An die Rollatoren Mädels. Heidi Hollmann
stand. Es heißt also: Abwarten!
Ich habe eine Bekannte, die als Köchin in einem Altenheim tätig war und die mir sagte, ehe sie in so was reinkäme, würde sie, falls es eben noch eben ging, Hand an sich legen.
Es gäbe ja so viele Möglichkeiten. „Dem Himmel sei Dank!“ meinte sie abschließend und schüttelte sich.
Auch ich könnte mich schütteln, vor und nach den Besuchen im Altenheim, in dem unsere Eltern ihr Altersdasein eher fristen, als genießen.
Ab und zu erboten sich meine beiden bereits erwachsenen Enkelmädchen, uns zu begleiten. Eine Liebestat für die ich ihnen immer sehr dankbar war.
Großherzig schenkte die Uroma ihnen sofort das Mobiliar des ganzen Hauses. Keine Sorge, alles wäre ihr Eigentum, versicherte sie. Die Mädchen spielten mit, bedankten sich artig und wenn die Ur-Oma insistierte, sie müssten doch nun endlich heiraten, so langsam sähe man ihnen das Alter an, stimmten sie auch dem zu. Wenn sie Geld brauchten, würde die Urgroßmutter ihnen natürlich damit unter die Arme greifen.
Dabei weiß sie nicht mehr, was Geld überhaupt ist. Die Umwandlung in den Euro hat sie damals schon nicht mehr mitbekommen.
Am Mittag vertraten sich die beiden Mädchen ihre Beine und kamen mir lachend in dem langen Flur entgegen. Vor der hauseigenen Kapelle waren X-Rollstühle geparkt, wie in Kindergärten die Fahrzeuge der kleinen Insassen. Es war nicht immer alles trist und traurig. Unsere Mutter, früher recht drall, nahm im Heim konstant ab. Ohne meckern zu wollen, bei dem Essen, würde sich bei mir sogar mein stattliches Körpergewicht reduzieren, worüber ich glücklich wäre, aber bitte sehr nicht unter der Prämisse, dort etabliert zu werden.
Da bleib ich lieber korpulent bis zum seligen Ende meiner Tage. Selbst auf die Gefahr hin, meine Lebenszeit zu verkürzen, wie Ärzte es ihren Patienten gern plausibel zu machen versuchen, um sie zum Abnehmen zu bewegen.
Da halte ich es lieber wie eine meiner Schwägerinnen, die mehr als füllig geworden, meinte, den Sargträgern müsste der Schweiß den Steiß runterlaufen, wenn man sie zu Grabe trüge.
Sie hat einen deftigeren Ausspruch getan im Hinblick auf die Schweißrichtung. Recht hat sie. Ein bisschen Egoismus muss sein, zumal es uns alten Menschen schmeckt und Essen nicht zu Unrecht als „Rentnersex“ bezeichnet wird. Das heißt, so lange wir noch das essen können, was wir wollen. Keinen Einheitsfraß konsumieren müssen wie bei Militär oder in so manchen Krankenhäusern und leider auch in Altenheimen.
Mutter hatte so sehr abgenommen, so dass ihre Prothesen weder oben noch unten in ihrem Kiefer Halt fanden. Sie lockerten sich immer mehr und eines Tages im Beisein von Hetty und mir, fiel unserer Mutter die Prothese aus dem Mund. Die obere oder untere, ich weiß es nicht mehr, ist auch unwichtig. Sie landete geradewegs in ihre auf dem Schoß ruhenden hohlen Hände. Mutter zuckte erschreckt zusammen. Wir hörten sie in ihrem Platt ein überraschtes: „Watt ist datt dann?“ murmeln. Wieder einmal:
„Humor ist, wenn man trotzdem lacht!“
Bei mir gibt`s im Moment immer weniger zum Lachen. Wenn ich nur an diese gleichermaßen grässlichen, wie effizienten Kompressionstrümpfe denke, wird mir manchmal ein wenig plümerant.
Als ich sie verschrieben bekam, die Dinger sind sauteuer, fragte mich die auch nicht mehr ganz so junge Ärztin mit einem bedauernden Blick auf meine sich schlängelnden Krampfadern, ob ich vielleicht welche mit Spitze oben dran haben wollte und in Schwarz. Wollte ich, kosten ohnehin nicht mehr und nicht weniger. Sexy sind sie sowieso nicht, ob oben ohne, oder mit. Aber immerhin nett von der Medizinerin gemeint.
Bei jedem Wetter, selbst bei 40 ° im Schatten trage ich treu und brav meine Medizinischen.
Es gibt Dinge, die einem das Alter einfach auferlegt und man ist gut beraten, sich mit dem Unvermeidlichen zu arrangieren. Das müssen Jüngere manchmal schon praktizieren, wie meine flotte auf Marylin Monroe getrimmte Friseurmeisterin, die den ganzen Tag über stehend, ohne diese hilfreichen Plagegeister überhaupt nicht würde arbeiten können.
