An die Rollatoren Mädels. Heidi Hollmann

An die Rollatoren Mädels - Heidi Hollmann


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war für mich völlig o.k. Kräfte wachsen schließlich nicht auf Bäumen.

      Ich hatte den schon verplanten Nachmittag also für mich, fuhr mit dem Wagen in aller Ruhe zum Einkaufen und traute meinen Augen nicht, als ich vor mir eben jene Freundin im Beisein einer anderen Freundin in ihrem Wagen puppenlustig vor mir herfahren sah.

      Ich war wie erstarrt, dachte: „Morgens sterbender Schwan und nachmittags von den Toten auferstanden! Wie passt das zusammen!“

      „Nee, nicht mit mir!“ war mir klar. Ich startete dann gleich eine E-Mail mit dem Hinweis, die Welt wäre klein und es gäbe keine Zufälle. Sie sollte wissen, dass ich sie und ihre Begleiterin wahrgenommen hatte. Zwei volle Tage später erst, eine mir unverständliche Verzögerung, wurde mir dann auf gleichem Wege mitgeteilt, dass ich bitte Verständnis haben sollte.

      Wie konnte ich das? Ich habe ihr nicht mehr geantwortet, zumal sie in der bewussten Mail ohnehin mitgeteilt hatte, mir nicht mehr so oft schreiben zu wollen.

      Manchmal sehen wir uns noch zufällig, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass es keine Zufälle gibt. Wir wohnen dicht beieinander. Einmal trafen wir uns bei einer Museumsführung und wir unterhielten uns, als wenn nichts dazwischen gelegen hätte. Erkundigten uns gegenseitig nach den Enkeln und so etwas wie eine alte Vertrautheit keimte wieder auf.

      Ich sammle anscheinend Freunde, wie andere Leute diverse Wertgegenstände. So könnte man meinen. In Wirklichkeit sind Freunde von hohem Wert, wenn sie echte Freunde sind. Wozu für mich Verrat das Letzte ist und wo mir das Verzeihen verdammt schwer fällt. Ich wurde von meiner Freundin Lotte darauf aufmerksam gemacht, Typen anzuziehen, die irgendwie aus der Norm fallen. So vorsichtig drückte sie sich jedenfalls aus. Als Psychologin musst sie es ja wissen.

      Ich dachte darüber nach. Sie war nicht im Unrecht! Eine meiner Freundinnen die besonders an mir hing, war im Grunde genommen eine sehr aggressive Frau. Mir gegenüber selten, eigentlich nur einmal, was mich tief verunsichert hat. Guste hat einmal, das ist mir von einer ihr nahen Verwandten gebeichtet worden, eine Pizzeria auseinandergenommen und die Stühle durch die Luft gewirbelt, gewütet, wie ein Taifun. Den Grund weiß ich nicht mehr. Vielleicht war die Pizza angebrannt oder nur der Himmel weiß, warum sie sich so aufgeknöpft hat. Bei mir flippte sie auch einmal aus, weil ich sie gebeten hatte, die Chormusik im Autoradio leiser zu stellen. Daraufhin wurde sie dermaßen fuchsig:

      „Hast du was gegen Chormusik?“ schnauzte sie. Ich verneinte. Da fing sie an zu brüllen, sie liebte geradezu solche Musik und ich sollte mich schämen, nichts dafür übrig zu haben. Dann war der Spuk augenblicklich vorbei. Sie saß unvermittelt wieder seelenruhig da. Auch weiß ich von diesem „Pizzeria-Schreck,“ dass ein Räuber sie in ihrem Schreibwarengeschäft einmal mit vorgehaltener Pistole zur Kasse gebeten hatte. Ganz schön mutig von ihm!

      Statt ihm Geld auszuhändigen, schlug sie ihm erst die Pistole aus der Hand, danach eins auf die Nuss, wobei der Dieb zu Boden ging. Erst nach getaner Arbeit wurde sie selber ohnmächtig und neben dem Räuber liegend von einem (Zufälle gibt es nicht) vorbeikommenden Polizisten erstversorgt, bis der Krankenwagen eintraf. Ich könnte einen Roman speziell über meine gesamten Freundinnen schreiben. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, warum man annimmt, ich würde Typen anziehen, die nicht ganz in der Norm wären. „Du könntest ja auch einen neben dir herlaufen haben,“ meinte meine Mutter dazu, als sie selbst noch „normal“, sprich, noch nicht dement war. Das finde ich, ist der Knackpunkt! Vielleicht war ich wirklich diejenige die gagga war. Wer weiß das schon so genau! Zudem, was soll `s. Wichtig war uns, dass wir uns mochten und stets beistanden.

      „Was ist schon noch normal! Was ist verrückt?“ stellte sich mir neuerdings immer wieder mal die Frage. Ich gehe sogar soweit, zu behaupten, dass die Menschen, die in der Psychiatrie sitzen, vergleichsweise „normal“ sind und die, die es von sich behaupten, eher ab und an mit ihnen tauschen sollten.

      Wenigstens für eine befristete Zeit. Ich selbst habe schon mit vielen Freundinnen schöne und auch schwere Zeiten erlebt. Irgendeinen an der Klatsche haben sie genauso wie auch ich.

      Dennoch sind wir sind allesamt unterschiedlich, was den Reiz von Freundschaften ausmacht.

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