Unter den Bäumen des Himmels. Ludwig Wolf
„Raschl-Sackl“ geflissentlich nicht zur Kotbeseitigung benutzt werden würde. Klüger war es das Raschl-Sackl auch fürs nächste Geschäft parat zu haben. Nicht dass hier Verstopfung sensibler Hundedärme im Verzug war. Schließlich war im Wald Natur pur und jeder selber schuld, wenn er in die Scheiße griff, beziehungsweise stieg. In der Stadt war das anders, weniger Natur, aber da zahlte man schließlich Hundesteuer, und auf der Wiese, nun ja die, die war irgendwas dazwischen. Das sollte man nicht so eng sehen. Schließlich hatte so ein Tierchen auch Bedürfnisse; und die Katzen, die waren eh viel schlimmer, schissen jede Sandkiste zu mit ihren Kötteln. Kackten zwischen den Salat in den Gemüsebeeten.
„Na, da Hund vo da Mali! Wia i mit demm spaziern gonga bin, hot a sich danoch glei niedagleg und gschlofn.“
„Wenn a Weiwaleit lei a scheas Gsicht hot, is auf Daua zwenig. Is fian Misthaufn des Weib.“ (3) Endlich ging es um etwas anderes, als um die Viecher. Opa schien gut drauf und teilte Lebensweisheiten aus.
„Hu! Kung Fu, ha!“
„Los de Fuchtlarei Bua! Du tuasch da nu weh.“
„Oba des isch Kung Fu Opa!“
„Des isch ma wurscht! Leg den Steckn hi, sonst nimm i di nimma mit!“ (4)
Ein mittlerer Hund sprang über einen großen, ein kleiner wollte nach und sprang gegen das Tischbein. Ein Frauchen wurde rechterhand und abrupt unter den Tisch gezogen. Ein Gekläffe erster Klasse hub an und Josef suchte bereits das fünfte Mal dieselbe Zeile in seinem Schundroman.
„Wemma gean und mera senn, noa laft sie oiwei vua und zrugg. Sie tuat hoit olle ollaweil beschützen gei.“ (5)
Ah ja, Ende der viecherfreien Talkerei.
„Na, eatz bin i amoi gonga, isch ma da Hund von Nochborn noch. Bin i steabliebn und hob zu eam gsagt: - Gesch eatz!“
„Jo?“
„Bin i weidagonga. I hu oba oiwei was gheat hinta mia. Gsegn hob i nix. Bis hoit amoi die Holastaudn gwogglt hom. Isch dea Hund leise hintn noch, a bissl iwam Weg hoid. Und imma wenn i steabliebn bi, ischa a steabliebn, na.“
„Jo, des tean sie.“ (6)
Josef suchte wieder nach Zeilen; - Meine kurze rechte Gerade brachte die blonde Krankenschwester zu Fall - nein, die Zeile war zwar ganz schön macho, aber sie war es nicht.
„Dominanzproblem.“
Das seltsam bleiche Gesicht des Arztes verfügte auch über seltsam leblos lodernde Augen …
„des Aufreitn a.“ (7)
… rochen alle irgendwie nach Leichen. - Die Zeile war es schon eher.
„Des isch wia bei die Jugendlichn.“ (8)
Das steife, weiße Schwesternhäubchen rutschte über das frisch gewichste Linoleum wie ein gut gewachster Eisstock.
Das schien wieder falsch, weil direkt nach der rechten kurzen Geraden angesiedelt. Josef gab es auf. Die Selbstverständlichkeit mit der der Nebentisch alle seine noch so unwichtigen Belange öden Zusammenlebens mit dem besten Freund des Menschen lautstark kundtat, war einfach nicht wegblendbar. Auch nicht wenn man darauf aus war endlich zu jener Stelle zu kommen an der der Krankenschwester unter den kurzen weißen Rock ans ebensolche Höschen gegriffen wurde, was unzweifelhaft als nächstes kommen musste. Schließlich war das Schundheftchen, das er kürzlich aus seinem umfangreichen Fundus gefischt hatte, ein typisches Werk aus den Siebzigern. Den Begriff „politisch korrekt“ gab es damals noch nicht, vielleicht weil die Politiker damals noch arbeiteten und nicht herumlaberten. Manche Stellen waren so erfrischend direkt, dass man es kaum glauben konnte. Ein Heidenspaß, wie wir schon wissen. Trotzdem. Irgendeine Tante durchkreuzte die Konzentration mit einem Hausrezept für Jägerschnitzel mit Sicherheit aufs Schrillste. - „Und; des isch owa oiwei scho so guat!“ (9)
