Endes, ohne die Zustimmung seines Vormundes, eine Stelle. Es war nicht einfach für ihn gewesen einen Meister zu finden, der ihn trotz des Widerstandes seines Vaters nahm. Deshalb hatte er sich immer geschworen nicht so zu sein.

      Marc blieb noch eine Weile auf den Stufen sitzen. Er war glücklich. Sein Vater war stolz auf ihn. Das war etwas, was die Bewohner von Ingwas ausmachte. Die Söhne machten ihre Väter stolz und er durfte Kartenschreiber werden. Er wäre der erste Kartenschreiber in der langen Linie der Gerson Sippe.

      In dieser Nacht hatte Marc verworrene Träume über Wege und Stege auf den Platten und sein Geist zeichnete Karten die er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, die nirgends verzeichnet waren und die man in keinem Werk auf ganz Wheed finden konnte. Zumindest in keinem Werk das er je gelesen hatte.

      Sein Vater hatte Wort gehalten und war mit ihm am nächsten Tag zum Riesenfels gegangen. Kurwat hatte schon auf sie gewartet und während sie einen heißen Becher Büntjelfruchtwasser tranken besprachen sie, was aus Marc werden sollte.

      "Kartenschreiber möchte er werden." sagte sein Vater.

      "Und findet das auch deine Gutrede, Gerson?" Kurwat hatte nicht wirklich damit gerechnet Marc mit seinem Vater an diesem Tag zu sehen. Er hatte Bedenken gehabt.

      "Ja, das findet auch meine Gutrede." Sich der Bedeutung seiner Aussage sicher, sah Marcs Vater dem Wissenswächter fest in die Augen.

      "Bisher wart ihr immer für hartes Handwerk bekannt. Besser als alle anderen, so war die Rede unter den Sippen. Und jetzt soll dein Sohn Lerner sein für Kopfwerk?" Kurwat zögerte noch immer. Er wusste im innersten seiner selbst, dass Marc den richtigen Beruf für sich gewählt hatte. Allerdings gab es eine Redensart über den Zusammenhang der Sippe mit den Berufen, die ihre Mitglieder ergriffen.

       Der Kreis ist so stark, dass ihn ein einzelner nicht zu brechen vermag.

      "Meister Kurwat, nur weil die Hand gut erschafft heißt das doch nicht, dass der Kopf leer sein muss."

      Genau das bedeutete der Kreis. Entweder war man ein Handwerker oder Kopfwerker. Der Wächter der geschriebenen Werke lächelte verschmitzt.

      "Gut geredet. Nun sage mir, Marc Gerson, was du für ein Schreiber sein willst. Einer der Maren schreibt, Phantasiegebilde und Sagen zusammenträgt oder vielleicht ein Wortgleicher?"

      "Nein Meister Kurwat. Ich möchte Kartenschreiber sein. Schreiber über die Platten und die Himmel, die Sonnen und den Doppelmond und die Sterne und deren Bilder."

      "Gut Marc. So dich dein Vater lässt, so lasse auch ich dich Lerner des Schreibens über die Karten und die Himmel werden. Stelle dir das aber nicht zu einfach vor. Es ist viel zu lernen. Viel zu entdecken und viel zu schreiben. Als Erstes kommen die Platten, dann die Wasser und dann erst die Himmel. Alles braucht seine Zeit und seine Prüfungen. Morgen, wenn die erste Sonne voll zu sehen ist, erwarte ich dich hier zu deinem ersten Tag."

      Marc war überglücklich und freudestrahlend erzählte er, wieder zu hause, die Neuigkeiten seiner Mutter und Aura.

      "Schade, dass ich nicht Kartenschreiber werden kann." seufzte seine Schwester.

      "Du hast aber doch viele andere Talente. Keine kann wie du das Essen verwürzen." juxte er.

      "Ach, du verstehst das nicht. Mädchen können nicht so viel werden wie Jungs." Sie bedauerte den Umstand kein Junge zu sein aber nicht ernsthaft.

      "Werde doch Kleiderin", wandte ihre Mutter ein, "das kannst du doch gut und bisher hat es dir auch immer Freude gemacht. Und irgendwann wirst du ja auch einen Mann finden."

      "Mutter!", entfuhr es ihr. Ilke sah ihre Tochter mit einem schelmischen Grinsen an, während sie die Laken faltete und zwinkerte ihr zu. Aura begriff, dass sie nur aufgezogen wurde.

      "Es gefällt mir schon Kleider zu machen. Aber ich würde meine Nase auch lieber in Werke stecken, oder eine Reise über die Platten machen, als mir in die Finger zu nadeln." sagte sie. "Und ich würde mir lieber in die Finger nadeln, als einen


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