Blutherbst. Wolfe Eldritch

Blutherbst - Wolfe Eldritch


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in irgendeiner Stadt, war nichts von dem, was hier von einem verlangt wurde. Ob man Latrinen für die Kameraden aushob oder eine Jauchegrube für das Vieh schaufelte, nahm sich nichts. Andererseits war man bei der Truppe sicher, dass man abends einen geschützten Platz zum Schlafen hatte und die Schüssel mit dem Brei voll war. Hier spielte es keine Rolle, ob die Ernte schlecht oder die Tiere krank waren. Für Elias war das gut genug und er war mit seinem Los so zufrieden, wie ein Mann von niedrigem Stand eben in dieser Welt sein konnte.

      Nun verbrachte er bereits die sechste ereignislose Woche an diesem verlassenen Ort. Er hätte nichts dagegengehabt, wenn es ewig so weitergegangen wäre. Das Lager stand, der Alltag war geregelt und außer Langeweile gab es nichts zu beanstanden. Die wiederum war eher ein Geschenk als ein Mangel, bedeutete sie doch, dass es keine anstrengenden Arbeiten zu erledigen gab. Der Wachposten, an dem er nun in den Tag hineinträumte, lag direkt an der Straße, die bis vor einiger Zeit Silvershire mit dem Rest des Reiches verbunden hatte. Knapp zweihundertfünfzig Schritte hinter ihnen begann nach einer Wegbiegung das vom Wald umschlossene Lager.

      Elias hatte keinen einzigen Fremden zu Gesicht bekommen, seit er hier Dienst tat. Kleine Wachposten, wie der grob zusammengehauene Unterstand, in dem er jetzt seine Schicht versah, zogen sich die Straße in weiten Abständen auf einige Landmeilen hin entlang. Meist waren sie mit zwei Mann besetzt. Dies hier war einer der Letzten und damit war die Chance, dass es doch einmal etwas zu tun geben würde, verschwindend gering.

      »Was ist das denn für einer?«, ertönte plötzlich eine erstaunte Stimme neben ihm. Gonzo, mit richtigem Namen Ramon Gonzales, klang freilich immer mehr oder weniger erstaunt. Obwohl es natürlich Blödsinn war, war Elias sicher, dass der Mann schon von Kindheit an nur Gonzo genannt wurde. Vermutlich, weil er sich den ganzen Namen nicht merken konnte.

      Er wusste, dass er selbst keine besonders große Leuchte war, aber er glaubte nicht, dass es einen dümmeren Mann in den Diensten des Grafen gab als diesen. Gonzo kam, so hieß es, aus einer verarmten Schreinerfamilie und war einundzwanzig Jahre alt. Seine Vorzüge waren offensichtlich. Er war gut einen Kopf größer als Elias und in den Schultern fast doppelt so breit. Seiner Unzulänglichkeiten wurde man spätestens dann gewahr, wenn er den Mund zu einem anderen Zweck aufmachte, als um Nahrung hineinzuschaufeln. Zum Glück gehörte Gonzo nicht zu der am weitesten verbreiteten und unerträglichsten Sorte Idioten. Nämlich denen, die ständig am Plappern waren. Er hielt meist das Maul und tat, was man ihm sagte. Das war im Grunde alles, was Elias von einem Partner erwartete. Er folgte nun träge dem ausgestreckten Arm des anderen Mannes, der mit einer kindlichen Geste die Straße entlangzeigte.

      In einigen hundert Schritt Entfernung, in der nächsten Kurve, zwischen zwei steinigen, dicht mit Nadelbäumen bewachsenen Hügeln, war eine Gestalt aufgetaucht. Genauer gesagt waren es sogar zwei, die eine groß, die andere etwas kleiner. Er kniff die Augen zusammen und starrte in die Richtung der Neuankömmlinge.

      Schnell erkannt er, dass es sich um einen Mann und einen Hund handelte. Einem verdammt dicken Brocken von Hund, wie es aussah. Beide zeichneten sich pechschwarz vor dem trüben Hintergrund des nachmittäglichen, grauen Himmels ab. Das Tier war zottig und entweder ungewöhnlich massig, oder aber der Mann war relativ klein. Es trabte neben seinem Besitzer her, dem es gut bis zu den Hüften reichte. Der Mann schritt zügig, jedoch scheinbar ohne große Eile aus und trug offenbar eine Art Reisemantel mit Kapuze.

      »Keine Ahnung, was das soll«, murmelte Elias, »werden wir aber bald wissen, müssen ja hier vorbei. Verstehe nicht, wie die so weit kommen konnten, müssen doch mehr als ein Dutzend verdammte Posten vor dem hier auf dem Weg liegen.«

      Er umfasste den Griff seines Speers fester, richtete sich auf und drückte den Rücken durch. Der Fremde, der nun immer weiter herankam, trug scheinbar schwere Stiefel, hatte ein kleines Bündel auf dem Rücken und war in einen schwarzen Kapuzenmantel gehüllt, der ihm bis über die Knie reichte. Die Kapuze selbst war tief ins Gesicht gezogen, der Mantel war jedoch halb geöffnet und gab den Blick auf dunkle Wolle frei. Je näher die Gestalt kam, desto weiter korrigierte er seine Schätzung betreffs der Körpergröße. Der Mann war ein Hüne, überragte vielleicht sogar Gonzo, obgleich er nicht ganz so massig gebaut war.