Man glaubte es unbesehen und wusste, wo man lebte. In einem Land, wo der Landeshauptmann ein dauergrinsender Ex-Landpolizist war, noch war, es bis zur hoffentlichen Abwahl war, eine Grinsekatze, die ständig Probleme mit der Sprache hatte und oft ins Lallen kam. Ganz anders als sein stets polternder Vorgänger, ein Landesverweser, der offensichtlich die Bezeichnung Landesvater völlig verinnerlicht hatte und die Leute ständig auf Kindergartenniveau hielt. Schließlich wusste er genau was gut für seine Untertanen war. Er war der Chef, der Häuptling eben, da gab´s kein Aufmucken! „Gessn wead, wos auf´n Tisch kimmt!“ (10), die Meldung vom Nebentisch kam perfekt passend zum aktuellen Gedankengang. Erschwerend kam für einen denkenden Landesbewohner wie Josef noch dazu, dass der Bürgermeister seiner Heimatstadt, die er sich leider nicht aussuchen durfte, eine Art selbstvergessener Dandy im Oscar-Wilde-Stil war. Wohl grinste er auch ständig und sah ähnlich glatt aus wie der derzeitige Landesunhold, er vermochte sich aber wesentlich eloquenter auszudrücken. Heraus aus dem Bürgermeister kam aber gleichfalls nur heiße Luft. Er war eine Art Dorian Gray ohne Spiegel, also etwas, an dem absolut kein Bedarf herrschte. Außer im Winter, aber da war der wirtschaftliche Nutzen relativ klein, da sie schnell verflog. Die Luft, die heiße. Und Spiegelscherben heizten ohnehin nicht gut. Und deren Bilder? Heizwert gleich null. Gerade so, wie der Heizkostenzuschuß. Den bekam man nur, wenn man noch weniger als Notstandshilfe bekam. Wen wunderte es da, dass die Bewohner eines solchen Landes ihr Gehirn gleichsam abgaben, schon bevor sie morgens aufstanden? Tat man es nicht, gab man das Gehirn nicht sorgsam in Verwahrung bei der Obrigkeit, dann beschlich einen den ganzen Tag lang ein Gefühl des Unwohlseins, eines unbestimmten Unbehagens, das man Stunde um Stunde nicht mehr loswurde. Der Schluchtenscheißer war also lieber stolz darauf, ein gut Teil mehr schuften zu können als der verhasste Wiener-Wasserschädlbewohner. Noch dazu war bei denen da unten alles noch viel billiger als hier, wo das Leben eh schon so hart genug war. Dass das eventuell heißen konnte, dass der Wiener möglicherweise intelligenter war; - weniger arbeiten für mehr Geld trotz günstigerer Preise; als er, der brave Bergbewohner; - mehr arbeiten für weniger Geld trotz teurerer Preise; der Gedanke kam selten einem, obwohl er auf der Hand lag. Wie ein fellig atmendes Wesen, kuschlig in der Kuhle der Handfläche dösend. Eigentlich ganz offensichtlich.
Aber wie gesagt, ein grammatikalisch schwach beleuchteter Landesvater ist der Intelligenz wahrscheinlich nicht förderlich. Und ein Smiley mit Fischgräten im Kreuz auch nicht.
„I hu oba scho ois probiert.“ (11) Opa war wieder im Gespräch, Josef der Faden abhanden gekommen, das Weizenbier immer noch halbvoll.
Er hob den weißen Kittel an … - Oha, unverhofft kommt oft, das sagte schon die weise Binse, und Josef rückte seine Brille zurecht, bemüht, die Zeile und damit den Anschluss nicht wieder zu verlieren. … schob ihn über das blütenweiße Höschen hoch. Lüstern leuchteten seine leicht gelbstichigen Augen, seine schneeweißen Eckzähne wurden immer länger. Und spitzer. Er zog ihr das Höschen hinunter und kniete sich über sie.
Leider musste man hier feststellen, dass auch die Siebziger ihre selbstauferlegten Grenzen hatten, denn den Rest musste man sich vorstellen. Es folgten ein Absatz und der liebevoll gestaltete Holzschnitt eines sehr schlanken Vampirs mit hochgestelltem Kragen nebst langen Eckzähnen als Kapiteltrennung. Lasset uns kurz die Vorstellung eines optimal geschwollenen männlichen Geschlechtsteils, das in eine optimal geschwollen befeuchtete Vulva eintaucht, illuminieren. Je violetter die Organe wurden, je weniger konnte Josef davon Abstand nehmen. Vielmehr hätte er seine Hundsrute in alles gesteckt, was verfügbar wäre. Auch gleichzeitig. Von vorn und von hinten. Gleichzeitig. Alles, Ganz egal. Hauptsache geil und spritzig.
Ah. Das Glück ist so nah.
So waren sie, diese Hefte. Und nicht nur die.
„Frau Wirtin!“
„Ja?“
„Lassen sie mich zahlen bitte.“
„Kimm i glei, gei.“ (12)
(2)
„Ich brauche etwas zum Rascheln, sonst kann sie nicht. Ein Raschel-Sackerl. Ja das brauche ich. Wo ist es denn? Ah, da habe ich es ja!“
(3)