Steintränen. Manja Gautschi
abweisend zu sein. Und soviel ich weiss, haben Sie Bekannte in Rupes, das wäre wirklich sehr hilfreich.“ Dek machte eine kurze Pause bevor er fragte „Was meinen Sie dazu?“
Bedrückende, angespannte Stille folgte. Einer der Wärter blickte zu seinem Kollegen und schmunzelte. Offensichtlich wussten sie, dass ihr Gefangener nicht für seine Gesprächigkeit bekannt war.
Der Gefangene bewegte sich weiterhin keinen Millimeter. Und nach einem weiteren ewig scheinenden Moment schoss es dafür wütend aus dem gereizten Heisssporn Bob heraus „Verflucht noch eins! He! Der Captain hat Sie was gefragt! Da gibt man gefälligst Antwort!“ er klopfte dabei wild auf der Scheibe herum bis er den beinahe tödlichen Blick von Dek bemerkte. Sofort verstummte Bob. Mit beschämter Mine stellte sich der junge Assistent wieder neben seinen Vorgesetzten und hielt fürs Erste seinen Mund. Aber er hatte Recht, davon war er überzeugt.
Da hatte er wohl für einen Moment die lediglich Kontrolle etwas verloren, es ärgerte ihn selbst. Aber dieser unverschämte Kerl, war es einfach nicht wert, dass sich ein Captain des Terra Sonnensystems so viel Zeit für ihn nimmt, das verstand er nicht und seine Gedanken rasten. Die Armee war seine Familie, er mochte jung und unerfahren sein, aber auf die Einhaltung von Strukturen, Rangordnungen und Regeln legte er schon immer unbedingten Wert. Ohne Ordnung würde alles zerfallen und Chaos ausbrechen. Schwarz oder Weiss, Grau gab es nicht für Bob. Und jetzt benahm sich dieser Kerl so respektlos, wo ihm diese Ehre und zweite Chance zu Teil wurde ihnen helfen zu dürfen. Es ärgerte ihn einfach grenzenlos. So eine Frechheit.
Nachdem Dek seinen Blick wieder dem Gefangenen zuwandte „Also? Ich warte.“ hob dieser langsam den Kopf, wobei seine Haare nach hinten zurück fielen und sein Gesicht frei gaben. Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite schaute mit einem fragenden Blick und angehobener linken Augenbraue zu seinen beiden unerwünschten Besuchern. Dabei fielen seine Augen auf, sie blickten ruhig, sehr aufmerksam und durchdringend. Etwas unheimlich und genauso, wie die eines unberechenbaren, gefährlichen Tieres, fand Bob. Das ganze Gesicht wirkte hart, er trug einen wilden Vollbart.
Was ebenfalls erst jetzt sichtbar wurde, war, dass Sa noch immer seine Mundfessel trug, deshalb wohl der fragende Blick. Selbst wenn er gewollt hätte, er hätte nicht antworten können.
Eine Mundfessel ist eine mundgrosse Stange aus medizinischem hautverträglichem Carbon, die ein Gefangener im Mund trägt. Am Kopf gehalten von einem Band aus sich selbst anpassendem Aluminium. Am Hinterkopf per Magnetschloss verschlossen. Sinn und Zweck einer Mundfessel: Der Gefangene kann so weder reden und Wärter beeinflussen, noch kann er mit den Zähnen zubeissen und jemanden verletzen.
Jedenfalls wurde jetzt auch Captain Dek wütend. Welcher Idiot hatte vergessen die Mundfessel abzunehmen?! Sofort schrie er den beiden Wärtern im Gefangenenraum zu „He, ihr Schwachköpfe! Was soll das? Nehmt ihm sofort dieses verdammte Ding aus dem Mund. Für solchen Mist habe ich weder Nerven noch Zeit.“ Darauf zuckte einer der beiden Wärter zusammen, sein Schmunzeln von vorhin verschwand augenblicklich. Er fluchte leise vor sich hin, während er seine Waffe abstellte und dem Gefangenen die Mundfessel vorsichtig abnahm. Die hatte er komplett vergessen, so was Blödes! Mit einem Tuch wischte er die Mundfessel sauber, steckte sie in seine Hosentasche, nahm seine Waffe wieder und stellte sich an seinen Platz zurück, vergeblich versuchend, so auszusehen, als ob alles in bester Ordnung wäre.
Der soeben von der Mundfessel befreite Gefangene bewegte seinen Unterkiefer zur Lockerung etwas hin und her bevor er Dek eine etwas unerwartete Antwort gab „Nein, warum sollte ich?“ Seine Stimme war tief, sehr bestimmt und er hatte seine Worte durchaus ernst gemeint, wie Bob verblüfft zur Kenntnis nahm. Bob blieb ab dieser Unverfrorenheit der Mund offen, während Dek kurz nachdachte. Dek atmete tief ein und ergänzte. „Es wäre eine Abwechslung zum Gefängnisalltag. Sie würden uns begleiten. Und ich werde mich dafür einsetzen, dass Sie anschliessend in eine etwas angenehmere Einrichtung verlegt würden, nach erfolgreichem Abschluss unseres Auftrags selbstverständlich.“
Wieder Stille, alle schwiegen und warteten auf eine Antwort des Gefangenen. Bob Adern pulsierten, er verstand die Welt nicht mehr.