      Wenn er so groß ist, dachte Jorge, ist der Hund ja ein beschissenes Pony. Das Tier wuchs beim Näherkommen mit dem Mann, und da es ihm bis zur Hüfte reichte, musste sich der Kopf für Elias etwa auf Brusthöhe befinden. Außerdem war das Tier zweifellos schwerer als er. Erneut fragte er sich, wie dieses merkwürdige Paar so weit gekommen war. Die beiden machten nicht den Eindruck, sich irgendwo heimlich durch die Bäume geschlagen zu haben. Und übersehen konnte die nun wahrlich niemand. Darüber hinaus fiel es ihm schwer, sich vorzustellen, was jemand freiwillig hier draußen wollte. Es gab hier nichts mehr außer Wald und Soldaten. Die Nachricht über den Verlust von Silvershire musste sich mittlerweile überall im Reich herumgesprochen haben.

      Er gab Gonzo einen Wink, und die beiden Männer bewegten sich ein Stück von ihrem Wachhäuschen weg, um sich nebeneinander in der Mitte der Straße aufzubauen. Der Fremde kam in gleichmäßigem Tempo auf sie zu, scheinbar unbeeindruckt von ihrer Anwesenheit. Als er noch gut fünfzig Schritte entfernt war, hob er langsam die Hände und schlug die Kapuze zurück, ohne aus dem Tritt zu kommen.

      Das Erste, was Jorge auffiel, war die bleiche Haut des Mannes. Seine Hände steckten in Handschuhen, die ebenso nachtschwarz waren, wie der Rest seiner Kleidung. Im Kontrast dazu wirkte das Gesicht so weiß wie frisch gefallener Schnee. Der Fremde hatte langes, eisgraues Haar und einen ebensolchen Bart, der zu einem losen Zopf geflochten war.

      Elias kniff die Augen zusammen. Nicht viel Dreck oder Matsch an seinem Zeug. Dafür, dass er eine ganze Weile bei dem Wetter unterwegs sein muss, sieht er aus, als hätte er die Straße nie verlassen. Und heilige Scheiße, der Hund. Am unteren Teil des Mantels, den Stiefeln und der Hose des Mannes konnte er Flecken und Spritzer von Erde und Schlamm sehen. Nicht in den Mengen, die man bei einem Reisenden in dieser Gegend und zu dieser Zeit erwartete, aber immerhin vorhanden. Das mattschwarze, zottige Fell des Hundes schien jedoch völlig sauber zu sein.

      Eigentlich, dachte er, müsste sich diese schwere, riesige Töle doch bis zur Brust eingesaut haben. Das Vieh wiegt ganz bestimmt mehr als ich, auch wenn einiges von seiner Masse Fell sein muss.

      Er schüttelte leicht den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann. Das war allerdings auch nicht viel besser oder weniger befremdlich. Das blasse Gesicht war von tiefen Falten durchzogen und wurde fast zur Hälfte von dem dichten, grauen Bart verdeckt. Die Augen waren, wie Elias erkannte, als er der Mann bis auf wenige Schritte herangekommen war, von der allgegenwärtigen Farbe des Himmels, einem dunklen, tiefen Stahlgrau. Das Alter des Fremden zu schätzen war ihm unmöglich. Zwar war das Haar grau und man sah Runzeln gleichermaßen an der Stirn wie an Mund und Augen, aber gleichzeitig wirkte er unglaublich Vital und seine Bewegungen waren die eines unverbrauchten, jungen Mannes. Er konnte ein früh ergrauter Dreißiger sein, ebenso gut wie ein junggebliebener Fünfziger.

      »Heda, die Straße ist auf den Befehl des Königs gesperrt«, sagte Elias nun mit fester Stimme. »Ihr könnt hier nicht vorbei und auch sonst nirgendwo in dieser Richtung. Kehrt um und geht dahin, wo ihr hergekommen seid.«

      Der Fremde kam keine drei Schritte vor ihnen zum Stehen, der unheimliche Hund blieb zum Glück hinter ihm. Ein vages Lächeln zeichnete sich unter dem Bart ab und in den Augen funkelte etwas, das Belustigung sein mochte. Sein Blick ging rasch in Richtung des Lagers und dann wieder zu den beiden Männern vor ihm.

      »Seid gegrüßt, die Herren Soldaten«, sagte er schließlich.

      Elias hatte sich auf den Hund konzentriert, wahrlich eine riesige Bestie war das. Die Stimme des Mannes riss ihn jedoch sofort aus seinen Gedanken und schlug ihn in ihren Bann. Sie war unglaublich dunkel, ein wenig rau aber wohlmoduliert und trotz des starken Basses auf gewisse Weise melodiös. Außerdem war sie ebenso alterslos wie der Rest des Fremden. Dreißig? Vierzig? Fünfzig?

      »Es ist lange her, dass ich Silvershire besucht habe«, fuhr der Wanderer nun freundlich fort. »Ich war viele Jahre auf Reisen. An einem weit, weit entfernten Ort.«

      Elias entspannte die Hand um den Speer, den er umfasst hielt. Er spürte, wie sich Gonzo


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