Morgens, wenn ich die erste Schlacht geschlagen habe, den ersten Strumpf unter vielen Verrenkungen und dementsprechendem Gekeuche übergezogen habe, brauche ich erst einmal eine dicke Pause, wie bei vielen anderen Verrichtungen auch, seit ich in die Jahre gekommen bin.
Wenn der Zweite dann endlich wie eine feste Pelle mein Bein umschnürt, ist das schon die halbe Miete. Der Tageseinstieg schon nicht mehr ganz so katastrophal. Geschafft! Geschafft im Doppelsinn!
Abends dann allerdings erneutes Theater, diese schwarzen Zwillinge wieder in den Griff zu bekommen. Nur andersherum, wobei mir das Gekeuche ob der Anstrengung, sie wieder loszuwerden, nicht erspart bleibt. Das frenetische Keuchen bekommt Armin trotz seiner Hörstürze mit, falls er sich in der Nähe befindet.
Unsere Rhythmen sind in allem schon immer sehr verschieden, aber es ist durchaus möglich, dass wir beim Ausziehen im Schlafzimmer auch mal als Duo zusammenstoßen.
Bei meinen unvermeidbaren Geräuschen, vor allem am Abend könnten Nachbarn wer weiß was von uns Oldies annehmen; würden wir in einer Neubauwohnung zu Hause sein. Schön in jeder Beziehung, im eigenen soliden Heim wohnen zu dürfen.
Die frühere Kabarettistin Isa Vermehren und spätere Nonne behauptete einmal in einem Fernsehinterview, als sie schon längst Ordensfrau war, dass man mit dem Alter ausgezeichnet zurecht käme. Möglicherweise weiß sie nichts von Stützstrümpfen.
„Die hat ja auch keinen sie beobachtenden Mann meinte meine Hetti dazu, worauf ich Einspruch erhob.
„Die ist immerhin mit Gott verheiratet, und der liebe Gott sieht bekanntlich alles!“, gab ich zu bedenken, worauf ich ihre glaubwürdige Antwort erhielt:
„Ja, schon, aber der urteilt und beurteilt nicht!“
Sich mit dem Alter anzufreunden halte ich persönlich für wünschenswert.
Sich dagegenzustemmen ist genau so unnütz, als wenn man versuchen wollte, Schneeflocken zu rösten.
Allerdings tun mir alle jene alten Damen leid, die sehr spät oder gar nicht Omis geworden sind. Für die ist das Alter doch ein Quäntchen fader.
Ich wurde exakt genau in dem Alter Oma, in dem meine Tochter Mutter wurde. Das ist nicht verwunderlich, ich war eine ziemlich junge Mutter und die logische Konsequenz, jedenfalls zu meiner Zeit war die, dass der Großmutterstatus auch früh eintrat. Ich war ganze neununddreißig Jährchen jung.
In dem Alter hat man für gewöhnlich noch Nerven wie Drahtseile, oder?
Nein, nicht immer. Häufig genug war ich völlig ermattet, wobei es auf das jeweils zu hütende Enkelkind ankam. Unser fünfter Enkel, ein besonders aufgeweckter Junge, verlangte mir bisweilen meine ganze Kraft ab. Seine Mama bezeichnete ihn häufig als „Jubiläumskind“. Er folgte erst Anweisungen beim fünfundzwanzigsten Mal. Das konnte ich aus eigenem leidvollem Erleben nur bestätigen. Ich hätte eine Flüstertüte gebraucht, um meine Stimmbänder zu schonen. Das Schöne an Enkelkindern ist, dass man sie immer wieder los wird. Meine Freundinnen, die ehrlichen jedenfalls, bestätigen mir immer wieder, wie unbändig sie sich freuen, wenn ihre Enkelkinder kommen, die Freude aber ebenso groß ist, wenn die Enkel wieder gehen und sie sich, gleich mir, in ihre feudalen Fernsehsessel knallen können.
„Ach des Menschen größte Freud....!“
Meine beiden Kinder bescherten mir im Ganzen sieben Enkel; im Alter von sechs Monaten bis zu dreißig Jahren. Eine breite Spanne, die einigen verrückten Umständen zu verdanken ist.
Zudem, durch nur einen einzigen Sohn und nur einer einzigen Tochter vierfache Schwiegermutter zu werden, ist zwar kein Kunststück, aber erklärungsbedürftig.
Unser Sohn hat schlicht und einfach drei Frauen beglückt, mit denen er insgesamt fünf Kinder zustande brachte, die natürlich allesamt meine Enkelkinder wurden. Unsere Tochter Adda als „Nachzüglerin“ bekam ihre beiden Mädchen ziemlich spät. Bedingt durch ihr langes Studium, mit ihrer nachfolgenden