Die Stille hielt jedenfalls solange, bis sich Bob erneut nicht zurückhalten konnte, jetzt lässt der den Captain quasi auch noch um seine Hilfe betteln!! Er schrie „Commander!!?...“ denn weiter kam er nicht, da der Gefangene gleichzeitig von seinem Hocker aufsprang und in die Ketten schnellte. Bob fiel vor Schreck rückwärts auf seinen Allerwertesten. Einen knappen Meter vor der transparenten Trennscheibe hatten die Ketten den Commander gestoppt und er blickte wütend „Was soll das?“ sagte der Gefangene laut aber kontrolliert. Einer der Wärter legte ganz vorsichtig seine Hand auf die Schulter des Gefangenen und versuchte zu beruhigen „Ruhig.“ Aber dieser zog angewidert seine Schulter unter der Hand weg „Ihr wisst genau, dass ich schon lange kein Commander mehr bin und es auch nie mehr sein werde. Also hört mit diesem verfluchten schleimigen Getue auf! Ich habe einen Namen. Und jetzt verschwindet! Lasst mich in Ruhe!“ wieder legte der Wärter seine Hand auf die Schulter des Gefangenen. Diesmal sagte er allerdings in befehlendem, lauten Ton „Hinsetzen!“ der Gefangene, Ex-Commander Zylin Sa, sah drohend auf die Hand auf seiner Schulter, der Wärter nahm die Hand zurück „Sofort“ befahl der Mann nochmals, aber leise.
Nur zögerlich und langsam setzte sich Zylin zurück auf diesen unbequemen Hocker. Es fühlte sich an, als ob Zylin jeden Moment explodieren würde, wenn man ihn nur noch ein klein wenig mehr reizte. Zylin fixierte Dek mit seinen durchdringenden Augen. Er versuchte herauszufinden, was sein alter Freund John wirklich im Schilde führte. Doch das Einzige was er mit Sicherheit registrierte, war, dass das Meiste einfach schlicht gelogen war. Und dieser hitzköpfige Jungspund strahlte eine Arroganz aus, wie es nur eingebildete, von sich überzeugte Menschen tun konnten, denen jegliche Lebenserfahrung fehlte. Was sollte das? Er war wütend. Emotionen der Vergangenheit kochten hoch, als wäre es gestern gewesen.
Die Wachen standen starr und angespannt, bereit, jeden Moment zu reagieren. Man sah ihnen an, dass sie ob Zylins heftiger Reaktion etwas überrascht worden waren.
Gleichzeitig wendete sich Dek an Bob „Bob, noch ein Wort und Du wartest draussen! Du hast keine Ahnung, worum es hier geht, du verfluchter, kleiner Anfänger! Lerne erst einmal zu atmen, bevor du Luft holst!“ Bob nickte nur noch. Er stand auf und stellte sich diesmal nicht neben, sondern hinter seinen Captain und war mucks-mäuschen still und kreidebleich im Gesicht vor lauter Schreck und Scham. Sein Hintern schmerzte noch vom Aufprall.
Dek schüttelte verärgert den Kopf ob seines unerfahrenen, hitzköpfigen jungen Assistenten. Seine geplante Diskussionstaktik konnte er vergessen. Er kannte Zylin, hatte er eigentlich irgendwie erwartet, nur gehofft, es käme doch anders. Er musste Zylin einen besseren Grund liefern ihnen zu helfen. Zylin hatte sich ohnehin noch nie auf etwas eingelassen, wenn überhaupt, ohne die genauen Hintergründe zu kennen. Dek wartete einen Moment bis sich die Situation einigermassen beruhigte und begann von Neuem.
„Also gut“ fing Dek an „Wir wissen, dass die Stadtherren von Rotsand, im Sinn haben Rupes, die inoffiziellen Hauptstadt von Steinwelten, anzugreifen und zu übernehmen um nicht nur den Steintränenhandel sondern auch das Sammeln der Tränen zu kontrollieren. Das Terra Sonnensystem will als Vermittler die Angelegenheit ohne gewaltsame Zwischenfälle klären helfen. An einem blutigen Krieg hat schlussendlich niemand Interesse. Der Steintränenhandel ist einfach zu wichtig. Unser Auftrag ist die neutrale Vermittlung zwischen Rupes und Rotsand, doch wie ihnen bekannt sein dürfte, ist zwar Rotsand jedermann zugänglich, aber Rupes Tore sind für Fremde verschlossen und Soldaten des Terra Sonnensystems werden schon gar nicht gern gesehen. Deshalb brauchen wir Ihre Hilfe, man kennt Sie in Rupes und wird Ihnen Zugang gewähren.“ während er sprach versuchte Dek irgendeine Reaktion von Zylin zu erkennen, aber eigentlich wie erwartet: Nichts „Ich weiss von Ihren Freunden und Bekannten in Rupes. Sie wollen bestimmt nicht, dass Ihnen Schaden wiederfährt und so könnten Sie