DER TEMPEL. Michael Mühlehner

DER TEMPEL - Michael Mühlehner


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      Michael Mühlehner

      DER TEMPEL

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago,1640

       Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago, 1641

       Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago, 1641

       Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago, 1641

       Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       Missionsstation San Cristobal, in der Nähe von Maracaibo, einige Wochen später.

       Impressum neobooks

      Regenwald von Kolumbien, Gegenwart

       DER TEMPEL

       Aus den Aufzeichnungen des Jesuitenpaters Santiago, 1640

       Ich trete diese Reise an in der Gewissheit, nicht zurückzukehren. Bevor wir von Cádiz in See stachen, vertraute ich Gott meine Seele an. Seitdem liegen viele Tage des Gebetes, des Zweifels und der Kontemplation hinter mir. Wir müssen fest im Glauben sein, Brüder!

       Auf Höhe Gibraltars füllte ein bräsiger Wind die Segel, gerade als ob die Elemente wollten, dass wir eine schnelle Reise machen. Vielleicht ist es uns bestimmt – doch wer steht hinter der Bestimmung? Gott oder der Teufel?

       O fluchwürdige Neue Welt – welche Schrecken und Gefahren wir doch meistern mussten!

       Wir glaubten das Böse vor über einhundert Jahren besiegt zu haben, doch nun müssen wir feststellen, wie sehr wir uns täuschten. Schlimme Nachrichten haben das Hohe Officium erreicht. Gottlosigkeit und Heidentum erheben erneut ihre Köpfe, einer teuflischen Hydra gleich. Die Wilden beten noch immer die Alten Götter an, tief in den Dschungeln lodern die Zeremonialfeuer und auf den blutnassen Opfersteinen sterben Christen unter entsetzlichen Qualen. Die Finsternis ist zurück und es liegt an uns, der Heiligen Inquisition, Licht in die Dunkelheit zu bringen, das Böse in den Flammen der Heiligen Feuer zu verbrennen.

       Möge Gott mit uns sein!

      Um Mitternacht erreichte der Sturm seinen Höhepunkt. Nach einer Serie von zuckenden Blitzen und krachenden Donnerschlägen, hielt die Natur für einen Moment wie betäubt inne, dann zerriss blaues Himmelsfeuer den tosenden Regenvorhang, verdampften die Wassertropfen im knisternden Schein des flammenden Lichtbogens, ehe die Erde bebte und die Pyramide im Zentrum des Felskessels von den Energien des Blitzes getroffen wurde.

      Der krachende Lärm des Einschlags hallte von den Felswänden wider, ein heulender Sturmwind drückte die Bäume und Sträucher mit solcher Kraft hernieder, dass die Wipfel beinahe den bebenden Boden berührten. Das Wasser des Regens war kalt wie Eis.

      Von seinem zugigen Versteck im Felsdurchgang des Kessels beobachtete Fernandez das wütende Toben der Elemente.

      Ihm fror erbärmlich, der Sturm peitschte den Regen beinahe waagerecht durch den Spalt im Fels. Es zog und heulte, der Poncho flatterte wie ein losgelöstes Banner um seinen Körper.

      Selten hatte Fernandez so einen Sturm gesehen, geschweige denn war Teil davon. Und alles nur, weil der Comandante ihn zum Wachdienst bei der Stufenpyramide eingeteilt hatte. Als ob das Ding ihnen davonlaufen könnte!

      Fluchend starrte er zu dem Bauwerk hinüber, das gleich einer kauernden Kröte im Zentrum des Felskessels aufragte. Umgeben von Urwald und lotrechten Felswänden. Im zuckenden Licht der Blitze schimmerte es giftgrün, bedeckt von Ranken, Moosen und Flechten. Etwas Unheimliches haftete dem Bauwerk an. Fernandez konnte die eingeborenen Arbeiter beinahe verstehen, dass sie nur widerwillig ihren Aufgaben nachkamen. Wo es ging, mieden sie die Pyramide. Und wenn sie dann doch daran arbeiteten, meldeten sie sich spätestens nach einem Tag krank.

      Arbeitsscheues Gesindel, dachte Fernandez. Er hatte für die Eingeborenen nichts übrig. Sie waren nur für niedere Arbeiten zu gebrauchen.

      Seine Stimmung wurde noch schlechter, als er daran dachte, dass die Indios jetzt in ihren Hütten lagen und schliefen, während er Wache schieben musste.

      Ein weiterer Fluch drang über die Lippen des Mestizen. Er schaute wieder zu dem Bauwerk hinüber, blaues Elmsfeuer lief über die Flanken der Stufenpyramide. Oben, auf dem Flachdach, wo ein quadratisches Tempelhaus stand, hing eine Qualmwolke. Sie schimmerte türkisfarben. Als die Rauchwolke vom Sturmwind weggeblasen wurde, war Fernandez Neugierde geweckt. Es hatte den Anschein, als wäre das Tempelhaus auf dem Dach beschädigt. Trotz des Unwetters rannte der Mestize über die gerodete Fläche. Er wusste um die Geschichten, die sich die Eingeborenen über die Pyramide erzählten, und er hatte auch den Comandante darüber sprechen gehört. Angeblich verbarg sich ein gewaltiger Goldschatz im Inneren des Bauwerks, das über keinerlei Zugänge verfügte. Zumindest hatten die Gringos von Wissenschaftlern noch keinen Eingang gefunden.

      Die Moos- und Grasschichten, die den Stein der Pyramide bedeckten, fühlten sich feucht und schleimig an. Unter seinen Fingern spürte er bearbeiteten Stein, voll von Fresken und

      Ornamenten. Einen Teil hatten die Wissenschaftler schon freigelegt.

      Hastig kletterte Fernandez die rutschige Stufentreppe in der Mitte des Bauwerks hoch. Völlig durchnässt stand er oben auf der Plattform. Die Luft roch nach Ozon und feuchtem Staub.

      Er hatte recht gehabt! Der Blitz hatte das Gebäude beschädigt. Als er um das hintere Eck des Tempelhauses bog, sah er die Verwüstung. Ein Loch klaffte im Gemäuer! Im Schein des nächsten Blitzes glaubte er es golden leuchten zu sehen. Mit großen Augen trat der Mestize näher an die halb zerstörte Rückwand. Schwärze gähnte vor ihm, doch nur einen Atemzug lang. Wieder zuckten und prasselten Blitze, ihr grelles Feuer offenbarte Fernandez die Erfüllung seiner kühnsten Träume. Mit einem breiten Lächeln betrat er das Tempelhaus.

      ***

      Der Sturm wütete die ganze Nacht, und als am Morgen die schweren Winde nach Osten abzogen, bot sich ein Bild der Zerstörung.

      Eine breite Schneise entwurzelter Bäume und zerfetzten Urwaldes spannte sich von den senkrechten Felswänden des Hochplateaus bis zu den Ausläufern der östlichen Kordilleren. Alles was sich darin befunden hatte, war vernichtet. Zerschmettert von den Titanenfäusten des Sturmwindes, vom prasselnden Hagelschlag, vom flammenden Blitzfeuer und vom bebenden Rumpeln der Erde. Eine riesige Sense aus Wind und entfesselter Elemente hatte die Bäume niedergemäht, der rumorenden Erde den Boden aufgerissen


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